Green Book -
Eine besondere
Freundschaft
(Peter Farrelly)
USA 2018, Originaltitel: Green Book - Eine besondere Freundschaft, Buch: Peter Farrelly, Nick Vallelonga, Brian Currie, Kamera: Sean Porter, Schnitt: Patrick J. Don Vito, Musik: Kris Bowers, Kostüme: Betsy Heimann, mit Viggo Mortensen (Tony »Lip« Vallelonga), Mahershala Ali (Dr. Donald Walbridge Shirley), Linda Cardellini (Dolores), Sebastian Maniscalco (Johnny Venere), Dimiter D. Marinov (Oleg), P.J. Byrne (Plattenproduzent), Iqbal Theba (Amit), Nick Vallelonga (Augie), Ninja Devoe (Orange Bird Bartender), Maggie Nixon (Copa Coat Check Girl), 130 Min., Kinostart: 31. Januar 2019
Das »Green Book« bzw. The Negro Motorist Green Book war ein bis Mitte der 1960er herausgegebener Hotelführer für Schwarze, die irgendwo in den Vereinigten Staaten übernachten wurde, was damals längst nicht »überall« möglich war.
Der Film Green Book erzählt die 1962 spielende Geschichte eines italienischen Rausschmeißers (Viggo Mortensen) mit unübersehbar rassistischer Einstellung, der als Chauffeur einen schwarzen Konzertpianisten (Mahershala Ali) durch den Süden der USA kutschieren soll. Der Film erzählt eine tatsächliche Geschichte, der Sohn von Tony »Lip« Villalonga hatte selbst seinen Vater über die damaligen Geschehnisse per Tonaufzeichnung ausgefragt (auch der Konzertpianist »Doc Shirley« war mittlerweile ein guter Freund der Familie) und als Schauspieler und Produzent als Filmprojekt umsetzen wollen, was durch das Hinzustoßen von Peter Farrelly günstig beeinflusst wurde.
© 2018 eOne Germany
Peter Farrelly ist einer der zwei Farrelly-Brüder, die in den vergangenen drei Jahrzehnten mit ihren oft die Grenzen des guten Geschmacks durchstoßenden Komödien teilweise phänomenalen Erfolg hatten. Zu ihren Filmen gehören unter anderem Dumb and Dumber (1994), Kingpin (1996), There's Something about Mary (1998), Me, Myself & Irene (2000), Shallow Hal (2001), Stuck on You (2003), Fever Pitch (2005), The Heartbreak Kid (2007), Hall Pass (2011), The Three Stooges (2012) oder Dumb and Dumber To (2014). Ein Film wie Fever Pitch (die Baseball-Variation des Nick-Hornby-Romans über einen Fußball-Fanatiker) beweist, dass die beiden auch blütenweiße RomComs beherrschten (ich habe nicht recherchiert, warum Bobby Farrelly sich ein wenig aus der Branche zurückgezogen hat), und nicht nur der letztes Jahr verstorbene Drehbuch-Guru und mehrfache Oscargewinner William Goldman erkannte die Farrellys als große Drehbuchtalente. In seinem Buch Which lie did I tell (2000) featurete Goldman die berühmt-berüchtigte Reißverschluss-Szene aus There's Something about Mary ganz selbstverständlich neben anderen Drehbuch-Geniestreichen wie der Cropduster-Szene aus North by Northwest oder Passagen aus Chinatown, Fargo oder Ingmar Bergmans Schachspiel mit dem Sensenmann in Det sjunde inseglet (Das siebente Siegel).
Die Darstellungen von Zungenküssen mit einem Schoßhund oder ausufernder Intimbehaarung wirken nicht so, als würden sie Peter Farrelly dafür prädestinieren, eine Geschichte über historisch zu überwindenden Rassismus umzusetzen, doch wenn man länger darüber nachdenkt, spielten Fragen des Respekts und der Humanität bzw. zu überwindende Vorurteile schon früher eine Rolle bei den Farrellys. Stuck on You über den siamesischen Zwilling Matt Damon habe ich irgendwie verpasst, aber Shallow Hal (dt.: Schwer verliebt) sezierte am Fall des pummligen, aber in der Partnerwahl ganz auf Oberflächlichkeiten fixierten Jack Black auf konstruktive Weise einen Ismus. Nur ist der Konzertpianist Dr. Donald Walbridge Shirley (Mahershala Ali) nicht so eine Witznummer wie Gwyneth Paltrow im Fatsuit.
