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September 2003
Marc Degens
für satt.org


Wolfgang Müller:
Mit Wittgenstein in Krisuvík

a-musik 2003

Wolfgang Müller: Mit Wittgenstein in Krisuvík

Wolfgang Müller (Hrsg.): Johann Wolfgang von Goethe - Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären
Deutsch-isländische Ausgabe. Isländisch von Jón Bjarni Atlason.
Martin Schmitz Verlag, Berlin 2002

Wolfgang Müller (Hrsg.): Johann Wolfgang von Goethe

112 Seiten, 14,50 EUR


Wolfgang Müller:
Mit Wittgenstein
in Krisuvík

Zweiundzwanzig Elfensongs für Island



Seit knapp einem Jahrzehnt ist Wolfgang Müller der deutsche Islandexperte schlechthin. 1994 zeigte der Präsident der Walther von Goethe Foundation und Professor an der Kunsthochschule Hamburg seine erste Einzelausstellung auf der Vulkaninsel, zwei Jahre später führte er die ersten Elfenrundgänge in Berlin-Schöneberg an, 1998 erschien sein wundersames und wunderbares Kompendium "Blue Tit - Das deutsch-isländische Blaumeisenbuch" und letztes Jahr koordinierte und moderierte Wolfgang Müller "Die Große Stimmgabelshow" im Rahmen des fünftägigen "Island Hoch"-Festivals: Einen kunterbunten, musikalischen Themenabend im Haus der Berliner Festspiele, an dem sich u. a. auch die isländischen Popstars Páll skar und Egill Saebjörnsson beteiligten. Ja, kein Jahr vergeht, in dem sich Wolfgang Müller nicht um die deutsch-isländische Völkerverständigung verdient macht - 2003 sogar doppelt. Vor wenigen Wochen erschien auf Müllers Initiative hin im Martin Schmitz Verlag die erste isländische Übertragung eines bekannten naturwissenschaftlichen Traktats ("Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären") des Vaters des Foundationnamenstifters Walther von Goethe, und vor ein paar Tagen verließ die CD "Mit Wittgenstein in Krisuvík - Zweiundzwanzig Elfensongs für Island" das Preßwerk.

Das Cover des mit einem ausführlich erläuternden und natürlich zweisprachigen Booklet versehenen Tonträgers zeigt den Künstler, Genialen Dilletanten und Tödliche-Doris-Mitbegründer mit dem imposanten Exemplar eines schier endlosen Beinkleids einer stelzbeinigen Elfe: Es sind solche unglaublichen alltäglichen Fundstücke und Ereignisse, die Wolfgang Müller vertextet und besingt. In "Mäusefloß" etwa berichtet Müller von den Reisen der Waldmäuse, die auf getrockneten Kuhfladen über Islands Gewässer schippern; in "Schwanengesang des Riesenalken" setzt er dem fliegenden, 1844 ausgestorbenen Meerbewohner ein musikalisches Denkmal und in "Land ohne Eisenbahn" betrauert er das Schicksal der Loks Pionér und Minør, den beiden einzigen Eisenbahnen der Insel, die 1928 ihren Dienst quittieren mußten.
Die Kunst, lehrreiche Kunstlieder mit einfachen Worten zu schreiben, beherrscht Müller hierzulande wie kaum ein zweiter. Schon die letzten Alben von Andreas Dorau bereicherte er mit seinen Texten - die wunderbare Tiertrilogie auf "Ärger mit der Unsterblichkeit", den Ötzi-Nachruf "Das Eis" auf "neu!" und der "Blaumeise Yvonne"-Song auf "70 Minuten Musik ungeklärter Herkunft" - und auf Müllers neuer CD dürfen natürlich auch nicht Müllers Island-Evergreens wie "Es lebt der Elf" aus dem "Von Acid nach Adlon"-Hörbuch oder die Hits seiner letzten Maxi "Ich hab' sie gesehn" fehlen: Pe-Pe-Pe, nis-nis-nis, das Penismuseum von Reykjavík. Vor allen Dingen die Kompositionen, an denen John Henry Nyenhuis mitgewirkt hat, sind echte Ohrwürmer.
"Mit Wittgenstein in Krisuvík" ist eine abwechslungsreiche CD mit klugen Texten und wunderschönen Melodien, die Bandbreite reicht von eingängigen Popschlagern, süffisanten Kabarettnummern bis hin zu hörspielartigen Collagen. Man kann dem experimentiellen Kölner Elektroniklabel a-musik nur danken, daß es dieses musikalische Kleinod veröffentlicht hat.