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24. September 2014 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Walking on Sunshine (Max Giwa & Dania Pasquini)UK 2014, Buch: Joshua St Johnston, Kamera: Philipp Blaubach, Schnitt: Robin Sales, Musik: Anne Dudley, mit Hannah Arterton (Taylor), Annabel Scholey (Maddie), Giulio Berruti (Raf), Greg Wise (Doug), Katy Brand (Lil), Danny Kirrane (Mikey), Leona Lewis (Elena), Giulio Corso (Enrico), Tiziana Schiavarelli (Tiziana), Andrea Coppola (Priest), 97 Min., Kinostart: 25. September 2014 Ich hatte bereits fast zwei Seiten meiner Kritik zu diesem Film verfasst, als ich mich entschied, mal wieder was anderes auszuprobieren und das Textkonvolut wie Kartoffelschalen in die Tonne stampfte. Ihr kennt doch sicherlich diese bekloppten »Psycho-Test« in noch bekloppteren Zeitschriften. Über ein ähnliches, aber anspruchsvolleres Verfahren werden wir feststellen, ob die werten Leser und Leserinnen eine gewisse Affinität zum besprochenen Film haben. Es handelt sich nämlich um ein Jukebox-Musical mit 14 Hits unterschiedlicher Interpreten aus den 1980ern. Schnappt euch Stift und Zettel und schaut mal, wie viele Sogs ihr anhand von ein paar Textpassagen (kursiv) wiedererkennt. Die Antworten erst nach Niederschrift aller Bestimmungsversuche unten drunter abgleichen und dann selbst entscheiden, ob ihr an dem Film so viel Spaß haben könntet wie der Filmredakteur. Man kann übrigens über das bloße Erraten hinaus auch anhand der Songauswahl erkennen, ob der Film zumindest musikalisch zusagen würde. Und wenn man eine alte Socke ist, fragt man sich, wie viele der Songs man auf Tonträger besitzt oder besaß. Song 1: It's time for the good times Auf dem Flughafen wird gleich mal die richtige Stimmung angegeben, die auch ausgiebig zelebriert wird. Hauptfigur Taylor (Hannah Arterton, die kleine Schwester von Gemma) tanzt mit anderen Urlaubern, Kofferkulis und Flugbegleitern, die sich gerade an der Bar einen Cocktail gönnen. Wenn es dann im Songtext heißt All Across the world dann ist es schon ein wenig auffällig, dass die Tänzer in der dazugehörigen Einstellung in ihrer Hautfarbe dunkler als nur sonnengebräunt sind, aber ähnlich wie die manchmal etwas holprig wirkende choreographierte Kofferschieberei sah ich über solche Kleinigkeiten zunächst hinweg. Bildmaterial © SquareOne/Universum Song 2: Goddess on the mountain top Die »Göttin« in dieser Coverversion bezieht sich eindeutig auf Taylors Schwester Maddie (Annabel Scholey), die teilweise auch mit der entsprechenden Arroganz auftritt. In der Choreographie des Songs, die sich an einem mondänen Swimming-Pool abspielt und in nicht geringer Weise an Busby Berkeley und Esther Williams erinnert, wird auch der gutaussehende Beckenreiniger in die Fantasie der Sängerin einbezogen, plötzlich taucht eine riesige Muschel auf und die Putzfau muss hinterher die Rosenblätter wegfegen. Interessant, dass ausgerechnet die Song-Inszenierung, die am weitesten von der Realität weg ist, eine Spur von Sozialkritik mit sich bringt. Die offenbar aus Apulien stammenden Bediensteten werden spielerisch gedemütigt und ausgebeutet, während sich die reiche Hausherrin den »Aperol Spritz« reichen lässt und in ihrer Fantasie bereits die Welt der bloßen Sterblichen zu verlassen trachtet. She's got it Bildmaterial © SquareOne/Universum Song 3: I fall in love whenever we meet Kommen wir zu dritten Person im Bunde. Nicht die beste Freundin der Schwestern, eine Wuchtbrumme namens Lil (Katy Brand), sondern Maddies Verlobter, den Taylor unbedingt kennenlernen will, und bei dem Maddie das Urteil der Schwester bereits vorwegnimmt: »You will love him«. Womit wir beim Knackpunkt der Geschichte wären, denn der Verlobte (Italiens »sexiest male« Giulio Berruti als Raf) ist ausgerechnet Taylors große Sommerliebe von vor drei Jahren, ehe sie ihr Studium begann und sich ernsthafteren Dingen zuwandte. Nun fragt sie sich (singend), ob er wohl noch die alten Gefühle hegt. Sie selbst