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September 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Casomai - Trauen wir uns?!
Italien 2002

Filmplakat

Regie:
Alessandro D’Alatri

Buch:
Anna Pavignano, Alessandro D’Alatri

Kamera:
Agostino Castiglioni

Schnitt:
Osvaldo Bargero

Musik:
Pivio & Aldo De Scalzi

Songs:
Elisa

Darsteller:
Stefania Rocca (Stefania), Fabio Volo (Tommaso), Gennaro Nunziante (Don Livio), Mino Manni (Rino), Sara D’Amario (Laura), Paola Bechis (Sara), Andrea Collavino (Carlo), Ada Treves (Giuliana), Michele Bottini (Riccardo), Tatiana Lepore (Monica), Francesco Migliaccio (Gianni), Andrea Jonasson (Stefanias Mutter), Maurizio Scattorin (Stefanias Vater), Graziella Comana (Tommasos Mutter), Andrea Callavino (Tommasos Vater)

114 Min.

Casomai
Trauen wir uns?!


Auf dem Cinema! Italia!-Festival, das Ende letzten Jahres durch Deutschland tourte, habe ich den Gewinner des Publikumspreises leider verpasst, doch der kleine, aber feine Bonner Schwarzweiss-Filmverleih bringt Casomai jetzt auch ganz regulär in die Kinos.

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Casomai heißt übersetzt etwa "Was wäre, wenn …?", und wir erleben im Film die ungewöhnliche Trauung von Tommaso und Stefania durch den Pfarrer Don Livio, der lieber mal nachfragt, statt nur irgendwelchen Traditionen und Statuten zu folgen. An jener Stelle der Trauung, wo sich das zukünftige Ehepaar eigentlich ewige Treue schwört, weicht Don Livio vom traditionellen Ehegelöbnis ab und fragt die Gemeinde, ob man denn überhaupt wissen könne, wie man in zehn oder zwanzig Jahren füreinander empfinden würde. Und damit nimmt uns der Film auf eine Reise in eine mögliche Zukunft des Paares, dem immer wieder von gutmeinenden Freunden in die Lebensführung hineingequatscht wird, bis dann jene drei Alarmglocken einer gefährdeten Beziehung (man geht nicht mehr aus, man hat keinen Sex mehr, man schaut lieber Fernsehen) nacheinander ertönen, und durch die allmähliche Fragmentierung der Geschichte (auch und gerade in der Inszenierung) aus der anfangs erfrischenden Komödie eine bissige Gesellschaftssatire wird.

Ich würde Casomai als italienische Alternative zu Jeux d’enfants einordnen, doch die Geschmäcker sind verschieden, und mein Kritikerkollege Benjamin Happel und ich können uns im Zusammenhang mit diesen beiden Filmen nicht ganz einigen, wo "romantisch" aufhört und wo "zynisch" beginnt. Was aber auch irgendwie ein Qualitätsmerkmal für beide Filme ist.

Zu Beginn ist Casomai vielleicht eine Spur zu nett, aber die inszenatorischen Ideen im "Möglichkeits"-Teil lassen diese Startschwierigkeiten schnell vergessen. Daß man bei den immer wieder in Parallelmontagen eingestreuten "Ratschlägen" der Freunde nur schwer den Überblick über die Beziehungen der Hochzeitsgäste zum Paar bekommt, ist meines Erachtens keine Schwäche des Films, sondern eine logische Fortführung der Zustände bei jenen Trauungen, bei denen ich bisher zugegen war - wer weiß da schon immer, wer Bruder, Schwager oder Exfreund ist?

Pfarrer Don Livio, der von einigen übereifrigen Kritikern gleich zum "modernen Don Camillo" hochstilisiert wird, gibt dem Film trotz der durch Herstellungsland und Spielort unvermeidbaren Religiösität im "Kern" einen sympathischen Anstrich, mir erscheint er eher wie ein Märchenonkel und Marionettenspieler, der seinen Kindchen eine Einführung in die "Szenen einer Ehe" gönnt - so wünscht man sich seinen Pfarrer!

Definitiv zu den Pluspunkten des Films zählt sein sympathisches Darstellerpaar, das man im Verlauf des Films durch alle Höhen und Tiefen einer Beziehung begleitet, ähnlich, wie ich es mir auch im nächsten Ozon-Streifen 5 x 2 vorstelle - nach Before Sunset und Eternal Sunshine of the Spotless Mind ein weiteres Beispiel für die derzeitige Konjunktur von Filmen, die sich ganz auf Paare konzentrieren, wobei der erste Kuss im postmodernen Film keineswegs am Ende des Films stehen muss.