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Januar 2006 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Sommer vorm BalkonDie Nachbarinnen Nike (Nadja Uhl) und Katrin (Inka Friedrich) wohnen im Prenzlauer Berg. Nike ist Altenpflegerin mit drei Senioren, bei denen sie jeden Tag Hausbesuche macht, Katrin war mal Schaufensterdekorateurin und besucht jetzt ein Bewerbungscoaching, um ihrem halbwüchsigen Sohn Max vielleicht doch irgendwann die (sündhaft teuren Marken-) Turnschuhe kaufen zu können, die der so dringend braucht. Nachts sitzen Nike und Katrin oft auf Nikes Balkon, trinken Rotwein, sinnieren über das Leben oder rufen anonym den Apotheker gegenüber an, den eine von ihnen am liebsten ansprechen würde. Doch dann kommt ein anderer Mann zwischen die beiden, der LKW-Fahrer Ronald (Andreas Schmidt), eine etwas dubiose Gestalt, die schon bald bei Nike einzieht und sich verwöhnen lässt. Viel mehr will ich auch gar nicht über die Geschichte des neuen Andreas Dresen-Films verraten, bei dem das Drehbuch von der DEFA-Ikone Wolfgang Kohlhaase stammt (Berlin - Ecke Schönhauser, Ich war 19, Solo Sunny, zuletzt Die Stille nach dem Schuß und Baby), auch wenn es jederzeit als hundertprozentige Dresen-Eigenschöpfung durchgehen könnte - und das meine ich jetzt als Kompliment. Ähnlich wie bei Halbe Treppe sind die Figuren ebenso lebensecht wie liebenswert, und dabei ist es zweitrangig, daß sie nicht nur aus einem prolligen Milieu stammen, sondern auch viele Macken und Fehler haben. Nur im Film und Fernsehen begegnet man nämlich alle Nase lang intellektuellen Opernexperten mit Designer-Klamotten, die sie sich über einen kreativen Job leisten können, bei dessen Ausübung man sie so gut wie nie sieht. Dresen verlässt sich wieder auf sein eingespieltes kleines Team (etwa Cutter Jörg Hauschild und Dramaturgin Cooky Ziesche, aber auch Inka Friedrich sah man zuletzt in Willenbrock und mit dem Kameramann Andreas Höfer arbeitete er in Nachtgestalten) und ist nach seinem Breitwand-Ausflug wieder typisch semidokumentarisch und mit vielen Laiendarstellern tätig - doch im Gegensatz zu etwa Christian Petzold ist Dresen nicht festgefahren auf seinen Arbeitstil, sondern wirkt noch so frisch wie am ersten Tag. Die Liebe seines Regisseurs zum Film merkt man Sommer vorm Balkon an, und nach Filmen wie Die fetten Jahre sind vorbei, Gegen die Wand - und natürlich Halbe Treppe - handelt es sich hier mal wieder um einen der allzu nötigen Beweise, wozu das deutsche Kino fähig ist. |
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