behauptet zwar, längst nicht mehr »Nothing compares 2U« auf ihrem iPod zu hören und äußerlichen Reizen nicht mehr ohne weiteres zu erliegen (»I don't go all wobbly in my knees every time a boy pulls off his shirt«), aber der Songtext, den sie am Strand trällert, spricht eine andere Sprache. This love is strong why do I feel weak Bildmaterial © SquareOne/Universum Song 4: You don't need money, don't take fame Der vierte Song ist bereits der dritte, der sich ganz Thema Nr. 1 widmet (nein, nicht dem Pimpern, sondern der romantischen Grundstimmung, die damit manchmal einher geht), und der Songtitel war in den 1980ern sogar mit zwei großen Hits vertreten. Hier ist nicht derjenige gemeint, in dessen Video die Weihnachtsgeschichte nacherzählt wird, sondern der aus einem großen Kinohit, in dem der Sänger sogar einen kurzen Auftritt hatte. Ungeachtet dessen, was ich im Absatz zuvor erzählte, gibt es bei diesem Song eine Menge Strandakrobatik, die ein harmloser Zeitgenosse als »Liegestützen« umschreiben würde, für den es aber in der Bravo damals einen anderen Fachbegriff gab, der mir justamente entfallen ist. »Rhythmische Sportgymnastik« war es nicht, aber sowas ähnliches. Das so ein Film, inszeniert von dem Regiepaar, dass man von StreetDance 3D kennen könnte, neben aller Romantik natürlich auch handfesten Sex thematisiert, ist keine Überraschung, dass manche Tänzerinnen über die Kamera hinweghuschen müssen, dass man sich an bestimmte Animes erinnert fühlt, ist vielleicht nicht super-classy, aber Urlaubsstimmung ist halt ein großes Thema des Films, und dazu gehört natürlich hier und da auch ein bisschen mehr Haut als im Büroalltag. Man gibt sich aber Mühe, jugendfrei zu bleiben, auch wenn manche Sprüche schon eine Spur derb ausfallen (»Exes are like fireworks, either they blow up in your face or they go all limp«). Wenn man es drauf ankommen lässt, findet man solche Tendenzen durchaus auch im Liedgut vergangener Tage: Tougher than diamonds, rich like cream Bildmaterial © SquareOne/Universum Song 5: You were working as a waitress in a cocktail bar, when I met you. Mein Lieblingssong des Films (das entsprechende Album bereicherte etwas weiter unten auch graphisch diese Kritik) begleitet auch die choreographisch schönste Szene, ein Wiedertreffen Maddies mit ihrem Ex (Greg Wise als Doug), der ihren Lebensstil wohl stark verändert hat, glaubt man dem Song und anderen Anzeichen (so ganz genau weiß man nicht, was Maddie beruflich so treibt) Now five years later on you've got the world at your feet. Ach ja, Apropos vergessen. Wenn zwischen Song 4 und 5 jemand sagt »I didn't forget about you« (bin mir nicht mehr sicher, wer es war), dann deutet das übrigens darauf hin, dass hier ursprünglich noch ein Song der Simple Minds eingeplant war. Aber die Filmemacher waren schon clever und haben durchdrungen, dass man an dieser Stelle keinen weiteren Song über die Vergangenheit braucht, sondern endlich auf die Gegenwart des Films hinarbeiten muss. Das Duett zwischen Maddie und Doug hat in seiner Chroeographie was von Screwball und Comedy of Remarriage, und man braucht eigentlich nur auf das eher unfreiwillige Lächeln Maddies zu achten, um zu sehen, auf welche Art das Drehbuch hier eine mögliche Lösung offenbart. Aber der Film ist so 100%ig durchschaubar nun doch wieder nicht … Kurzer Exkurs: Wie die Songtexte hier und anderswo mit der Spielhandlung sympathisieren, ist schon ein kleines Erlebnis, vor allem, weil man sich immer mal wieder vor Augen führen muss, dass die Songs ja nicht extra für den Film geschrieben (oder umgedichtet) wurden. Natürlich ist der Textkorpus eines gesamten Jahrzehnts eine reichhaltige Fundgrube, doch gerade im direkten Vergleich mit Mamma Mia! oder Across the Universe zeigt sich, dass bei Jukebox-Musicals ein großartiger Künstler mit tollem Gesamtwerk einfach nicht mit einer gesunden Diversität mithalten kann. Und ich bin ganz besonders dankbar, dass diesmal keiner Jude oder Lucy heißen muss oder man extra eine Plotfinte bastelt, damit »Does your Mother Know?