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Bildmaterial © Marvel 2014 Photo Credit: Zade Rosenthal
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Ant-Man
(Peyton Reed)
USA 2015, Buch: Edgar Wright, Joe Cornish, Adam McKay, Paul Rudd, Story: Edgar Wright, Joe Cornish, Comic-Vorlage: Stan Lee, Larry Lieber, Jack Kirby, Kamera: Russell Carpenter, Schnitt: Dan Lebental, Colby Parker Jr., Musik: Christophe Beck, Production Design: Shepherd Frankel, Marcus Rowland, mit Paul Rudd (Scott Lang / Ant-Man), Michael Douglas (Dr. Hank Pym), Evangeline Lilly (Hope von Dyne), Corey Stoll (Darren Cross / Yellowjacket), Bobby Cannavale (Paxton), Judy Greer (Maggie Lang), Abby Ryder Fortson (Cassie Lang), Michael Peña (Luiz), David Dastmalchian (Jurt), Tip »T.I.« Harris (Dave), Martin Donovan (Mitchell Carson), Hayley Atwell (Peggy Carter), John Slattery (Howard Stark), Anthony Mackie (Sam Wilson / Falcon), Chris Evans (Steve Rogers / Captain America), Stan Lee (Bartender), Sebastian Stan (Bucky Barnes), 117 Min., Kinostart: 23. Juli 2015
Mit Edgar Wright (Shaun of the Dead, Scott Pilgrim vs. the World) als treibende Kraft hinter Marvels Ant-Man waren die Erwartungen schon früh fast so hoch wie bei Joss Whedons The Avengers. Ein erfahrener Regisseur mit einer eigenen Stimme, noch dazu mit Comic-Affinität und einem ganz eigenen Humor. Nur schade, dass Wright nicht bereit war, sich auf die stromlinienförmig auf den Markt abgestimmten Anforderungen des Studios einzulassen, nach einer längeren Planungsphase stieg er als Regisseur aus dem Projekt aus, und es ist müßig, nach den hinter diversen Pressemeldungen und Interviewschnipseln verborgenen Gründen zu forschen.
Dass man das Drehbuch von Wright und seinem Kompagnon Joe Cornish (Attack the Block) nicht komplett umschrieb, sondern nur der Hauptdarsteller Paul Rudd und Komödienregisseur Adam McKay (Anchorman) einen zusätzlichen Autoren-Credit erhielten, zeugt immerhin davon, dass man im Großen und Ganzen mit Wrights Richtung zufrieden war – und nach dem überraschend großen Erfolg von Guardians of the Galaxy (James Gunn ist wohl der Regisseur im Marvel Cinematic Universe, der am wenigsten dem »type-casting« entsprach, bei dem sich das Vertrauen aber für alle Beteiligten auszahlte) schlägt der Ant-Man in die selbe Kerbe – nur dass es diesmal nicht gleich um die Rettung der Galaxie geht, sondern um Elternliebe.
Scott Lang (Paul Rudd, das sympathische missing link zwischen Nerd und Traum-Schwiegersohn) wurde gerade aus dem St. Quentin-Gefängnis entlassen und hat finanzielle wie familiäre Probleme (die Mutter seiner kleinen Tochter ist jetzt ausgerechnet mit einem Polizisten zusammen). Aber wegen seiner besonderen Talente als Einbrecher hat ihn der alternde Hank Pym (Michael Douglas in der Rolle des »klassischen« Ant-Man, der aber in der Filmfassung nur incognito gearbeitet hat) als seinen Superhelden-Nachfolger auserkoren, der den usurpierenden neuen Konzernchef (Corey Stoll), der mal wieder jede Erfindung kommerziell und militaristisch (»the elimination of obstacles on the road to peace …«) ausbeuten will, dingfest zu machen. Wie bekannt einem dieser Storybogen vorkommt, wird noch dadurch unterstrichen, dass mit Peggy Carter und Howard Stark (diesmal wieder von John Slattery verkörpert) schon im Prolog zwei andere »Gründungsmitglieder« der »Vor-Generation« der Avengers mit ins Spiel gebracht werden, von denen Stark exakt zum selben Stereotyp des hochintelligenten Konzernchef gehört, bei dem, wie man erst jüngst in Avengers: Age of Ultron anhand seines Sohnes sah, der schmale Grat zwischen Superheld und potentiellem Weltenzerstörer sehr dünn ist.
