Goodbye Christopher Robin
(Simon Curtis)
UK 2017, Buch: Frank Cottrell Boyce, Simon Vaughan, Kamera: Ben Smithard, Schnitt: Victoria Boydell, Musik: Carter Burwell, Production Design: David Roger, Kostüme: Odile Dicks-Mireaux, Supervising Art Director: Tim Blake, Set Decoration: Claire Nia Richards, mit Will Tilston (Cristopher Robin Aged 8), Domhnall Gleeson (Alan Milne), Margot Robbie (Daphne Milne), Kelly Macdonald (Olive), Alex Lawther (Christopher Robin Aged 18), Dexter Hyman, Sonny Hyman (Christopher Robin Aged 3 Years), Stanley Hamlin (Christopher Robin Aged 6 Months), Stephen Campbell Moore (Ernest), Vicki Pepperdine (Betty), Richard McCabe (Rupert), Geraldine Somerville (Lady O), Mossie Smith (Sharon the Midwife), Phoebe Waller-Bridge (Mary Brown), Sam Barnes (The Times Photographer), Richard Clifford (Toy Shop Manager), Robert Portal (Headmaster), 107 Min., Kinostart: 7. Juni 2018
In wenigen Monaten läuft ein Disney-Film namens Christopher Robin an (u.a. mit Ewan McGregor, man mag mir verzeihen, dass ich mir nicht den zukünftigen Filmgenuss versaue, indem ich für die Kritik eines anderen Films bereits alles recherchiere, was zu recherchieren ist). Vorher bringt man noch diesen bereits aus 2017 stammenden britischen Film in die deutschen Kinos. In Goodbye Christopher Robin geht es ebenfalls um den aus den Winnie-the-Pooh-Geschichten bekannten Sohn von A.A. Milne. Man scheut den direkten Vergleich, will aber offenbar ein wenig davon profitieren, dass in vielen Kinos schon für den Disney-Film geworben wird - und eine Verwechslung nicht ausgeschlossen scheint.
Unter der Regie von Simon Curtis (My Week with Marilyn) umgibt man den durchaus talentierten und patenten Kinderdarsteller Will Tilston mit einigen Stars, um eine eigentlich sehr traurige Geschichte zu erzählen. Erst inspiriert der kleine Christopher mit seinen Kuscheltieren die Geschichten um Winnie, Tigger, Piglet usw., sorgt damit für den größten Erfolg in der Dichterkarriere seines Vaters (Domhnall Gleeson), doch dann droht der Rummel um den weltweit beliebten Bären und den Jungen an seiner Seite dazu, dass man Christopher quasi fürs Merchandise einspannt, wo der Junge keine Fantasiefigur sein will, sondern einfach ein kleiner Junge. Besonders deutlich wird das innerhalb der Familie dadurch, dass eigentlich niemand seinen Geburtsnamen Christopher Robin benutzt, sondern er immer »Billy Moon« genannt wird.
© 2018 Twentieth Century Fox
Dass die Eltern den Sohn inmitten des Medienrummels vernachlässigen, merken sie zunächst gar nicht. Die Besetzung mit Domhnall Gleeson (der von Romantic Comedies wie About Time bis Star-Wars-Schurken so ziemlich alles herunterspielt, aber immer noch nicht so bekannt ist, wie man es aufgrund seiner Filmographie annehmen würde) und Margot Robbie (Suicide Squad, I, Tonya) wirkt für liebende Eltern schon auf dem Papier etwas unterkühlt, und ich würde gern schreiben, dass sie gegen dieses Typecasting ankämpfen - nur agieren sie dafür eigentlich zu halbherzig. Kelly Macdonald (Trainspotting, No Country for Old Men) als Kindermädchen Marke »Jungfer« wirkt da weitaus warmherziger, kann sich aber gegen die Wünsche der Eltern nicht immer sofort durchsetzen.
