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25. April 2012
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Marvel's The Avengers (Joss Whedon)
Marvel's The Avengers (Joss Whedon)
Marvel's The Avengers (Joss Whedon)
Bildmaterial © Walt Disney Studios
Marvel's The Avengers (Joss Whedon)
Marvel's The Avengers (Joss Whedon)
Marvel's The Avengers (Joss Whedon)
Marvel's The Avengers (Joss Whedon)


Marvel's The Avengers
(Joss Whedon)

Originaltitel: The Avengers, USA 2012, Buch: Joss Whedon, Comic-Vorlage: Stan Lee, Jack Kirby, Kamera: Seamus McGarvey, Schnitt: Jeffrey Ford, Lisa Lassek, Musik: Alan Silvestri, Kostüme: Alexandra Byrne, Production Design: James Chinlund, Supervising Art Director: Richard L. Johnson, mit Robert Downey jr. (Tony Stark / Iron Man), Chris Evans (Steve Rogers / Captain America), Scarlett Johansson (Natasha Romanoff / Black Widow), Chris Hemsworth (Thor), Mark Ruffalo (Bruce Banner / The Hulk), Samuel L. Jackson (Nick Fury), Tom Hiddleston (Loki), Jeremy Renner (Clint Barton / Hawkeye), Clark Gregg (Agent Phil Coulson), Cobie Smulders (Maria Hill), Gwyneth Paltrow (Pepper Potts), Stellan Skarsgård (Prof. Erik Selvig), Paul Bettany (Stimme Jarvis), Lou Ferrigno (Stimme Hulk), Jenny Agutter (Female Council Member), Harry Dean Stanton (Security Guard), Stan Lee (Himself), 140 Min., Kinostart: 26 April 2012

In der schlechtesten Comicverfilmung aller Zeiten spielen Samuel L. Jackson und Scarlett Johansson mit. Sie heißt The Spirit und handelt davon, wie ein nicht unbegabter, aber größenwahnsinniger Comiczeichner glaubt, jetzt Filmregisseur zu sein und dabei Will Eisner, unumstritten einem der größten Comickünstler aller Zeiten, ausgiebig aufs Grab pinkelt. Seitdem habe ich auch keinen Comic von Frank Miller mehr gekauft.

Diese Übereinstimmung im Casting zu The Avengers (Scarlett Johansson überzeugte mich nicht wirklich in Iron Man 2, einer ebenfalls misslungenen Comic-Verfilmung, und bei Samuel L. Jackson ist mir mal irgendwann aufgefallen, dass seine Filmographie zu nicht geringen Teilen aus teilweise schlimmem Trash besteht, in dem er den großen Mann markiert) war nur einer der Gründe, warum ich trotz einem nicht allumfassenden, aber doch enormen Respekt vor Joss Whedon seiner zweiten Kinoregie (nach Serenity) doch sehr skeptisch gegenüberstand.

Dazu gehörten auch die nach einem offenbar detailliert ausgeklügelten Plan nach und nach veröffentlichten Clips und Trailer zum Film. Hier missfielen mir vor allem: Natürlich der ganze Spektakel-Scheiß mit den sich überschlagenden und explodierenden Autos, der heutzutage in jedem großen Sommer-Blockbuster um böse Aliens, Roboter, Alienroboter, radioaktive Riesenechsen oder gammastrahlenverseuchte Marvelmonster offenbar nicht fehlen darf. Dann gab es da die Einstellung, wo der Hulk, als amoklaufender Spezialeffekt in den beiden modernen Hulk-Filmen jeweils die größte Schwäche dieser Filme, einen seiner Avengers-Kollegen »auffängt«, indem er sozusagen mit ausgefahrenen Fingernägeln einen Wolkenkratzer zerschrappt. Ein auffallend schlechter Effekt. Und zum dritten: Eine Einstellung, in der die Kamera die sechs Avengers umkreist, während sie sich - ganz zum Gefallen der Linse - jeweils in Positur für eine drohende Gefahr bringen. Ganz schlimmes Posing, offensichtlich einzig für die Fanboys konzipiert.

