Kundschafter des Friedens
(Robert Thalheim)
Deutschland / Spanien 2017, Buch: Robert Thalheim, Oliver Ziegenbalg, Kamera: Henner Besuch, Schnitt: Stefan Kobe, Musik: Anton Feist, Uwe Bossenz, Szenenbild: Myrna Drews, mit Henry Hübchen (Jochen Falk), Michael Gwisdek (Jacky), Antje Traue (Paula Kern), Jürgen Prochnow (Kern), Thomas Thieme (Locke), Winfried Glatzeder (Harry), Jörg Malchow (Hansen), Milan Peschel (Marcel Werner), 93 Min., Kinostart: 26. Januar 2017
Im Vorfeld der Sichtung dieses Films entwickelte ich einen gewissen Widerwillen gegen den Film, nicht zuletzt, weil ich mit dem Titel nicht wirklich zufrieden war - insbesondere dem Detail, dass es mir so vorkam, dass dieser Titel bei jeder Pressemitteilung des Films »erklärt« wird und ich davon ausging, dass selbst Kurz- bis Kürzest-Kritiken zum Film immer erst mal in zwei Sätzen erklären müssen, was dieser euphemistische Begriff aus dem Ostblock-Jargon eigentlich bezeichnet - und weshalb das irgendwie witzig ist.
Und das ist für mich schon mal Grund genug, die Erklärung nicht zu liefern. Laut Presseheft kann man das auch genauso gut bei Wikipedia nachlesen.
Kundschafter des Friedens ist ein außergewöhnlicher Genre-Mix. Zum einen hat man hier ein heist movie, also die ausgefeilte Durchführung eines komplizierten Einbruchszenario à la Ocean's Eleven, nur halt im Agentenmilieu, also ein bisschen wie Mission Impossible. Aber das Ganze ist gleichzeitig eine (n)ostalgische Komödie, und nicht zuletzt sind die vermeintlichen »Agenten« allesamt ehemalige Top-Spione der DDR-Auslandsaufklärung, die 27 Jahre nach dem Mauerfall schon etwas betagt sind und jetzt aus bestimmten Gründen vom Bundesnachrichtendienst »reaktiviert« werden. Dritter Vergleichsfilm könnte also so was wie Space Cowboys sein, nur das statt Tommy Lee Jones und Clint Eastwood hier die Hauptrollen von Henry Hübchen, Michael Gwisdek oder Winfried Glatzeder gespielt werden.
© 2017 Stephanie Kulbach / Majestic
Ich muss zugeben, mich verzauberte schon der Splitscreen-Vorspann im Stil der 1970er, der mit verblichenen Farben und obsoleten Technologien an Fersehserien wie Mission Impossible oder The A-Team erinnerte, was natürlich in Kenntnis, dessen, was einen gleich für ein Team erwartet, gleich viel witziger wirkt.
Beim halbwegs stringenten und schnellen Prolog, der die Geschichte ins Rollen bringt, war ich nicht so völlig begeistert vom Einsatz eines Merkel-Ersatzes (»Frau Ministerin«), aber wie es Henry Hübchen als Falk beinahe gelingt, die toptrainierten BND-Verfolger abzuschütteln, war schon immens unterhaltsam, der Tonfall des Films ist für eine deutsche Komödie erstaunlich treffsicher.
Ein ziemlicher Glücksgriff ist auch die junge Kollegin des alten Teams, die vom vermeintlichen US-Star (Man of Steel-Kryptonierin) Antje Traue gespielte Paula Kern, die immer für einen spielerischen Konflikt-Ton sorgt, ohne das man den üblichen Schwanzvergleich zwischen Machos unnötig ausreizen muss. Dialogperlen wie »Hast du Erfahrung mit Altenpflege?« akzentuieren das auch sofort sehr schön.
© 2017 Stephanie Kulbach / Majestic
Die Zusammenstellung des »Teams« kokettiert wunderbar mit den Jahrzehnte alten Fehden, und auch die Kurzbiographien der Figuren wirken stimmig, wenn etwa einer jetzt bei der CSU eingestiegen ist und sich ein lupenreines Bayrisch angeeignet hat.
Oft wirkt der Film so, dass er seine Zuschauer nicht bevormundet, sondern jeder sein eigenes politisches Vorwissen zur Unterfütterung des Drehbuchs mit einbringen kann. Ich hatte nur ein wenig den Eindruck, dass man zu energisch versuchte, wirklich jede halbvergessene Vokabel aus alten Zeiten (»Jungpioniere«, »Volkseigentum« und so was) irgendwie noch mit ins Buch reinzudrücken.
© 2017 Majestic
Zu den Höhepunkten der an guten Ideen nicht armen Geschichte gehört der Auftritt von Winfried Glatzeder als »Romeo-Agent«. Wenn man jetzt Die Legende von Paul und Paula gesehen hat und die achte Staffel vom Dschungel-Camp, hat man schon eine gewisse Ahnung, wie dieser Teil des Films verläuft. Aber es gibt immer noch richtig hübsche Ideen, wie die Story vorangebracht wird.
Ich will jetzt nicht den ganzen Film nacherzählen, weil es mir einerseits nicht so sehr um die Story geht und man andererseits es auch selbst erleben sollte, aber was für den Film spricht, ist, wie ein irgendwie sehr emotionaler Teilaspekt rund um Paula Kern, der mich nur sehr eingeschränkt interessierte, dennoch stilvoll zum Abschluss gebracht wurde.
© 2017 Majestic
Der einzige Teil des Films, den man meines Erachtens klar hätte verbessern können, betrifft einen vermeintlichen »Action-Höhepunkt« mit einer Schießerei, bei dem irgendwie merkt, dass man sich in inszenatorische Gefilde gewagt hat, die man bei dem Budget nicht mehr ganz unter Kontrolle hat, und wo man auf die gesamte Sequenz einfach hätte verzichten sollen oder sie elliptisch hätte erzählen sollen (auch, wenn die Location irgendwo zwischen Hitchcocks North by Northwest und John Fords Monument Valley herzallerliebst war). Aber vermutlich gibt es da irgendwelche Experten, die wissen, dass das »große Publikum« diese Momente auch haben will - und man hat sich dann vielleicht diesem Wissen gebeugt.
Und selbst dieser Einspruch ist dann aber Meckern auf hohem Niveau, Kundschafter des Friedens ist einfach ein ernsthafter Anwärter auf den gelungensten deutschen Film des Jahres - selbst, wenn das Ganze im Vorfeld vielleicht etwas albern klingt. Das Ding funktioniert einfach. Unterhaltsam und intelligent, und dabei auch noch clever umgesetzt.