Die Pointe, die der Film in seinem Marketing (nahezu alle Pressebilder zeigen den jungen Titelhelden oder einen Aspekt seiner vermeintlich glücklichen Kindheit) nahezu verschweigt und auch im Film reichlich beschönigt darstellt, ist der Umstand, dass Christopher Robin sich von seinen Eltern (gerade dem Vater) distanziert und dann zu früh und zu einer ungünstigen Zeit Soldat wird.
© 2018 Twentieth Century Fox
Das baut der Film in eine das Unheil ankündigende Rahmenhandlung ein, die in meinem speziellen Fall den Rückschluss evozierte, dass Domhnall Gleeson (den ich zuerst für einen gealterten Christopher Robin hielt) irgendetwas traumatisches mit seiner kleinen Schwester erlebt haben muss (die falsch eingestufte Schwester erwies sich dann als der Sohn).
Die Kriegserfahrungen würden eigentlich eine Brücke zwischen Vater und Sohn nahe legen, aber dazu wird auch das Trauma von Milne (»I just fought in the war to end all wars!«) zu pittoresk ausgearbeitet und entwickelt die Relevanz für die Geschichte viel zu spät.
© 2018 Twentieth Century Fox
In meinen Augen funktioniert das letzte Viertel des Films, in dem man versucht, die eher unschönen Handlungsfäden zu einem hübschen Schleifchen zu drapieren, am wenigsten. Da ich aber ein Fan der Milne-Bücher bin (im Film zeigt man bevorzugt die weniger bekannten, um deren Verkauf zu fördern - bei mir hat's geklappt!), war für mich der interessanteste Teil, wie man die Bewohner des Hundred Acre Wood für die Kinderbücher erarbeitet. Angefangen mit dem herausgekitzelten Input von Billy (»Tigger is better than Tiger, it's more tiggerish.«), den Bemühungen des Dichters und der Unterstützung durch den Illustrator Ernest H. Shephard (auch bekannt durch Kenneth Grahames The Wind in the Willows) ... bis hin zu kleinen gespielten Anekdoten am Rande wie einem Treffen mit einem Spielzeugfabrikanten, oder dem regelmäßigen Besuch im Londoner Zoo, wo der Bär »Winnipeg« sehr schnell zu »Winnie« wird.
Ich muss zugeben, dass ich die kleinen Seelennöte des Titelhelden zwar wahrnahm, aber irgendwie auch daran hinderte, die irgendwo versteckte Geschichte einer glücklichen Kindheit emotional herunterzuziehen, weil ich irgendwie den Nährwert nicht richtig sah. Und im Film gibt es fast für jede negative Entwicklung eine positive Gegenbewegung - und sei es nur so ein lapidarer Kommentar wie »It's better when mommy does the voices«, der für den Sympathiegrad von Daphne Milne mehr tut als alles, worum sich Margot Robbie bemüht.
© 2018 Twentieth Century Fox
Wie viel von den Geschehnissen historisch akkurat ist, will ich gar nicht im Detail eruieren, ich orientiere mich lieber an der Literatur. Die beste Idee des Drehbuchs bleibt die Nanny, die dann auch noch wegen einer späten Liebe die schwere Entscheidung zwischen dem kleinen Mann, für den sie angestellt ist, und dem im Film fast komplett als »mit einem Namen versehene Ellipse« wahrzunehmenden Partner fällen muss. Aber in diesem Fall überzeugte mich die entsprechende Drehbuch-Gegenbewegung sogar halbwegs, was aber sicher mit Kelly Macdonald zusammenhängt.
Goodbye Christopher Robin ist mal wieder so ein Film, bei dem das Scheitern teilweise interessanter ist als das Gelingen eines anderen Films. Weil ich ihn einige Wochen vor Solo: A Star Wars Story sah, achtete ich übrigens kein Stück auf den Auftritt einer mir mittlerweile etwas ertrauteren Darstellerin: Phoebe Waller-Bridge, inzwischen bekannt als weiblicher Droid L3, spielt hier eine gewisse »Mary Brown«, an die ich mich im Nachhinein nicht wirklich erinnern kann.