« noch reinpasst. You know I don't believe you Bildmaterial © SquareOne/Universum Song 6: I used to think maybe you love me now I know that it's true Aus bestimmten Gründen ist dieser Song besonders leicht zu erraten, und ich will an dieser Stelle nur kurz erwähnen, dass man sich an der Stelle des Films anfänglich fahrenderweise durch die Handlung bewegt. Man muss sich eben nicht sklavisch an bestimmte Textvorgaben halten. Dann bastelt man aus dem Song beim »Tomatenfestival« sozusagen drei separate Duette, was trotz der visuell nicht unbedingt überzeugendsten Szene immer noch clever ist. Vor Song 7 wird übrigens ein wenig an einer Harfe gezupft, und ich möchte an dieser Stelle betonen, dass zu den musikalischen Beratern des Films auch Anne Dudley gehört, die in den Achtzigern einen festen Platz bei »The Art of Noise« hatte. Hier hört man das auch raus. Song 7: You belong with me Im Prolog (drei Jahre zuvor) räkeln sich Raf und Taylor wie einst Burt Lancaster und Deborah Kerr in der warmen Brandung, bei Song 3 wird sie wacklig in den Knien, weil er mit freiem Oberkörper durch den Sonnenuntergang spaziert, und bei diesem Song hat man durch eine fadenscheinige Ausrede (Tomatenflecke) eine Möglichkeit, ein gemeinsames Bad zu nehmen, während sich Maddie in einer etwas verzögerten Parallelmontage ebenfalls mit ihrem Ex trifft (verteilt auf zwei Szenen). Der Songtitel hat hier natürlich auch einen ganz konkreten Bezug, aber mir wäre gar nicht bewusst gewesen, dass die clevere Uminterpretation ihre Wurzeln schon im Songtext hat Say my name Die Sonne ist in diesem Film die eigentliche Liebesgöttin, die auch immer wieder in den Songs eine kleine Rolle spielt und Tomaten, Gurken und was nicht alles sprießen lässt. Wer findet, Walking on Sunshine sei nur eine oberflächliche ausgedehnte Knutschi-Schmusi-Nummer mit ein bisschen Kuschelrock und entsprechenden Werbebildern aus den Achtzigern (»Like Ice in the Sunshine« kommt einem mehrfach in den Sinn), der hat sich halt nicht die Mühe gemacht, mal etwas tiefer zu schürfen, denn da gibt der Film teilweise so viel her wie die Gedichtsanalyse eines Shakespeareschen Sonetts (14 Songs statt 14 Zeilen). Ich find's toll, wer den Zugang nicht findet, liest längst schon nicht mehr mit... Song 8 & 9: Hier kommen zwei thematisch deutlich verbundene Songs kurz hintereinander und illustrieren den Junggesellenabend bzw. die »hen's night«. Wer schon mal auf einer russischen Hochzeit war und aus A Clockwork Orange ein paar Russisch-Kenntnisse retten konnte, der kennt vielleicht diese Party-Spielchen, wo die Gäste immer nach den Geschlechtern sortiert werden, »malitschik, devotschka« (vermutlich komplett falschgeschrieben) usw. Dem entspricht auch die Songauswahl hier, die ausnahmsweise weniger mit der Handlung zu tun hat, sondern einfach nur ungestüme Party-Laune repräsentiert. Song 8: They tried to break us, Song 9: Some boys take a beautiful girl, Und ja, da kam wieder die Sonne vor, und vielleicht ja nicht nur wegen des Reims. Ach ja, bei den beiden Songs spielt der Film quasi dasselbe Musikquiz über die Kostüme der Darsteller. Wer Adam Ant nicht erkennt, muss nicht zwangsläufig zu jung für den Film sein, die ältere Generation darf dann zuhause die alten Scheiben entstauben und Nachhilfe anbieten. Oder halt youtube nutzen … Song 10: Lay a whisper on my pillow, Statt Sonne plötzlich »Winter«? Der vermutlich traurigste Song des Films baut gegen Ende noch mal Spannung auf, denn Taylor bricht den Urlaub ab, das kennt man ja, kurz vor Schluss muss es immer so aussehen, als ob alles schiefgeht. Song 11: Well I guess it would be nice Umso cleverer, das man nicht nur einen Up-Beat-Song mit einem möglichen Fremdgehen der Fast-schon-Braut Maddie mit ihrem Ex Doug folgen lässt, sondern über das Thema der Berührung (mal harmlos traurig in der Erinnerung, mal ganz aufs Körperliche bezogen) auch eine gewisse Gegenüberstellung bastelt. Song 12: Hey little sister, what