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Meines Erachtens ist Finding Nemo zwar der bessere Film, aber während man mit dem ambitionierten kanadischen Langfilmdebüt wichtige neue Akzente hätte setzen können, wurde mit Finding Nemo mal wieder ein Film gekürt, der seine Erfolgsgeschichte bereits hinter sich hat ( …und aus dem Hause Pixar haben wir auch schon besseres gesehen). Les triplettes de Belleville hat es aber vielleicht auch gar nicht auf den großen Publikumserfolg abgesehen, dazu ist der Film einfach zu persönlich, zu wenig massenkompatibel, zu wenig handlungsorientiert und - für einen Zeichentrickfilm ein riesiges Wagnis! - so gut wie gar nicht für ein kindliches Publikum konzipiert. Les triplettes de Belleville ist ein Zeichentrickfilm, wie Jacques Tati ihn geliebt hätte. Nicht nur, weil alle Nase lang das Plakat zu Les vacances de Monsieur Hulot zu sehen ist und man sogar einen Realfilmausschnitt aus einem Tati-Film zu sehen bekommt (ähnlich liebevoll wie der Jack Arnold-Clip in Lilo & Stitch), sondern vor allem, weil in Belleville etwa soviel gesprochen wird wie in Tativille, weil sich Geräusche, die ein Eigenleben entfalten, und skurrile visuelle Ideen die Hand geben. Regisseur Sylvain Chomet, der auch schon Comics zeichnete und der bei seinem Kurzfilm The Old Lady and the Pigeons (1997) den Comic-Kollegen Nicolas de Crécy die Hintergründe gestalten ließ, wollte ursprünglich einen weiteren Kurzfilm um die alte Lady realisieren, bis aus einer gemeinsam vorführbaren Trilogie ein ganz neues Projekt wurde. Ungeachtet des deutschen Titels geht es weniger um ein "großes Rennen", aber auch nicht vorrangig um das Tingel-Tangel-Terzett dreier alter Damen, die zu Zeiten von Josephine Baker mal berühmt gewesen sein sollen. Aus einem dicklichen Jungen wird ein grotesk proportionierter Profi-Radfahrer, der bei einer Art Tour de France zusammen mit einem Kollegen von Gangstern entführt wird, um ein mechanisiertes Privatrennen für den Obergangster aufzuführen. Die ziemlich genial mit 3-D-Computergrafiken kombinierten Zeichnungen erinnern mal an Mark Wheatley (die diversen Gangstertrios), mal an Ben Katchor doch bei aller stilistischen Vielfalt erhält sich Belleville eine visuelle Geschlossenheit, für die viele Zeichentrickfilmer töten würden. Ganz wie bei Tati gibt es wenig vordergründige Handlung, aber viele liebevolle Details, die man entdecken kann, wenn man sich auf den Film einlässt. Damit meine ich nicht nur die manchmal etwas ausartende Hommage-Flut an die Götter im Zeichentrick-Pantheon wie Windsor McKay, sondern etwa Chomets Abrechnung mit einer typisch französischen Delikatesse (wie die drei Hexen bei Macbeth erscheinen einem die Drillinge, wenn sie Froschschenkel bereiten und verzehren) oder die lebenslange Abneigung eines Hundes gegen die Eisenbahn. Auch wenn Belleville weit von der Perfektion eines Tati (oder eines Finding Nemo) entfernt ist, gehört Sylvain Chomets Film zu den größten Entdeckungen der letzten zehn Jahre im Bereich Animationsfilm - schon für seine Widerborstigkeit muß man den Film lieben. |
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