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30. Januar 2019
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Chaos im Netz (Rich Moore & Phil Johnston)


Chaos im Netz
(Rich Moore &
Phil Johnston)

USA 2018, Originaltitel: Ralph Breaks the Internet, Buch: Phil Johnston, Pamela Ribon, Director of Cinematography - Lighting: Brian Leach, Director of Cinematography - Layout: Nathan Detroit Warner, Schnitt: Jeremy Milton, Fabienne Rawley, Musik: Henry Jackman, Songs: Alan Menken, Production Design: Cory Loftis, Art Direction: Matthias Lechner, Ami Thompson, mit den Originalstimmen von John C. Reilly (Wreck-it Ralph), Sarah Silverman (Vanellope von Schweetz), Jack McBrayer (Fix-it Felix), Jane Lynch (Calhoun), Gal Gadot (Shank), Taraji P. Henson (Yesss), Alan Tudyk (KnowsMore), Alfred Molina (Double Dan), Ed O'Neill (Mr. Litvak), Sean Giambrone (The Eboy), Flula Borg (Maybe), Timothy Simons (Butcher Boy), Ali Wong (Felony), Hamish Blake (Pyro), GloZell Green (Little Debbie), Rebecca Wisocky (Ebay Elaine), Kelly Macdonald (Merida), Kristen Bell (Anna), Idina Menzel (Elsa), Paige O'Hara (Belle), Jodi Benson (Ariel), Auli'l Cravalho (Moana), Mandy Moore (Rapunzel), Ming-Na Wen (Mulan), Linda Larkin (Jasmine), Irene Bedard (Pocahontas), Anika Noni Rose (Tiana), Jennifer Hale (Cinderella), Kate Higgins (Aurora), Pamela Ribon (Snow White), Maurice LaMarche (Tapper), Melissa Villaseñor (Taffyta), Katie Lowes (Candlehead), Jamie Elman (Rancis), Alex Moffat (Jimmy), June Squibb (Jimmy's Grandma), Phil Johnston (Surge Protector), Rich Moore (Sour Bill / Zangief / Stormtrooper), Tim Allen (Buzz Lightyear), Brad Garrett (Eeyore), Anthony Daniels (C-3PO), Michael Giacchino (FN-3181), Vin Diesel (Baby Groot), Corey Burton (Grumpy), Roger Craig Smith (Sonic), Bill Hader (J.P. Spamley), 112 Min., Kinostart: 24. Januar 2019

Wreck-it Ralph war mal wieder so eine Story-Idee, die wie Toy Story perfekt auf die Erfordernisse des Computeranimationsfilm zugeschnitten war - und zwar auf deutlich verbessertem visuellen Niveau. Figuren, die der klassischen Computeranimation entsprangen (also den Computerspielen, wobei Fix-it Felix deutlich dem Arkaden-Klassiker Donkey Kong nachempfunden war, nur absichtlich noch eine absurdere Storyline verfolgte), die sogar mit deren Unzulänglichkeiten und dem Animations-Fortschritt spielten, interagierten dabei und zeigten ihre »Seele«. Und Wreck-it Ralph und Vanellope von Schweetz, ein Paar Figuren, das kaum weniger zusammenpassen konnte, erlebt dabei Abenteuer (wobei Felix und Calhoun fast noch ein abgedrehteres Paar abgaben).

Mit John C. Reilly, Sarah Silverman, Jack McBrayer und Jane Lynch hatte man außerdem ein unglaublich perfektes Stimmen-Casting für die vier Hauptfiguren, was insbesondere aufgrund der eher eingeschränkten darstellerischen Palette von Jack McBrayer (vor allem als Hinterwäldler-Page aus 30 Rock bekannt) begeistert, die mit Fix-it Felix fast die 8-Bit-Version von Kenneth Parcell bietet - optimistisch, freundlich, heldenhaft - aber auch ein wenig beschränkt. Diesen vier Figuren folgt man gerne noch in einen zweiten Film...

Chaos im Netz (Rich Moore & Phil Johnston)

© 2018 Disney. All Rights reserved.

Zu Beginn von Ralph Breaks the Internet wirkt es so, als solle es vor allem um die mittlerweile verstrichene Zeit gehen. Aus der Spielhalle wurde politisch korrekter wirkend »Litwak's Family Fun Center« (eine der Spielerinnen aus dem ersten Film scheint nun erwachsen und mit Tochter im Schlepptau) und Felix und Calhoun kämpfen tatsächlich mit der Schar der adoptierten Sugar-Rush-Mädchen. Diese Art von Familienprobleme wird aber nach ein paar Gags eher fallen gelassen.