have you done? Die Songs kann man natürlich am besten mit den ersten Zeilen erraten, aber in diesem Fall ist der Song nicht nur musikalisch unerwartet, man hat auch das Gefühl, dass dies der Ursprung der gesamten Geschichte ist. Die »Schwester« spielt eine große Rolle und der Songtitel wirkt obligatorisch und wird gleich noch in meiner Farbdramaturgie eine Rolle spielen. Song 13 beginnt sofort mit dem Songtitel und deshalb habe ich ihn natürlich auch sofort erkannt, aber ich muss zugebene, dass ich hier überfragt war, auf die Interpretin zu kommen, weil diese (unter anderem) dafür bekannt ist, in mehreren Jahrzehnten einen Riesenhit gehabt zu haben, und im Gegensatz zu allen Interpreten des Films assoziiert man sie nicht unbedingt als erstes mit den Achtzigern. Die mitratenden Leser bekommen den Songtitel natürlich nicht auf dem Tablett präsentiert, aber nach dieser Passage kommt dann wieder der Refrain, der auch was mit dem Thema der verschenkten Chancen, der Vergangenheit usw. zu tun hat. Langsam laut vorlesen, vielleicht kommt ihr ja auch den Rhythmus … I don't know why I did the things I did Bei Song 14 glauben viele Menschen, er beginne (wie passend) sogar mit dem Wort »Jukebox« (4x), aber die offizielle Version lautet anders. Wir setzen danach ein und ich muss zugeben, dass ist sogar ein Song, den ich schon selbst bei Karaoke zum Besten gegeben habe – und das Tempo fordert einiges. Aber hey, zum Schluss will man ja beschwingt aus dem Kino gehen. You put the boom boom into my heart Schrecklich, wenn man weiß, man kennt das, aber man kommt nicht drauf. Damit die werte Leserschaft nicht zufällig und unabsichtlich auf die Lösungen stößt, nun noch der dritte Teil meiner (hoffentlich) beliebten Rubrik, diesmal mit einem (verfremdeten) Plattencover, das erstaunlicherweise die drei wichtigen Farben (natürlich ist hellblau wieder dabei) bereits beinhaltet.
Farbdramaturgie 5. Juni 2014, Pressevorführung Walking on Sunshine. Zwei Wochen nach meiner Zweitsichtung von The Fault in Our Stars, fünf Tage vor Kaze tachinu. Bei keinem dieser Filme ging ich bei der Erstsichtung mit dem Vorsatz, auf Farben zu achten, ins Kino, aber manche Dinge kann man dann halt nicht übersehen. In diesem Fall war es auch wieder die Farbe Hellblau, die mich auf den richtigen Weg brachte. Hellblau und rosa sind bekanntlich die »Babyfarben«, mit denen man Neugeborene vom ersten Atemzug an terrorisiert. In Walking on Sunshine ist es so, dass Maddie ein hellblaues Auto fährt, während Doug ein rosa Hemd spazieren trägt. Beides auffällig genug, dass es einem auffallen kann, und die Verbindung der beiden hat jetzt auch nicht viel mit waghalsigen Interpretationen zu tun. (Man beachte übrigens, dass der zentrale Song der beiden natürlich vom von mir verfremdeten Album stammt – wer's nicht erkennt, es heißt »Dare«, die Band kann man der Lösung im Anschluss entnehmen. Ist ein Klassiker, jeder einzelne Song!) Wenn Maddie später Doug zu einem »ach so harmlosen« Treffen zu sich einlädt, tragen beide unschuldiges Weiß, aber die Bettwäsche ist tatsächlich Hellblau und Rosa, wie eine heimliche / unbewusste Begierde. Ob es zum Sex kommt, lässt der Film noch ein wenig offen, aber am nächsten Tag, kurz vor der weißen Hochzeit, sieht man Maddie übrigens nochmal in hellblau, und ich habe schon ganz konkret darauf gelauert, welche Farbe Doug wohl trägt, und davon ausgehend mal eine Prognose gewagt. Zum Spoilerschutz belasse ich es hierbei und komme nun zur Auflösung, was die Songtitel angeht … Song 1: Holiday (Madonna) Okay, als Quiz war das vermutlich wieder zu schwer, aber alternativ kann ich von mir sagen, dass ich 2, 5, 6, 7, 8, 9 und 14 seinerzeit auf Vinyl hatte. Das ist nur die Hälfte, ich hasse Whitney Houston und finde Roxette nicht so toll, aber der Film hat mich unerwarteterweise wirklich ein bisschen verzaubert. Und ich bin ein langjähriger Abba-Fan, der Mamma mia! schlichtweg zum Kotzen fand. |
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