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20. Januar 2009
Robert Mießner
für satt.org

Ernst Busch als Darth Vader

»Gefühlssache Revolution«: Worauf es ankommt, wenn es denn soweit ist, zeigte die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot mit Chören, Orchester und Gästen in der Berliner Volksbühne.

  Flyer Kurkapelle
Flyer © kakoii Berlin

Auf der Bühne stehen mehrere Fahnenmasten. Bald wird an einem von ihnen eine schwarz-rote Fahne hängen. Das ist wichtig, gibt es doch schon gute Gründe, im jungen Jahr Marx zu lesen, nur geht das völlig unkommentiert 2009 nicht mehr. Nun hat, wer zwei Abende unter dem Titel »Gefühlssache Revolution« ankündigt, bereits ziemlich deutlich gemacht: Die Revolution will das gute Leben, nicht die gutgemeinte Fürsorge. Melancholie bleibt trotzdem erlaubt. Sie wird durch Ironie gebrochen: »Es kräht krähatief die Krähe über das krähatiefe Land und wir lassen unser Tief hochleben und spielen zum Wetterbericht« heißt es im Oratorium »Das ausgehende 20. Jahrhundert« (Komposition: Frank Keding, Text: Heinz Havemeister, Frank Keding, Wolfram Krabiell), das den Abend eröffnet. Acht Berliner Chöre und vier Orchester haben dafür auf der Bühne Platz genommen. Dazu die klassischen Sänger Nino Sandow, Dirk Kleinke und Stephan Bootz. Sie fragen: Wie alt wird eine Revolution, bevor sie stirbt? Gibt es die Revolution des Einzelnen? Die erste Frage müssen sich die Zuschauer vor Andrea Pichls Bühnenbild, das großformatige Aufnahmen Pariser Banlieues und osteuropäischer Monumentalruinen zeigt, selbst beantworten. Für die zweite gilt nach Ton Steine Scherben, die mit Hanns Eisler die Stichwortgeber des Abends sind: »Allein machen sie dich ein«.

 

Kaum hält man das Problem mit dem Individuum und dem Kollektiv für geklärt, kommt es zum Bruch, zur »Schlacht«. Chöre und Orchester gehen ab, Bühnenarbeiter trennen die Kurkapelle mit einem Bauzaun in zwei Bands. Die Revolution frisst nicht einfach ihre Kinder, sie bekriegt sich selbst. Ein Wettstreit zwischen guter und böser Band, poetischer und erzpolitischer Revolution beginnt. Der Weltgeist stellt dazu Aufgaben aus dem Off. Einmal fragt er nach der Lieblingsrevolution: »Die Nelkenrevolution« heißt es von der Seite der Poeten, »die Vernichtung des Neandertalers durch den Urmenschen« meint einer der Politaktivisten. Die Guten sehen bunter aus und haben die schönen Frauen an Bord. Die Bösen sind alle Männer, machen dafür mehr Dampf und beklagen bald schon die ersten Überläufer. Wegen Frauen und Geld, obwohl es natürlich um mehr geht. Intellektuelle gegen Macher, Künstler gegen Krauter, Utopismus gegen Realismus, das alles zieht sich durch die Revolutionsgeschichte des vorigen Jahrhunderts. Es wurde nicht spielerisch, sondern oft blutig ausgetragen. Auf der Bühne finden beide Fraktionen dann nach vielem Hin und Her doch noch zusammen. Vorher aber tritt Darth Vader auf. Dass man nicht versuchen sollte, Bolschewiken als doch auch nur Menschen darzustellen, sondern sie vielmehr als Außerirdische interpretieren müsse, hat Heiner Müller mal gesagt. Also gibt Wolfram Krabiell in kompletter schwarzer Rüstung Ernst Buschs »Lincoln-Bataillon«. Ernst Busch als Darth Vader, so und nicht anders muss Revolution gezeigt werden.


*Legendäre Combo aus Frankfurt am Main um die Freiformavantgardisten Heiner Goebbels und Alfred Harth. Ebenso dabei der Schauspieler Ernst Stötzner, der Komponist Rolf Riehm und die Publizistin Cora Stephan. Veröffentlichten zwei Alben, die 1999 bei Trikont als Doppel-CD (»1976 - 1981«) mit zwei Bonustracks neu herausgegeben wurden.

Nach der mit leichter Hand präsentierten Theorie dann »Der Rote Trash«: Die Kurkapelle hat seit den späten Achtzigern Demonstrationen bespielt, wurde das Sogenannte Linksradikale Blasorchester* Ostberlins. Jetzt veranstaltet sie zum Abschluss des Abends eine furiose Revue mit Gästen. Aufgefordert, das Gestühl der Volksbühne zu zerlegen, spitzt das Publikum dann doch lieber die Ohren. Zu Winnie Böwe zum Beispiel, die einen Song der russischen Band Megapolis singt: »Karl-Marx-Stadt, Karl-Marx-Stadt / Du bist die Stadt roter Blumen, / Karl-Marx-Stadt, Karl-Marx-Stadt, / Aber ich mag nur weiß.« Zu Rummelsnuff, dem Hans Albers des Elektroclash, der Gilbert Becauds »Natalie« intoniert. Der Berliner Rapper Gauner tritt auf, Yuriy Gurzhy, Simon Wahor und Mad Millian von RotFront machen Emigrantski Raggamuffin. Das Programm der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot endet mit »Der Traum ist aus« (klingt wie Balkan-Beat meets Prog-Rock) von ihrer neuen, auch ganz und gar furiosen CD »Kämpfe«. Alle ihre Platten haben diese schönen Titel, die das Ganze in einem Wort zusammenfassen. Die nächste sollte »Feste« heißen und vorher »Gefühlssache Revolution« bitte wiederholt werden.



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