Die storymäßige Parallelschaltung der beiden Väter (Rudd und Douglas), die mal im Umgang mit ihrer Tochter etwas vermurkst haben und jetzt inmitten von vielen Gefahren die richtigen Entscheidungen treffen müssen, ist etwas dick aufgetragen, aber immerhin mal eine Motivation, die man nicht schon aus 31 anderen Comicverfilmungen kennt. Und dass Pyms Tochter Hope (Evangeline Lilly) das Handlungsgefüge als Trainerin und love interest Scotts zusammenhalten muss, wird immerhin unaufdringlich umgesetzt.
Inmitten der zahlreichen Nebenfiguren (inklusive mehrerer Gastauftritte von längst etablierten Marvelfiguren) legt der Film den Fokus ausgerechnet auf drei Kleinkriminelle (darunter Michael Peña), die gleichzeitig für comic relief und das Nerdtum stehen. Und dass die zwischendurch begreifen, dass es auch ganz nett ist, mal zu den Guten zu gehören, ist ebenfalls gar nicht so störend, wie es in vielen anderen Mainstream-Filmen ausgewalzt wird. Regisseur Peyton Reed hat schon in seinen Komödien wie Down with Love oder The Break-Up gezeigt, dass er typische Entwicklungen von Hauptfiguren, die über die eigenen Charakterschwächen hinauswachsen müssen, subtil und einfallsreich umsetzen kann.
Aber in einem Marvel-Sommer-Blockbuster geht es natürlich vor allem um Action und Effekte. Die Standard-Erkundung der neuen Kräfte wird hier zu einer lange vorbereiteten Sequenz, die zunächst vorhersehbar wirkt (der Zuschauer weiß ja, was mit Scott passieren wird, wenn der seinen neugestohlenen Superanzug ausgerechnet in der Badewanne stehend ausprobiert), dann aber entsprechende Szenen in Spider-Man etc. in einer kurzweiligen Stafette von Situationen zu übertreffen weiß. Hierbei wird auch das Faible des Regisseurs für Retro-Chic hübsch eingepasst, denn der ameisengroße Scott wird beinahe von der Nadel eines Plattenspielers erwischt, um kurz darauf auf einer Tanzfläche beinahe von 70er-Jahre-High Heels mit eingebautem Aquarium zerstampft zu werden.
Weitaus konventioneller und angeberischer umgesetzt ist die Nutzung diverser anderer Ameisen, wie eine kleine Armee irgendwo zwischen Aquaman und Dr. Doolittle. Mit Ausnahme einer minimalistischen Zuckerwürfel-Szene und einem emotional aufgewerteten »Kriegsopfer« werden diese Sequenzen aber größtenteils zu einer Ameisenfassung der Schlachtgemälde aus Lord of the Rings, die dem Gesamteindruck des Films (insbesondere in der Training-Montagesequenz) eher schaden. Der »Showdown im Kinderzimmer«, der in jeder Hinsicht den Gegenentwurf der typischen letzten halben Stunde eines Marvel-Films darstellt, ist konzeptuell fast genial, auch wenn man dabei die clevere Prämisse durch zu viele kleine Sparwitze (insbesondere eine vergrößerte Ameise, die kurzerhand zum handzahmen Haustier wird) etwas verwässert.
Aber die positiven Eindrücke und guten Ideen überwiegen hier klar die eher misslungenen kleinen Twists. Falls man sich bei den Kino-Avengers tatsächlich wegbewegen sollte von den gottgleichen Helden zu einem großen Ensemble menschlicherer Helden (ich glaube da noch nicht wirklich dran), wäre Paul Rudd sicherlich eine gute Ergänzung – und sein Auftauchen im nächsten Captain-America-Film (Civil War, startet nächsten Mai) wird hier schon überdeutlich vorbereitet.