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1. November 2017
Thomas Vorwerk
für satt.org


  The Secret Man (Peter Landesman)


The Secret Man
(Peter Landesman)

USA 2017, Originaltitel: Mark Felt - The Man who brought down the White House, Buch: Peter Landesman, Buchvorlage: Mark Felt, John D. O'Connor, Kamera: Adam Kimmel, Schnitt: Tariq Anwar, Musik: Daniel Pemberton, Kostüme: Lorraine Calvert, Production Design: David Crank, Set Decoration: Kristie Thompson, mit Liam Neeson (Mark Felt), Diane Lane (Audrey Felt), Marton Csokas (L. Patrick Gray), Tony Goldwyn (Ed Miller), Ike Barinholtz (Angelo Lano), Josh Lucas (Charlie Bates), Wendi McLendon-Covey (Carol Tschudy), Kate Walsh (Pat Miller), Brian d'Arcy James (Robert Kunkel), Maika Monroe (Joan Felt), Michael C. Hall (John Dean), Tom Sizemore (Bill Sullivan), Julian Morris (Bob Woodward), Bruce Greenwood (Sandy Smith), Noah Wyle (Stan Pottinger), Eddie Marsan (Agency Man), Stephen Michael Ayers (John Mitchell), Wayne Pere (John Ehrlichman), Darryl Cox (Richard Kleindienst), 103 Min., Kinostart: 2. November 2017

Der über den Umweg des Journalisten und Drehbuchautoren zur Regie gekommene Peter Landesman hat ein Faible für politische Stoffe. Er schrieb einst den Zeitungsartikel, aus dem Marco Kreuzpaintners Trade wurde, Kill the Messenger ist ein weiteres Beispiel für seine Lieblingsthemen. Zu seinen Regiearbeiten gehört der JFK-Film Parkland und der NFL-Rechtsstreit Concussion (mit Will Smith). Die Story hinter dem Mann, den man Jahrzehnte lang nur als »Deep Throat« kannte, ist wie geschaffen für Landesman.

Washington im Jahre 1972, kurz vor dem Watergate-Skandal. Mark Felt (Liam Neeson) war jahrzehntelang der zweite Mann hinter Edgar J. Hoover beim FBI, wobei er aber schon viele Aufgaben und Zuständigkeiten seines betagten Vorgesetzten übernommen hat. Jeder geht davon aus, dass Felt der neue Chef wird, doch da kommt L. Patrick Gray (Marton Csokas, bewährter Schurkendarsteller, zuletzt der böse Cop in Loving) und Felt wird hellhörig, bei welchen Entscheidungen plötzlich Präsident Richard M. Nixon seine Hände im Spiel hat.

The Secret Man (Peter Landesman)

Foto: Wild Bunch / Central

Das Spannendste an Mark Felt - The Man who brought down the White House (der »deutsche« Titel klingt eher nach einem John-Le-Carré-Stoff) ist, dass Autor-Regisseur Landesman sich nicht damit abgibt, jedem ungebildeten Ins-Kino-Stolperer zum zweiundzwanzigsten Mal die Eckpfeiler der Watergate-Umstände zu erklären. Ich selbst war 1972 erst fünf Jahre alt, und natürlich muss man davon ausgehen, dass das Zielpublikum eines stylischen und gut besetzten Hollywood-Films nicht ausschließlich aus alten Amis bestehen kann. Aber wer jetzt beispielsweise 25 oder 30 ist, interessiert sich entweder für Politik oder tut es nicht.

Wenn man keinen Schimmer von Richard Nixon hat, bekommt man hier nicht alles vorgekaut, sondern kann zwar der Filmhandlung (die schon sehr auf die Hauptfigur zugeschnitten ist) folgen, aber muss sich dann ggfs. nach dem Kinobesuch entscheiden, ob man sich vielleicht nachträglich über einige der Akteure auf Wikipedia o.ä. informiert. (Die Hauptarbeit der betreuenden Presseagentur scheint diesmal auch darin zu bestehen, recherchefaulen Journalisten die Infos zuzutragen).

The Secret Man (Peter Landesman)

Foto: Wild Bunch / Central

Was aber auch hilft: wenn man die sich immer wieder gerne mit Nixon beschäftigende Filmgeschichte etwas kennt. Alan J. Pakulas All the President's Men (dt.: Die Unbestechlichen) sollte eigentlich zum Rüstzeug eines filminteressierten Individuums gehören. Wer stattdessen nur The X-Files gesehen hat, wird auch vieles wiedererkennen. Man hat ja sogar den Namen Deep Throat hier übernommen, den der reale Mark Felt übrigens so gar nicht mochte - aber ohne sich schon früh als Whistleblower zu outen, konnte er daran wenig ändern.

The Secret Man (Peter Landesman)

Foto: Wild Bunch / Central

Der Name Deep Throat ist eigentlich ein schönes Beispiel, um zu erklären, warum man ruhig mal so viel cojones besitzen darf, nicht klitzeklein alles zu erklären. In All the President's Men (und den X-Files) ist Deep Throat ein mysteriöser Informant, der Washington-Post-Journalist Bob Woodward (oder Fox Mulder) in dunklen Parkhäusern etc. mit tiefer Stimme Hinweise gibt, in welche Richtung man recherchieren sollte (wie Peter Landesman malt er kein connect-the-dots-Bildchen für Sechsjährige, sondern setzt auf Eigeninitiative). Je nach Hintergrundwissen erkennt man in Deep Throat auch einen Anfang der 1970er sehr populären Pornofilm, aber Mark Felt funktioniert ein bisschen wie ein Studium (ich kann hier nur von meinen persönlichen Erfahrungen sprechen): Anfänglich sieht man nur einzelne, voneinander unabhängige Details, aber nach und nach setzen sich die Puzzleteile zusammen, man erkennt Muster und Zusammenhänge.

Ich fragte mich etwa bei der Filmsichtung, ob die Lakaien aus dem Weißen Haus die selben Nasen waren, die ich im Film Elvis & Nixon kennengelernt habe. Ich kam auch auf die Idee, dass Philip Roth sich bei seinem kürzlich verfilmten American Pastoral irgendwie auf die Geschichte von Felts Tochter gestützt haben könnte (eher nicht direkt, aber ähnliche Schicksale scheint es damals mehrfach gegeben zu haben). Der Originalartikel des inzwischen verstorbenen Mark Felt aus der Vanity Fair ist online leicht einsehbar, man kann sich auch die Buchvorlage besorgen, wenn einem dieser Einblick in das Leben dieser »Hintergrundfigur« der US-amerikanischen Geschichte interessiert.

The Secret Man (Peter Landesman)

Foto: Wild Bunch / Central

Ein Film, der unterhält, clever gemacht ist, und im Betrachter den Wunsch weckt, mehr wissen zu wollen, ist tausend mal interessanter als ein Film, der alles herunterbetet und erklärt für die Leute, die vielleicht in zehn Jahren mal zufällig reinzappen (wenn es dieses Phänomen dann überhaupt noch gibt) und zwischen zwei Werbepausen noch mal alles wiederholt bekommen wollen, was sie womöglich zuvor (oder in ihrem Leben) verpasst haben.

Mark Felt - The Man who brought down the White House ist ein Film alter Schule, der Intelligenz fordert - aber Aufmerksamkeit auch belohnt. Wie man es zumindest im Mainstream-Kino immer seltener erlebt.