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18. Februar 2023
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Ant-Man and the Wasp: Quantumania (Peyton Reed)


Ant-Man and
the Wasp:
Quantumania
(Peyton Reed)

USA 2023, Buch: Jeff Loveness, Kamera: Bill Pope, Schnitt: Adam Gerstel, Laura Jennings, Musik: Christophe Beck, Kostüe: Sammy Sheldon Differ, Production Design: Will Htay, Visual Effects Supervior: Jesse James Chisholm, mit Paul Rudd (Scott Lang / Ant-Man), Evangeline Lilly (Hope Pym / The Wasp), Kathryn Newton (Cassie Lang), Michelle Pfeiffer (Janet Pym), Michael Douglas (Henry 'Hank' Pym), Jonathan Mayers (Kang the Conqueror), Corey Stoll (Darren / M.O.D.O.K), William Jackson Harper (Quaz), Katy O'Brian (Jentorra), Bill Murray (Lord Krylar), Randall Park (Jimmy Woo), Mark Oliver Everett (Jogger with Dog), 125 Min., Kinostart: 15. Februar 2023

Nach zwei durchaus gelungene Ant-Man-Filmen und dem involvement von Paul Rudd / Ant-Man in den üblichen hochpopulären anderen Marvel-Filmen der 10er Jahre hat auch dieses Franchise es in die neue Rutsche von Marvel-Filmen gebracht (und ja, Phase 5 ist angelaufen). Ich muss zugeben, dass ich nach meiner umfassenden Unzufriedenheit mit Avengers: Infinity War und der anschließenden Pandemie den Bezug zum Marvel Cinematic Universe verloren habe. Und zum Kino im Allgemeinen auch ein wenig. Aktuell schaffe ich es nur noch etwa ein Dutzend Mal mehr ins Kino. Erstaunlicherweise ist dabei aber jedes Jahr noch ein Marvel-Film dabei, jedoch bevorzugt mit liebgewonnenen Figuren und den damit assozierten Regisseuren wie Taika Waititi. Einzig Chlo&auteE Zhaos Eternals hat es noch zusätzlich in meine »Geschaut«-Liste geschafft. Und ich habe es bitter bereut.

Anhand einiger besser informierter Kritikenkollegen haben ich den Eindruck gewonnen, dass eine umfassende Marvel-Müdigkeit um sich greift. Die Formel hinter diesen Spektakelfilmen nutzt sich ab, die Ideen hinter der zweiten großen Welle von Marvel-Spielfilmen (diesmal scheint das »Multiverse« das verbindende narrative Element zu sein, wie seinerzeit Thanos und sein »Infinity Gauntlet«. Doch während das Multiversum sich sogar in möchtegern-komplexe Werbefeldzüge eines vorherrschenden Softdrink-Imperiums verbreiten konnte, kann die damit verbundene bunte Reizüberflutung als vorherrschendes ästhetisches Element vielleicht die Massen nicht mehr so mitreißen wie in den großen Marvel-Jahren. Das Disney-Imperium stagniert auch hier, ähnlich wie beim möglichst auf den letzten Tropfen gemelkten Star-Wars-Franchise (an das man während Quantumania übrigens häufig denken muss, weil prägende Elemente aus dem großen Weltraum-Fantasy nun auch in Schwesterprodukten aus dem Disney-Dunstkreis auftauchen, am auffälligsten vielleicht in der Hommage - um es äüßerst nett zu sagen - der berühmten Cantina-Szene mit den einst liebevollen Schöpfungen der Jim-Henson-Werkstatt nebst anderen handgemachten Spezial-Effekt-Pionieren, was heute unterschiedlich liebevoll mit knalligen CGI-Effekten umgesetzt wird).

Ant-Man and the Wasp: Quantumania (Peyton Reed)

© Marvel. Alle Rechte vorbehalten

Das größte Problem von Quantumania ist, dass die ersten zwei Ant-Man-Filme sich um realistische Themen drehten: einen in seiner Vaterliebe hinter den gewünschten Ausprägungen zurückbleibenden Kleinganoven mit seinen Freunden, der in die große Superhelden-Welt gestürzt wurde und beispielsweise auf sehr kreative Weise alltägliche Objekte wie einen Salzstreuer zu Waffen umfunktionierte und teure Sportwagen zu besseren Matchbox-Autos zusammenschrumpfte oder umgedreht.

