Anzeige: |
satt.org | Literatur | Comic | Film | Musik | Kunst | Gesellschaft | Freizeit | SUKULTUR |
August 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
|
Bin-JipNachdem Kim Ki-Duk im Februar 2004 für Samaria den Regiepreis der Berlinale erhielt, konnte er im selben Jahr auch noch für seinen nächsten bereits fertiggestellten Film in Cannes ausgezeichnet werden. Mit ein wenig Verspätung läuft Bin-Jip nun auch in deutschen Kinos, der Verleih ist abermals Pandora, bei denen auch schon Kims Frühling, Sommer, Herbst, Winter … und Frühling lief (seinerzeit ebenfalls "Film des Monats"). Bin-Jip, was soviel wie "Leeres Haus" heißt, erzählt die Geschichte eines namenlosen jungen Mannes, der mit seinem offensichtlich sehr teuren BMW-Motorrad von Haus zu Haus fährt und an den Türen Reklamezettel anbringt. Diese Tätigkeit scheint sich förmlich mit seinem Gefährt zu beißen und als seine Maschine die Garagenausfahrt eines wahrscheinlich mindestens genauso guthabenden Mannes versperrt, fliegen zwischen den Blicken der beiden fast schon die Funken. Der junge Mann, der übrigens im Verlauf des Films nicht ein einziges Wort sagt, fährt etwas später seine Strecke erneut ab, und schließt aus der Nichtentfernung der Werbezettel folgerichtig auf nichtanwesende Bewohner, deren Wohnungen er dann betritt. Doch nicht etwa des schnöden Mammons wegen oder um sich mit geklauten Stereo-Anlagen seinen Lebensstil (auf den man durch das Motorrad schließt, von dem man aber ansonsten nichts erfährt) zu ermöglichen, nein, er "übernimmt" nur für einige Zeit die Wohnungen der zumeist im Urlaub befindlichen eigentlichen Bewohner, die fast ausschließlich über Anrufbeantworter-Sprüche und auffallend häufig vorhandene großflächige Fotos an den Wänden (koreanische Eigenart oder Aussage / Stilmittel des Regisseurs?) ihren Einfluß auf sein Leben und den Film nehmen. Während dieser Ausflüge in das Leben anderer Menschen verfolgt unser Protagonist bestimmte Hobbys (er fotografiert sich mit seiner Digitalkamera gern in seinen vorübergehenden Bleiben) und Rituale (er wäscht die fremde Kleidung, die er während dieser Zeit trug, trotz oft vorhandener Waschmaschinen mit der Hand und Seife). Oft repariert er auch sich in diesen Wohnungen befindliche unbrauchbare Gegenstände, was aber nicht immer den Dank der wiederkehrenden Urlauber mit sich bringt … (um einen schwarzhumorigen Gag mal nicht auszuplaudern) Schließlich landet er auch in der Wohnung des eingangs erwähnten Kerles, der aber wohl seine Wohnung nur durch die Garage verlässt und betritt und deshalb die Werbezettel nicht entfernt hatte. Während unser Einbrecher die Wohnung besichtigt, merkt er zunächst nicht, daß die Frau des Hauses (die offensichtlich von ihrem Mann geschlagen wurde) sich noch im Haus befindet und seinerseits ihn beobachtet. Schließlich lernen sich die beiden kennen, und als der wieder mal erzürnte Gatte zurückkommt, wird dieser mit einigen gezielten Golfschlägen unschädlich gemacht, bevor der junge Mann mit der dankbaren Frau zusammen verschwindet und fortan bei seiner eigentümlichen Beschäftigung eine gelehrige Mitarbeiterin hat. Ähnlich wie Samaria hat auch der auf dem internationalen Markt ziemlich genial "Dreier-Eisen" benannte Film eine dreiteilige Erzählstruktur (und eine Dreierbeziehung). Nach den soeben beschriebenen Ereignissen folgt noch die leise und langsame Liebesgeschichte des ungleichen Paares (die auch nicht eben gesprächige Frau sagt im Film immerhin einen recht wichtigen Satz), der die "Rache" des Gatten folgt, die unseren Helden in eine andere fremde Wohnung bringt - eine Gefängniszelle. Nach einer nicht zimperlichen Befragung kann auch der Wärter wenig mit dem stummen jungen Mann mit dem seltsamen Humor anfangen und man fühlt sich ein wenig an Oldboy erinnert, den letzten Film des anderen international bekannten koreanischen Regisseurs der letzten Jahre, Park Chan-Wook. Doch statt einer erneuten Rache verlässt der Film im dritten Teil auf zweideutig, womöglich unrealistisch zu deutende Weise, den bisherigen Pfad - und mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Noch besser als in Samaria verbindet Kim hier seine ursprüngliche Affinität zur mitunter skurril komischen Gewaltdarstellung mit dem in seinen neueren Filmen auffälligen Hang zur kontemplativen Allegorie und legt hiermit bereits den dritten wirklich beeindruckenden Film in Folge ab, wofür ihm seine zwei Regiepreise innerhalb weniger Monate wirklich gegönnt sind. Mittlerweile könnte ich mir sogar vorstellen, daß ich auch seinen Bad Guy (den ich seinerzeit schier unerträglich fand) inzwischen mit anderen Augen sehen könnte. Kim Ki-Duk gehört momentan sicher zum guten Dutzend der besten internationalen Regisseure, und Bin-jip unterstreicht die Stärken Kims nur - und die Stärken eines Kinos, das sich nicht blind auf Dialoge verlässt, sondern die Geschichte mit Bildern erzählt. |
satt.org | Literatur | Comic | Film | Musik | Kunst | Gesellschaft | Freizeit | SUKULTUR |