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Die Podiumsdiskussionen stellten wieder harte Anforderungen an die wißbegierigen Besucher: Der fensterlose Raum unterm Dach wies schon ab 12.30 eine Sauerstoffkonzentration von höchstens zwei Prozent auf. Kompliment an die tapferen Diskutanten, die sich drohende Ohnmachten nicht anmerken ließen. Für die erste Diskussionsrunde, "Radiomat 2005 – Quo Vadis Popradio?" holte man sich mit Helmut Lehnert von Radio Eins und Tim Renner, mittlerweile Motor.fm zwei Medienprofis aufs Podium, die die Fragesteller rhetorisch blaß aussehen ließen, aber mein Gott, Professionalität sucks sowieso. Tim Renner ist ein freundlicher, aber knallharter Businessfuchs, die Liebe zur Musik mag man ihm abnehmen – aber sein Radiosender Motor.fm hat mit Independentethos ungefähr so viel zu tun wie Walmart mit der Ökokiste vom Friedberger Landwirt. Die Marketingkooperation zwischen Motor.fm und BMW sorgte wenig überraschend für hochgezogene Augenbrauen und Mißmutsbekundungen im Publikum. Profi Renner ließ sich nicht in die Ecke drängen und verteidigte das Konzept – dieser Moment offenbarte das ewige Indie-Dilemma: will man mehr Aufmerksamkeit und Breitenwirkung auf Kosten der Credibility oder lieber im Verborgenen wirken und trotzdem hübsche Blüten züchten? Unauflösbar wahrscheinlich; aber über mangelnde Resonanz oder Information braucht sich "die Szene" (wer immer dazu gehört oder sich dazu zählt) nicht zu beschweren. Das zeigt sich ja an gut besuchten Gelegenheiten wie eben der (Popup. Zwei Diskussionsrunden weiter: bei "Fast Rewind – Videoclips vs. Das Ende des Musik-TVs?" saß Andreas Dorau auf der Bühne, der sich als smarter Medienprofi entpuppt (auch er hat wie Tim Renner eine Majorvergangenheit: er war Videoconsultant bei Universal), und keineswegs einen spinnerten Eindruck macht, wie man vielleicht auf Grund seiner Platten vermuten könnte. Aber seitdem die neue Platte draußen ist, weiß man ja, daß es Andreas und Dorau gibt, die nun endlich vereint sind. Leider hat Dorau sein Album Ich bin der Eine von uns Beiden nicht live vorgestellt (Review folgt in Kürze!), aber im Sommer wird er ein paar Konzerte geben. Ein Punkt wird während der Diskussion immerhin klar herausgearbeitet: Musik-DVDs sind kein Musik-TV und ein iPod ist kein Radio! Kurzes Schwelgen in der guten alten Zeit, die in diesem Fall ohne falsches Pathos so genannt werden darf. Musiksender, die ihren Namen damals noch verdienten, echte Moderatoren, Sendungen wie 120 Minutes auf MTV und vor allem: keine Klingeltöne, nirgends. Klemens Wiese von mute berichtet von den Schwierigkeiten, Videos ins sogenannte Musikfernsehen zu bekommen – und von den hanebüchenen Ausreden, wenn ein Clip abgelehnt wird. Dennoch werden Videos gedreht; Markus Hablizel, der die Spex-DVD mitkompiliert, weiß, dass tausende von Musikfilmchen bei den Plattenfirmen auf Halde liegen, aber trotzdem nirgendwo laufen. Außer auf DVD. Eine seltsame Welt, das Popgeschäft! Erschöpft taumelt man wieder in die Halle, wo schon zügig zusammengepackt wird, der Messetag ging wie im Flug vorbei, jetzt heißt es Bands gucken, so lange es noch geht! Die neue Entdeckung am Indiehimmel habe ich in diesem Jahr dennoch vermißt; klar, Katze sind süß, ihr Auftritt charmant, Klaus Cornfield von Throw That Beat (lang ists her) ist sichtlich froh darüber, nicht mehr nur anderer Leute Bandlogo zu malen (Timid Tiger), sondern selber wieder auf der Bühne zu stehen. Katze fallen durch exaltierte Popstarkleidung auf (riesige Militärmütze/Cornfield, schwarzes Kostüm, gewagte Frisur/Minki), was ich ja gut finde nach den Zeiten, wo man nicht erkennen konnte, wer der Beleuchter und wer der Hauptact war. Julia Hummer & Too Many Boys, die Schauspielerin im Straßenkinderlook und ihre folkige Band sind zwar nicht mein Fall, aber die Aufmerksamkeit aller Medienorgane ist ihnen jetzt schon sicher – von ihnen wird man noch viel hören in diesem Jahr. Ansonsten viele vertraute Gesichter, die man auch 2004 schon bei der (Popup sehen konnte: die Broken Beats, die von WDR-Kameras verfolgt wurden, The Robocop Kraus und Die Türen, Timid Tiger – Eintagsfliege war gestern, Kontinuität regiert! Spätestens am Samstag stellte das Abendprogramm schier unlösbare Probleme: Wie soll man das schaffen, ungeklont von der Moritzbastei (Buback-Labelabend mit den Türen und JaKönigJa, außerdem School of Zuversicht) ins Conne Island (die Party zur Show zum Buch zur Podiumsdiskussion zur CD-Vorstellung "I Can't Relax in Deutschland" mit von Spar, Räuberhöhle, The Robocop Kraus) in die Halle 5/Werk II (Broken Beats), dann in die Distillery (De:Bug-Party mit A Guy Called Gerald, Franklin de Costa) zu gelangen, und das waren nur die Veranstaltungen, die ich mir angekreuzt hatte, es gab natürlich noch viel mehr. Gelandet bin ich dann im sicheren Schoß von Ilses Erika, wie auch am Abend zuvor, wo nach NMFarner Motormark aus Glasgow zackig-eckige Wavegeschosse von der Bühne feuerten, gipfelnd in ihrer Version von My Sharona. Kissogram aus Berlin konnten wieder viele Herzen öffnen, nur meins bleibt noch verschlossen; mein Einwand, dass mich beide Musiker stark an Florian Illies erinnerten, fand keinerlei Zustimmung. Aber Samstag: Electronicat soll in der Ilse spielen, aber es geht und geht nicht los, offenbar wird gewartet, bis die Leute aus den anderen Clubs eintrudeln, das dauert halt ne Weile. Um kurz nach eins, der Künstler ist schon sichtlich angeschlagen, fängt er endlich an und es wäre auch alles ganz prima, würde nicht der Techniker dauernd rummosern und die Lautstärke drosseln wollen. Monsieur Bigot alias Electronicat ist schwer irritiert, funktioniert doch seine Musik hauptsächlich durch das ausgetüftelte Zusammenspiel von ordentlich Hall und Rückkopplung. Aber irgendwie einigt man sich, und Rockabilly- und Technofans feiern Fred Bigot gebührend, nämlich wild tanzend. Fazit zum Schluß: Natürlich wieder eine tolle Sache, vorbehaltlos zu lobpreisen; gäbe es die (Popup nicht, man müßte sie schleunigst erfinden. Aber ich habe einen Wunschzettel fürs nächste Jahr: bitte wieder weniger Locations oder ein Festivalticket mit freier ÖVP-Nutzung; mehr Frauen bzw. überhaupt Frauen in die Podiumsdiskussionen – glaubt doch kein Mensch, dass es keine weiblichen Radio-, Video- oder FanzinemacherInnen gibt. Aber das klappt bestimmt auch noch! Bis im nächsten Jahr, wir sehn uns! |
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