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Die eigentliche Geschichte in Green Book ist zwar größtenteils vorhersehbar (Tonys Rassismus wird so überdeutlich demonstriert, dass man schnell von einer charakterlichen Entwicklung ausgeht), aber das Drehbuch ist extrem feinziselliert und der Film ist auch einfach immens unterhaltsam ohne dass die wichtige Geschichte daran leidet.
Der dauerfluchende Rausschmeißer Tony und »Doc Shirley« (Doktortitel in Psychologie, Musik und Liturgik) sind zwar so grundverschieden wie Walter Matthau und Tony Randall als Felix und Oscar in The Odd Couple, aber die »besondere Freundschaft« bekommt Raum, sich zu entwickeln und wird dabei auch nicht rührselig, sondern jeweils mit der perfekten erzählerischen Distanz vorangetrieben. Green Book ist nicht Moonlight, kein politisches Kunstkino (ohne den Film schmälern zu wollen), sondern Mainstreamkino mit ähnlichen Aussagen. Die beiden Filme bieten sich nur eingeschränkt für einen Vergleich an, sind aber beide großartiges Kino.
Das liegt auch an den Nebenfiguren, allen voran Linda Cardenelli als Tonys Frau Dolores, die zu Beginn des Films argwöhnisch beobachtet, wie ihr Mann etwa zwei Gläser wegschmeißen will, nur weil zwei schwarze Monteure daraus tranken, und dann im Verlauf des Films Tonys Veränderung aus der Distanz miterlebt, weil Doc Shirley seinem Chauffeur dabei hilft, seiner Frau Briefe zu schreiben, die nicht nur die tägliche Speisefolge akkurat wiedergeben.
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Farrelly scheut sich nicht, bestimmte Details zu überzeichnen (etwa Doc Shirleys Wohnung über der Carnegie Hall nebst persönlichem Diener - fast auf Prinz-von-Zamunda-Level), überzeugt aber auch - ähnlich wie beim Freundeskreis in Fever Pitch - bei den minutiösen atmosphärischen Details. Wie hier bei Tonys italienischem Background, der zu Beginn des Films durchaus ausschweifend beschrieben wird, aber auch einfach wichtig ist für die Figur.
Ziemlich wichtig für den Film ist es auch, wenn Tony mal versucht, seinem Arbeitgeber etwas »beizubringen« - ob es die Grundbegriffe der schwarzen Musik sind oder nur so etwas Profanes wie ein Mahl bei KFC, das man natürlich mit den Fingern isst. Das Spiel mit den schwarzen Klischees wird hier auf die Spitze getrieben, Tony steht für all jene mitunter »animalischen« Attribute, von denen Doc Shirley mit seiner perfekten Diktion, seinen ausgefeilten Tischmanieren und seinem virtuosen Klavierspiel kaum weiter entfernt sein könnte. Typisches Zitat: ein entrüstetes »animals pee in the woods!«
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Und nebenbei hat der Film auch noch durchaus spannende Elemente, wenn der Rausschmeißer seinen feinen Pinkel von Chef vor den weißen Übergriffen und Ungerechtigkeiten bewahren will, was glücklicherweise auch nicht wie in einem Sportfilm mit einem großen Finalsieg abgehakt wird, sondern lieber mal mit moralischen Teilsiegen und einem graduellen Wachsen an den Herausforderungen.
Filme, die als »Komödie oder Musical« mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurden, haben es beim Oscar für den »Besten Film« meist eher schwer, aber im Fall von Green Book passt der Film fast schon zu perfekt in diese Schublade - und er macht es den Academy-Mitgliedern (und sonstigen Menschen) sehr leicht, ihn zu mögen.