Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

September 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

The Village
Das Dorf

USA 2004

Filmplakat

Buch
und Regie:
M. Night Shyamalan

Kamera:
Roger Deakins

Schnitt:
Christopher Tellefsen

Musik:
James Newton Howard

Creature Design:
Crash McCreery

Darsteller:
Bryce Dallas Howard (Ivy Walker), Joaquin Phoenix (Lucius Hunt), Adrien Brody (Noah Percy), William Hurt (Edward Walker), Sigourney Weaver (Alice Hunt), Brendan Gleeson (August Nicholson), Judy Greer (Kitty Walker), Fran Kranz (Christop Crane), Michael Pitt (Finton Coin), Jayne Atkinson (Tabitha Walker), Cherry Jones (Mrs. Clack), Celia Weston (Vivian Percy), John Christopher Jones (Robert Percy), Frank Collison (Victor), Jesse Eisenberg (Jamison), M. Night Shyamalan (Jay, Guy at Desk)

The Village
Das Dorf


Seit seinem Durchbruch 1999 mit The Sixth Sense (seine zwei Regiearbeiten davor kennt kaum jemand) hat M. Night Shyamalan mit den Nachfolgern Unbreakable und Signs jenem Hobby gefrönt, das John Carpenter in den 1980ern zur unnachahmlichen Vollendung führte: Er wurde mit jedem Film schlechter.

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

The Village durchbricht dieses Schema. Zwar geht es auch hier wieder um eine vordergründige Gruselgeschichte, die gleich mit einigen Twists zu etwas anderem wird (wie es Shyamalan inzwischen zu seinem Markenzeichen gemacht hat), aber zum einen können die Twists mit den schwächeren Filmen mithalten - und vor allem hat Shyamalan diesmal ein Schauspielensemble vor der Kamera versammelt, das seinesgleichen sucht - und der Film überzeugt vor allem als Parabel, wie ich kurz erklären will, ohne die Pointen zu verraten.

Viele kennen Arthur Millers The Crucible, womöglich nur in der Filmversion mit Winona Ryder, aber selbst das reicht hier. Im Jahr 1692 wird in der kleinen Gemeinde Salem in Massachusetts eine Hexenjagd exerziert. Nun hätte man die letzte Filmadaption dieses Stücks mit ihren evokativen Kamerafahrten sicher mithilfe eines darauf abgestimmten Trailers als Gruselfilm anpreisen können, doch jene, die sich gruseln wollten, wären enttäuscht gewesen - und jene, die einen Film über die Kommunistenhatz unter Senator McCarthy sehen wollen, hätten wohl erst sehr spät davon erfahren.

The Village ähnelt in seiner Atmosphäre dem Salem aus The Crucible. Vieles in diesem Dorf erscheint zeit- oder ortlos. Das Presseheft macht es sich leicht und datiert das Geschehen auf 1897, verortet das Dorf in Philadelphia, doch meines Erachtens gibt es im Film keine Indizien, beispielsweise derart genau den Zeitpunkt der Geschichte festzumachen. Und da der Film meines Erachtens eher eine Parabel als eine Gruselgeschichte ist (auch, wenn es einen oft genug in den Kinosessel drückt, in einer fiesen Mischung aus Stephen Kings The Girl who loved Tom Gordon und Wait until Dark), geht es auch nicht um solche Details, die Geschichte ist zeitlos.

In einem Tal, umgeben von einem dunklen Wald, liegt das Dorf mit seinen Bewohnern, eine harmonische Gesellschaft. Im Wald treiben jene, "von denen man nicht spricht", ihr Unwesen. Schon früh im Film sieht man die Reflexion einer Gestalt, die in einem blutroten Umhang durch den Wald hastet. Wir erfahren, daß die, "von denen man nicht spricht", von der "bösen Farbe" angezogen werden, daß sie Fleisch fressen, definitiv größer als Kojoten sind und scharfe Klauen haben. Im Dorf finden sich die gehäuteten Kadaver kleiner Tiere, vieles deutet daraufhin, daß jene, "von denen man nicht spricht", die Grenze zum Dorf durchbrochen haben, was jahrelang nicht mehr geschah, denn sowohl die Dorfbewohner als auch die Waldbewohner beachten die Grenze. "Maintain and protect the border" gehört zu den allzu amerikanischen Slogans des Films, vielleicht sind die Waldbewohner auch nur arme Mexikaner, die ein bißchen Wohlstand abhaben wollen?

Wenn man in Le pacte des loups erstmals jenen blutrünstigen Werwolf sieht, verliert das Grauen jenen Aspekt von Urängsten, wie er im dunklen Wald um Das Dorf oder unter der Meeresoberfläche von Jaws / Der weiße Hai kultiviert wird. Ähnlich verhält es sich auch in The Village: Das creature design ist zwar beeindruckend (eine Art Mischung aus Stachelschwein und Werwolf in einer roten Kutte), aber wenn man erstmal weiß, ob das unbeschreibliche Böse im Wald aus Außerirdischen, Indianern oder Zombies besteht, kann man es fassen, beschreiben und bewältigen - auch als Zuschauer.

Die Farbdramaturgie des Films (vgl. auch die Umhänge in Unbreakable) arbeitet sich schon früh heraus, man weiß, daß die Dorfbewohner sich oft in der "sicheren Farbe" (gelb) kleiden, während die "böse Farbe" (rot) für die "anderen" steht. Die Angst vor den Roten war auch während des kalten Krieges ein bestimmendes Moment der amerikanischen Außenpolitik und der von der Regierung mitgeprägten Auffassung der "Anderen" (siehe auch den McCarthy-Vergleich). Die Hauptfigur in The Village, das von der Tochter von Ron Howard, Bryce Dallas Howard gespielte erblindete Mädchen Ivy, erkennt ihren Vater und Lucius, den Mann, den sie liebt (gespielt von Joaquin Phoenix) an einer farbigen Aura, verrät aber nicht, welche Farbe Lucius hat - ist er auch nur ein versteckter Roter?

Genug zur Geschichte. Neben der herausragenden Debütantin Ms Howard muß man noch Adrien Brody, den Oscar-Gewinner aus The Pianist, loben, der hier eine kleine Rolle als verwirrter Dorfidiot gibt. Judy Greer, dieser Tage auch in 13 going on 30 als böse Karrierefrau, überzeugt als unschuldig naive Schwester der Hauptfigur, Joaquin Phoenix (der Böse aus Gladiator, vor kurzem auch in Signs) bereitet sich langsam für seine ersten Hauptrollen wie in Ladder 49 vor, aber neben kleinen Auftritten von Michael Pitt (The Dreamers) und dem Westentaschen-Hitchcock Shyamalan (im bisher überzeugendsten Kurzauftritt des Regisseurs) überzeugen vor allem die betagten Darsteller, neben Brendan Gleeson vor allem William Hurt und Sigourney Weaver, deren kleine love story zu den inszenatorischen Höhepunkten des Films gehört - gerade, weil sie nicht ausformuliert wird.