Ach ja, und in konvertiertem 3D ist der Film auch noch - fast immer ein Merkmal für Drecksfilme, die man lieber meiden sollte.

Über die passable Dreidimensionalität des Films will ich nicht lange reden, sondern meine anderen Bedenken im Rückblick rekapitulieren.

Das ganze Effekte-Spektakel nimmt auch diesmal einen großen Teil des Films ein. Die Manhattan-Apokalypse aus dem Trailer ist der größte Schwachpunkt des Films, vor allem, weil die außerirdische Armee, angereichert um jenen mythischen Flugdrachen, der dann doch etwas anderes ist, vielleicht visuell so interessant wie die Transformers oder das Lavamonster aus Wrath of the Titans ist, sie aber abgesehen davon, dass sie alles zu Klump schießen und dann einen auf die Mütze bekommen (es dürfte kein Spoiler sein, dass die Erde nicht zerstört wird), keine wirkliche Funktion im Film haben, kein Profil, keine Motivation, keinen Hintergrund. Sie sehen aus wie Monster-Aliens, waren dann aber womöglich doch Roboter (?), jeder Indianer-Western vor 1950 oder Zombiefilm gibt sich mehr Mühe, seinen zum Abschuss freigegebenen Armeen zumindest etwas Profil, Motivation und Background zu geben, wo hier Fehlanzeige herrscht (womöglich sind die Aliens und ihr Background Marvel-Kennern vertraut, aber bei 140 Minuten hätten auch zwei Minuten übrig sein können, um auch das Kinopublikum einzuweihen). Allerdings muss ich zugeben, dass die große Materialschlacht in der letzten halben Stunde des Films, die mir auch schon den zweiten Hulk-Film (den mit Edward Norton) vergrätzte, diesmal immerhin unterhaltsamer war. Joss Whedon hat wohl auch nicht viel übrig für explodierende und sich überschlagende Autos, und so würzt er seine Pflicht bereits mit der Kür, indem er uns auch mal ein sich überschlagendes Auto aus eben jenem Auto zeigt, was selbst ohne den geringsten narrativen Nutzen (das Auto ist bis auf das Auge der Kamera offenbar leer und komplett unwichtig) immerhin interessanter ist als ein Abspulen der 17mal gesehenen Bilder.

Und während der großen Abschiedsschlacht sind immerhin die Dialoge der miteinander zänkelnden Superhelden (und ihres Gegenspielers Loki) außerordentlich unterhaltsam. Ausgerechnet der Hulk, die befürchtete Schwachstelle des Films, bekommt hier mehr Profil als in allen seinen früheren Kinoabenteuern zusammen, und rang selbst mir einen Szenenapplaus ab.