Was man im Sequel alle Nase lang bemerkt ist der Kampf zwischen den schnell mal aus den Ruder laufenden Gags, die sich wie das Treffen der Disney-Prinzessinnen schnell mal selbstständig zu machen drohen - und der notwendigen Handlung. Den »Sprung« ins Internet begründet man mit einem dringend notwendigen Spielgerät-Lenkrad, das man bei Ebay ersteigern muss - wofür man zunächst irgendwie im Internet Geld zusammenbringen muss. Gerade im nachhinein fällt auf, wie sehr die Story des Films keiner überzeugenden Dramaturgie folgt, sondern mehr schlecht als recht versucht, die guten Ideen am Rande irgendwie miteinander zu verknüpfen.

Chaos im Netz (Rich Moore & Phil Johnston)

© 2018 Disney. All Rights reserved.

Das Vanellope als Renn-Talent mit einem zeitgemäßeren Grand-Theft-Auto-Ripoff konkurrieren muss, eröffnet Gal Gadot eine neue zusätzliche zentrale Figur, die auch zum Alters-Thema passt - weil die Figuren nicht altern und Vanellope somit immer ein kleines Mädchen bleibt, muss sie halt anders »wachsen« - an ihren Aufgaben!

Doch dann verfährt sich der Film an seinem Internet-Sujet. Nachdem man bereits quasi jede erfolgreiche Internet-Marke eingebaut hat (und einige Variationen dazuerfindet) und unterschiedlich gelungene Gags über Werbe-Pop-Ups, Bitcoin, Youtube-Popularität und dergleichen abgearbeitet hat, landet man auf einem Disney-Streaming-Dienst und der gesamte Film wird zu einer etwas ärgerlichen Schleichwerbung im Kinoformat. Stormtrooper, Groot, der zum Zeitpunkt der Pressevorführung noch nicht ganz kalte Stan Lee und so ziemlich alles, was Disney in letzter Zeit so an verwertbaren Rechten zusammengekauft hat, kreuzt die Pfade.

Chaos im Netz (Rich Moore & Phil Johnston)

© 2018 Disney. All Rights reserved.

Und gerade das Treffen der Disney-Prinzessinnen beweist, wie viel Liebe zum Detail man in manchmal winzige Details gesteckt hat. Auf Youtube wurde hierzu bereits alles, was an easter eggs auch nur zu erahnen ist, dezidiert auseinanderdefiniert. Mein persönlicher Favorit ist hierbei übrigens die wie alle Prinzessinnen der letzten drei-plus Jahrzehnte von Originalstimme Kelly Macdonald (Trainspotting, No Country for Old Men etc.) gesprochene Merida aus Brave, die ihren normalen schottischen Akzent extra überzieht, wodurch die anderen Prinzessinnen klar überfordert sind (»We don't understand her - she's from the other studio!«).

Doch so toll die Prinzessinnen mit ihren (vermutlich großartig zu verkaufenden) Freizeit-Outfits und dem durch-den-Kakao-ziehen von diversen Jahrzehnten von Disney-Klischees sind, so handelt es sich hierbei doch nur um einen Nebenschauplatz - und ausgerechnet bei den Hauptfiguren Ralph und Vanellope wird einfach nur ein altes Probleme wiedergekäut und überdramatisiert.

Chaos im Netz (Rich Moore & Phil Johnston)

© 2018 Disney. All Rights reserved.

Ralph breaks the Internet ist wie ein Schokoladenkuchen für einen Kindergeburtstag: Mit jeder Menge aufgeklebter Glitzer-Gummibären, rosaroten Knister-Kaugummi usw. - aber einem etwas muffig-klebrigen und viel zu schweren Teig unter dem ganzen Zuckerguss. Die teilweise genialen kleinen Ideen (zur Musik der 60er-Batman-Serie dreht sich ein Cinderella-Schloss als Schnitt-Kinkerlitzchen, unzählige Ralph-Klone durchströmen das Netz wie eine Mischung aus King Kong, dem Ghostbusters-Marshmellow-Man und World War Z) ändern nichts daran, dass die eigentliche Geschichte sehr enttäuscht - und anhand derer bewerte ich einen Film.


Interesting alternative fact: Ralph Breaks the Internet ist laut Presseheft eines der nur drei (!) Sequels aus der Geschichte des Disney Studios. Die zahlreichen Sequels, die nicht The Rescuers Down Under oder Fantasia 2000 heißen, haben somit allesamt nie existiert. Und nein, im Presseheft steht an dieser Stelle nichts vom »Walt Disney Animation Studio« (wird erst drei Absätze später erwähnt) oder der offiziellen Zählweise der Animationsfilme, die die meisten direct-to-video- bzw. -DVD-Fortsetzungen zu fast allen erfolgreichen Disney-Filmen unterschlägt.