Der Eröfnungsfilm der Berlinale 2004 ist mal wieder ein Starvehikel von einem renommierten Regisseur, über Reneé Zellweger, Giovanni Ribisi und Anthony Minghella lassen sich sogar mehrere Verbindungen zu den vorherigen Eröffnungsfilmen unter Dieter Kosslick aufmachen. Der Film an sich erinnert aber vor allem an Regisseur Minghellas bisher größten Erfolg,
The English Patient (immerhin geht es wieder um einen verwundeten Soldaten und die Liebe) und irgendwie auch an
Gangs of New York, denn mithilfe des kolossalen Ausstatters Dante Ferretti wird ein Stück kriegerische amerikanische Geschichte rekonstruiert.
Amerika, in der 1860ern: Die Pfarrerstochter Ada Monroe (Nicole Kidman) verliebt sich in den Arbeiter Inman (Jude Law), doch bevor man über einige leidenschaftliche Küsse hinwegkommt, zieht Inman als Konföderierter in den Krieg gegen die "Yankees". Der Film, der von Beginn als elaborierte Parallelerzählung konstruiert ist, erzählt einerseits davon, wie Inman, ein fähiger Soldat, nach einem spektakulären Scharmützel zunächst verwundet wird und sich dann entscheidet, zu seiner großen Liebe zurückzukehren, auch wenn er dabei riskiert, als Deserteur erschossen zu werden. Und die wohlbehütete Pfarrerstochter verliert zuhause zunächst ihren Vater und muß sich durchkämpfen, obwohl sie jahrelang nur dekorative Hobbies verrichtet hat, nun aber das große Anwesen (und damit auch sie) langsam vor die Hunde geht.
Inmans Reise ist eine Odyssey, bei der an jeder Wegbiegung neue Prüfungen warten, jede Hilfe kann Verrat bedeuten, die ins Land einfallenden Yankees sind nicht unbedingt schlimmer als die Deserteure aufspürende home front, und mehr als eine Möglichkeit, seiner großen, reinen, aber nicht unbedingt hoffnungsvollen Liebe zu Ada untreu zu werden, ergibt sich nebenbei auch. Ada hingegen wird von Teague (Ray Winstone, bekannt aus The War Zone oder Sexy Beast), dem hinterhältigen Leiter der home front Cold Mountains, nachgestellt, und während das Ende des Krieges Monat um Monat auf sich warten lässt, wird die Situation für die Daheimgebliebenen immer schlimmer. Immerhin wird Ada unterstützt von der sehr praktischeren und patenten Ruby (Renée Zellweger), doch als die Swangers von der Nachbarfarm übelst zugerichtet werden, weil sie ihre vom Krieg zurückgekehrten Söhne verstecken, und sich Rubys zumeist als nichtsnützig erwiesener Vater (Brendan Gleeson) ebenfalls in der Nähe versteckt, wird klar, daß die Rückkehr Inmans die Konflikte mit Teague und seinen Spießgesellen allenfalls zum Höhepunkt bringen wird. Und da Ada in einer Vision sah, wie Inman inmitten von schwarzen Krähen zu Boden fällt, steht die Wiedervereinigung unter keinem guten Stern.
Cold Mountain strotzt nur so von Schauspielstars. Neben den bereits genannten tauchen in Nebenrollen Philip Seymour Hoffman als Fleischesfreuden nicht abgeneigter Gottesmann, Donald Sutherland als Adas Vater, Natalie Portman als Ablenkung für Inman auf der Reise oder Jack White (von den White Stripes) als musizierender Vagabund auf. Auch das Eröffnungsscharmützel um eine unterirdische Sprengung und eine verwirrte Yankee-Armee in einem verheerenden Kessel kommt wie "großes Kino" daher, verliert jedoch durch einen zu effekthascherischen Schnitt (von Walter Murch sind wir besseres gewohnt), und der gesamte Film reibt sich ein wenig an den vielen kinoreifen Themen auf. Die Einzelleistungen wie Zellwegers Akzent, Hoffmans Geilheit, Ferrettis Schlachtfeld oder John Seales Kamera überzeugen ebenso wie die vielen Hindernisse, die das Buch unseren Liebenden in den Weg stellt, aber das Endresultat lässt einen ein wenig kalt. Nicht annähernd so kalt wie Gangs of New York, aber man fragt sich dennoch, ob diese großflächigen Kinogemälde von Liebe, Tod, Rache und dem großen melting pot Amerika heutzutage noch zeitgemäß sind, und man nicht lieber stattdessen zwei kleine Filme dieser Regisseure zu sehen bekommen hätte, wie The Talented Mr. Ripley (verhältnismäßig klein) oder After Hours (sehr klein, aber oho!). Mitunter zeigt sich dort viel eher die Meisterschaft von Regisseuren als bei cineastischen Rundumschlägen, die dann doch irgendwie ins Leere laufen …
Dennoch ist Cold Mountain im Gegensatz zu Gangs of New York ein Film, der zumindest passagenweise grandios ist, nicht zuletzt wegen Philip Seymour Hoffman, der einfach mehr Hauptrollen wie in Owning Mahowney bekommen sollte, denn diesen Schauspieler schaut man sich sogar 155 Minuten lang gerne an.