Sogar die Poser-Szene gibt angesichts der Übermacht an brandschatzenden Aliens fast Sinn, und auch dies sei verziehen (Ganz am Schluss des Films gibt es außerdem eine schlimmere Einstellung, die aussieht wie ein Marvel-Poster - per Foto-Retusche). Und ungeachtet meiner Vorbehalte gegen die wenig überzeugenden Aliens: Schon vor der abschließenden halben Stunde hat der Film einen früheren Showdown, der sich gewaschen hat, und der mit viel geringerem Materialaufwand (zumindest, was die Gegenspieler angeht), nach einer Einzelvorstellung zu Beginn und dem Zusammentrommeln des Team inklusive jeder Menge aufeinanderprallender Egos (auch die Marvel-Standard-Boxrunden zwischen den sich missverstehenden oder andere Meinung habenden Superhelden dürfen hier nicht fehlen), bereits recht clever verdeutlicht, wie das Team in kleinen Gruppen zusammenwächst: Bruce Banner und Tony Stark kommen sich als Wissenschaftler näher, Black Widow muss ihren früheren »Kollegen« Hawkeye per Sparringrunde aus der Gehirnkontrolle Lokis befreien, Captain America und Thor überbieten sich gegenseitig in ihrer »Fish-out-of-Water« Nichtkenntnis der menschlichen Kultur. Und Samuel L. Jackson als Nick Fury ist nach diversen Kurzauftritten in früheren Marvel-Filmen auf dem Weg zum Avengers-Höhepunkt diesmal erstmals jemand, dessen Agenda und Job sich in sogar in den Vordergrund der Geschichte spielen. Außerdem hat Whedon als Drehbuchautor (und nach diversen Fernsehserien und Marvel- und anderen Comicserien ist er mit dem seriellen Erzählen sehr vertraut) den unzähligen Übermenschen nicht nur das »fast« menschliche Paar Black Widow / Hawkeye hinzugesellt, sondern - und das funktioniert prächtig - auch noch zwei ganz normale Befehlsempfänger Furys, die Agenten Coulson und Hill, die im Gegensatz zu den ganzen seit Jahrzehnten bekannten Ikonen erfrischend menschlich - und verletzlich - sind. Cobie (How I met your Mother) Smulders und insbesondere Clark Gregg machen hierbei großen Eindruck. Und sie bekommen mehr Profil und bessere Dialoge als beispielsweise Thor und Hawkeye.




Zusammenfassend muss ich sagen, dass Johansson und Jackson jetzt nicht nur in der schlechtesten Comicverfilmung aller Zeiten zusammen spielen, sondern auch in der unterhaltsamsten. Und das Konzept, nach einer Handvoll Einzelfilmen auf diese Art einen Film über ein Team zu bringen (und aus meiner Sicht dürften die Avengers eines der uninteressantesten Superhelden-Teams überhaupt sein), geht erstaunlicherweise auch auf.

Als langjähriger Leser so mancher Marvelserie war ich aber auch ein wenig überrascht davon, wie stark der Hulk in diesem Film ist, und welche Star-Wars-mäßige »Macht« Hawkeye zu besitzen scheint, wenn er seinen Bogen auch mal (wieder sehr posermäßig) abschießt, ohne in dessen Richtung zu schauen. Außerdem scheint er erstaunlich viele Pfeile in seinem Köcher zu haben, und Black Widow muss wohl Metallgewichte in ihren Haarspitzen haben, so wie die Russen zu Beginn des Film jedes Mal voller Schmerz aufschreien, wenn sie ihnen durch Kopfbewegung jeweils ihre Haarpracht entgegenwirft. Trotz des schönen Kinoabends gibt es einfach noch vieles, was etwas dümmlich war (am schlimmsten natürlich die letzte halbe Stunde des Films), und ich bin mir sicher, Joss Whedon hätte auch einen wirklich guten und rundum überzeugenden Film drehen können. Doch, die vorhergehenden Marvel-Filme untermauern dies: Man will dies gar nicht. Mich würde interessieren, ob das Millionenpublikum von einem Avengers-Film, in dem die Alienschlacht mit Manhattan-Zerstörung gefehlt hätte - oder zumindest auf 15 Minuten zusammengestrichen worden wäre - in messbarer Weise »enttäuscht« gewesen wäre. Ob es dann auf unzähligen Facebook- oder Twitter-Seiten geheißen hätte: »Schöner Film, aber bei Transformers 12 gab es mehr Explosionen zum Schluss ...« Denn meines Erachtens ist eines der Hauptprobleme des heutigen Megahype-Kinos, das jeder neue Blockbuster noch mehr Stunts und Effekte bieten muss als der im letzten Jahr. Und, um es mal ganz deutlich zu sagen: dadurch werden die Filme nicht besser. Ich würde gern mal einen Superheldenfilm sehen wie Batman: Year One (der Comic von Miller und Mazzucchelli), wo nicht die Welt gerettet werden muss und die Helden einfach auch menschliche Schwächen haben. Doch die Bozos und Fanboys, die rumjammern, wenn nicht genug in die Luft gejagt wird, dürften dies auf alle Zeiten verhindern.