Mean Girls
(Samantha Jayne & Arturo Perez jr.)
Deutscher Titel: Mean Girls - Der Girls Club, USA 2024, Buch: Tina Fey, Kamera: Bill Kirstein, Schnitt: Andrew Marcus, Musik: Jeff Richmond, Lyrics: Nell Benjamin, Choreografie: Kyle Hanagami, Kostüme: Tom Broecker, Production Design: Kelly McGehee, Art Direction: Yôji Takeshige, mit Angourie Rice (Cady Heron), Reneé Rapp (Regina George), Auli'l Cravalo (Janis 'Imi'ike), Jaquel Spivey (Damian Hubbard), Christopher Briney (Aaron Samuels), Bebe Wood (Gretchen Wieners), Avantika (Karen Shetty), Tina Fey (Ms. Norbury), Tim Meadows (Principal Ron Duvall), Jenna Fischer (Ms. Heron), Busy Philipps (Mrs. George), Lindsay Lohan (Mathletics Moderator), Jon Hamm (Coach Carr), Ashley Park (Madame Park, French Teacher), 124 Min., Kinostart: 25. Januar 2024
Als ich vor zwanzig Jahren den Originalfilm Mean Girls sah, war der deutsche Titel »Girls Club - Vorsicht bissig!« noch kein riesiges Problem für mich. Mittlerweile bin ich aber zum Grammatiknazi gereift und bestimmte Dummdreistigkeiten, die man mit der deutschen (oder englischen) Sprache anstellen kann, werden von mir nicht mehr goutiert, und der deutsche Titel des neuen Films wird nur noch der Vollständigkeit halber in den Stabangaben erwähnt. Mean Girls war damals einer der Startpunkte einer längere Zeit bestehenden Schockverliebtheit mit den Filmen von Mark Waters, der dann aber nach seinen irgendwie ambitionierten Mainstream-Anfängen immer mehr auf einen möglichen Anspruch verzichte und dadurch aus meinem Fokus entschwand.
Zu Zeiten von Mean Girls war mir die kurzzeitige extreme Beliebtheit von Hauptdarstellerin Lindsay Lohan zwar vertraut, aber sie spielte keine Rolle in meinem Leben. Ich habe mir keine Filme wegen Lindsay Lohan angeschaut, bin aber auch nicht zwanghaft dem Kino ferngeblieben, wenn sie wo mitspielte. Die meisten anderen Darsteller im Film waren mir seinerzeit noch kein Begriff. Es kann sein, dass ich mit Rachel McAdams schon einen Film gesehen hatte, Amanda Seyfried hat hier eine frühe Rolle, und Tina Fey war mir längst noch nicht so vertraut wie später mal nach sieben Staffeln 30Rock. Selbiges trifft auch auf ihre Saturday Night Live-Gang zu, die hier u.a. durch Amy Poehler und Tim Meadows vertreten ist. Fey, die schon damals das Drehbuch geschrieben hatte, ist mit Tim Meadows (in den alten Rollen) wieder dabei, und Lindsay Lohan hat eine kleine Gastrolle, die erstaunlich geschmackssicher ausfällt (das sage ich, weil ich miterlebt habe, in welchen Filmen und Rollen sie so in letzter Zeit auftrat).
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Einerseits will man die Fans des ersten Films gern wieder ins Kino locken (gerne auch mit deren Kindern im passenden Alter), andererseits distanziert man sich von dem Originalfilm (und legt z.B. darauf Wert, dass es sich hier nicht um ein direktes Remake hält, sondern ... flüster, flüster ... um die Verfilmung des auf dem Film basierenden Broadway-Musical ... auch, wenn man das Wort »Musical« in der PR gezielt vermeidet).
Man stützt sich ja in der Vermarktung gern auf Statistiken. So hat man irgendwann herausbekommen, dass sich Fernseh-Programmzeitschriften deutlich besser verkaufen, wenn auf dem Titelbild eine Frau (und kein Mann!) abgebildet ist -> Resultat: Schaut euch zwanzig aktuelle TV-Zeitschriften an: überall grinsen Frauen vom Cover. Man bekommt gar nicht mehr die Chance, sich gegen die Marktforschung von 1995 oder so zu entscheiden.
Bei aktuellen Filmen, die man als Musical bezeichnen könnte, hat man herausgefunden, dass das Publikum sie bei konkreten Hinweisen darauf im Trailer eher meidet -> und sofort hat man das Wissen eingesetzt.
Was ich aber zu dem Thema zu sagen habe:
- Unterschiedliche Filme sind unterschiedlich gelungene Musicals.
- Wenn man keine Musicals mag und in eines gerät, sich dann an den Trailer erinnert, der nicht darauf hinwies, könnte man sauer sein.
- Wenn man Musicals mag, aber von einem neuen Filmmusical erst erfährt, wenn es schon wieder raus ist aus den Kinos, kann man nicht zu besseren Besucherzahlen beitragen.
- Die Aufgabe eines Trailers ist es nie, das Publikum vom Kinobesuch abzuhalten.
- Man will das Publikum aber neugierig machen, und dem Film die Chance geben, sein Publikum zu finden.
- Wenn Marketingleute versuchen, das versteckte Verkaufspotential in einem nicht offensichtlich auf ein bestimmtes Zielpublikum abgestimmten Film zu finden, machen sie auch manchmal einen schlimmen Murks (was aber nicht heißen soll, dass FilmemacherInnen selbst auch Murks machen können).
- Es ist durchaus auch möglich, dass ein gelungenes Marketing einen vermurksten Film an der Kinokasse retten kann.
- Ich persönlich sehe aber deutlich lieber Filme, die von ihren MacherInnen (Regie, Drehbuch etc.) geprägt wurden... und nicht von StudioköpfInnen und WerbestrategInnen.