Diesmal gibt es zu Beginn und Ende des Film eine etwas penetrant mit Musik unterlegte Sequenz, die verdeutlichen sollte, dass Ant-Man vielleicht mittlerweile ein Ehren-Avenger ist (und Paul Rudd mit gut 50 Jahren mal zum »sexiest man alive« gewählt wurde), es sich aber bei diesem freundlich-netten Kerlchen immer noch um den »boy from next door« handelt, der sich ganz normal am Morgen seinen dringend nötigen Kaffee besorgt wie die meisten von uns. Und dann stürzt sich die Geschichte in den quantum realm, eine subatomare Welt jenseits unserer Vorstellungskraft, wo neben zu Giganten aufgeblasenen Pantoffeltierchen eine sehr menschlich wirkende Zivilisation mit bunten Fantasiewesen existiert, die nicht besonders gastfreundschaftlich agiert und halt wie eine Miniatur-Star-Wars-Welt wirkt.

Ant-Man and the Wasp: Quantumania (Peyton Reed)

© Marvel. Alle Rechte vorbehalten

Statt Peter Cushing gibt es Bill Murray, statt des Millennium Falcon eine Art Mischung aus den Wesen aus Avatar und How to train your Dragon. Sogar Variationen von Yaphet aus The Orville oder Groot (»Holy shit! That guy looks like broccoli!«) sind im Rennen. Und statt der Stormtroopers gibt es eine Armee von Mysterio-Klonen (wisst ihr noch? Jake Gyllenhaals Auftritt im MCU), die so aussehen, als wenn sie sich alle um die selbe (gar nicht ausgeschriebene) Rolle als drittes Mitglied bei Daft Punk bewerben wollen.

Regisseur Peyton Reed nennt das im Presseheft ein »epic experience«, bei dem er seine Liebe für SF-Illustratoren der 1960er und -70er ausleben konnte, aber irgendwie hat das damals bei seinem Reboot der Filme mit Rock Hudson und Doris Day (Down with Love) deutlich besser funktioniert.

Quantumania soll sehr fantasievoll und faszinierend wirken, ist aber bis auf einige Aha-Effekte erstaunlich langweilig. Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist dabei auch, dass man zum Haupt- und Nebenschurken ausgerechnet mit »Kang the Destroyer« und »M.O.D.O.K.« zwei der (meines bescheidenen Erachtens) armseligsten Kreationen aus einigen Jahrzehnten Marvel-Comics-Geschichte ausgrub, die zwar mit ganz hübschen back stories versehen werden, aber dennoch wirken wie aufgeblasene Treppenwitze.

Ant-Man and the Wasp: Quantumania (Peyton Reed)

© Marvel. Alle Rechte vorbehalten

Drehbuchautor Jeff Loveness, bisher eher als Gag-Schreiber bei Jimmy Kimmel oder durch die Animationsserie Rick and Morty aufgefallen, hat auch gleich den nächsten Marvel-Film um Kang schreiben dürfen, aber die gelungensten Ideen in Quantumania sind wohl die (lang vorbereitete) back story von Janet Pym alias Michelle Pfeiffer sowie die im Kern nicht ganz zerschrottete Beziehung zwischen Ant-Man und seiner Tochter Cassie (die übrigens neu besetzt wurde, weil - wie ich annehme - 18jährige Superheldinnen bestimmte Punkte erfüllen müssen). Der Regisseur über Kathryn Newton: »She's an athlete - an amazing golfer!» 'Nuff said.

Im allgemeinen grellbunten Kuddelmuddel haben es die gelungenen Aspekte des Films aber schwer, sich durchzusetzen.

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Mitunter werden in solchen Popcorn-Blockbustern ja auch wichtige gesellschaftliche Fragen thematisiert, aber das fiel diesmal eher etwas putzig aus.

Ant-Man and the Wasp: Quantumania (Peyton Reed)

© Marvel. Alle Rechte vorbehalten

Mir erschien es, als hätte man good ole Sigmund Freud auf liebevolle Art auf links gedreht. Statt Penis-Neid gibt es quasi die feministische Reinterpretation: eine (reichlich fantastische) Figur regt als Standard-Smalltalk-Thema jeweils an, wie viele »Löcher« seine Gesprächspartner denn zur biologischen Ausrüstung zählen. Er selbst hat nämlich keine und scheint eine möglichst hohe Anzahl als erstrebenswert anzusetzen.

Bei einem der Schurken gibt es quasi eine große Läuterung, als der irgendwann kapiert: »It's never too late not to be a dick.« Zugegeben, das klingt nicht nach den Standard-Themen, die normalerweise in Disney-Filmen diskutiert werden. Aber ich fand eine ungewöhnliche kreative Fährte, die dafür mitverantwortlich sein könnte. Kameramann Bill Pope drehte nämlich einst Team America: World Police, in dem man umfassend über die Unterschiede und Gemeisamkeiten von dicks, pussies und assholes philosophierte. Das ist offenbar noch nicht ausdiskutiert.