Alles eben aufgelistete hat keinen direkten Bezug zum besprochenen Film - aber das hat mich noch nie abgehalten.
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Auch ein Spruch aus dem Marketing ist der Hinweis, dass der neue Film nicht der Mean Girls »eurer Muttis« ist (ach ja, manchmal ist eine etwas schiefe deutsche Übersetzung einfach besser). Dafür ist das neue Drehbuch von Tina Fey erstaunlich nah dran an ihrem alten Drehbuch. Aber man erkennt auch, was alles auf einen neuen Stand gebracht wurde. So beginnt der Film mit einem per Smartphone aufgezeichneten Song von Janis und Damian aus ihrer Garage. Von Minute 1 an gibt es Referenzen auf veränderte Technologie (»Oh God, we're cloverfielding!«) und den Musical-Background (»Fosse!«), immerhin sind die ersten Darsteller, die wir sehen, ein Tony- und Grammy-nominierter Musicaldarsteller (Jaquel Spivey als »almost too gay to function« Damian Hubbard) und Auli'l Cravalho, die schon als Teenagerin bei der Oscar-Verleihung 2017 ihren nominierten Song »How far I'll go« aus Moana performte.
Für etwa die ersten acht bis zehn Minuten des Films (und die ersten drei Songs) gibt es nur versteckte Schnitte, was aber nicht davon abhält, zweimal von Kontinent zu Kontinent zu springen in der Handlung. Als sich das Garagentor öffnet, sind wir plötzlich in der kenianischen Wildnis, wo Cady Heron (Angourie Rice, bekannt aus Sofia Coppolas The Beguiled oder ihre wiederkehrende Rolle als Betty Brand in der letzten Spider-Man-Trilogie) mit ihrer Mutter (Jenna Fischer) kurz über die Gründe der Rückkehr in die USA palavert (bzw. singt), ehe sie sich dann - zack! - (ähnlich wie im anderen Film) in dem ebenso lebensgefährlichen Umfeld eines High-School-Campus wiederfindet. Das Tempo zu Beginn ist schon mal bemerkenswert.
Die offensichtlichsten Veränderungen sind dann neben der Social-Media-Welt, die 2004 ganz anders aussah (ich sag' nur Myspace!) die auffällige Video- und Musical-Ästhetik. Wenn hier Regina George (Reneé Rapp, die die Rolle auch schon auf dem Broadway kongenial umsetzte) zum ersten Mal auftaucht, verdunkelt sich der Raum, ehe sie sich mit einem Song vorstellt. Neben Choreographien auf Schulfluren gibt es auch Gesangsnummern auf Teenager-Parties und man schreckt nie vor einer bestimmten knalligen Ausleuchtung zurück, ob teuflisch rot oder unterkühlt-blau.
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Der generelle Stilwille des Films lässt einen manchmal ans Horror-Genre denken, und zwar nicht nur an Carrie White, deren Direktor auch eine Zeitlang so seine Probleme hatte, sich ihren Namen zu merken. Wenn Regina merkt, dass Cady Interesse an ihrem Ex-Freund Aaron (Christopher Briney) hat, holt die Queen Bee sich den kurzerhand einfach mal zurück. Filmsprachlich erinnert das aber an die Coppola-Version von Dracula, wo man Gary Oldman jederzeit zutraut, dass er mit rasiermesserscharfen Fingernägeln die Halsschlagader von Keanu Reeves zerfetzt. Entsprechend hat Regina in einem späteren Song auch die Zeile »I wanna see the world burn, and brought the gasoline«
Bevor jetzt aber jemand glaubt ich sei verzückt vom Film... nicht alles ist gelungen. Man merkt irgendwie, dass sowohl der veränderte Blick auf Themen wie Mobbing und einstige »Außenseiter« als auch die Musical-Dynamik subtil aber unübersehbar die Figuren und die Synergien zwischen ihnen verändert haben. Ich habe festgestellt, dass ich die »Plastics« (Bebe Wood als Gretchen und Avantika als Karen müssen zumindest mal erwähnt werden) hier irgendwie sympathischer fand (trotz bösartiger Dummheit haben sie einen gewissen Opferstatus), während Janis und Damian hier durchtriebener wirken. Allein der Umstand, dass natürlich fast jede wichtige Figur einen eigenen Song braucht (nur Tina Fey mogelt sich raus), gibt vieles von ihrem Inneren preis. Und das muss nicht immer positiv ins Gewicht fallen.
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Auch fiel mir auf, dass die Lehrerrollen zwar prominent besetzt wurden, aber beispielsweise Jon Hamm zwar allein durch seinen Auftritt als abgetakelter Coach im Kontrast zu den Rollen, in denen man ihn sonst so kennt, ganz interessant ist... aber er hat erstaunlich wenig screen time und kaum die Chance, mehr als nur ein Treppenwitz zu werden. Mit der Französisch-Lehrerin (Ashley Park) ist es ähnlich.
Mrs. George, die stilprägende Mutter von Regina, hatte im Originalfilm gefühlt auch mehr zu sagen, aber die ist zumindest kongenial besetzt mit Busy Phillips. Ich war ziemlich überrascht, dass im Presseheft die Fernsehserie, mit der ich sie automatisch in Bezug setze, mit keinem Wort erwähnt wird.
Aber vielleicht ist Dawson's Creek einfach zu lange her...
Auch, wenn ich fast Lust habe, ihre Folgen noch mal zu schauen, weil sie in meiner Erinnerung einfach zu ihrer Rolle hier (oder der ihrer Tochter) passen. Aber ich komme vom Hundertsten ins Tausendste, und das kann der Film auch nicht rechtfertigen.