Cinemania 37:
Kinostart Dezember 2006
[Alle Rezensionen von Thomas Vorwerk]
Der Lebensversicherer
(Bülent Akinci)
Deutschland 2006, Buch: Bülent Akinci, Kamera: Henner Besuch, mit Jens Harzer (Burkhard Wagner), Marina Galic (Caroline), Anna Maria Mühe (Heike), Christian Blümel (Charlie), Hussi Kutlucan (Herr Wokalek), Tom Jahn (Herr Rösler), Mehdi Nebbou (Rachid), Irina Potapenko (Larissa), 95 Min., Kinostart: 7. Dezember 2006 Der Gewinner des Hauptpreises in der Berlinale-Kategorie "Perspektive Deutsches Kino" kommt nun in die Kinos, und im Nachhinein wirkt er mit seinen deutsch-französischen Elementen gefährlich "maßgeschneidert" für diesen Wettbewerb, bei dem die Jura ja aus jungen deutschen wie französischen Filminteressenten bestand, und es teilweise auch ein wenig so wirkt, als habe man die Hauptfigur nach der wohl bekanntesten Figur aus der bisher kurzen Geschichte dieser Berlinale-Rubrik, dem "Mux" aus
Muxmäuschenstill, nachempfunden. Die Besetzung wirkt aber immerhin imposant, finden sich neben dem Theaterstar Jens Harzer (
Requiem) in der Titelrolle doch etwa Anna Maria Mühe (
Was nützt die Liebe in Gedanken?) oder Mehdi Nebbou (
Schläfer) in kleineren Rollen wieder …
Der Versicherungsvertreter Burkhard führt ein Leben aus dem Koffer. Wie Arthur Millers Willy Loman hat er seine Verkaufsstrategien zum Lebensinhalt gemacht und ist immer auf der Suche nach Vertragsabschlüssen - selbst noch auf der Herrentoilette. Seine Familie hat er hinter sich gelassen, die Rückkehr soll nach einer vorher bestimmten Anzahl von Vertragsabschlüssen folgen. Die ersten Worte des Films stammen aus einem Telefonat: "Du bist wieder weg, lässt uns hier allein. Einfach so. Ich weiß nicht, was ich machen soll" und man lernt Burkhard in einer Waschstrasse kennen. Vom Regisseur womöglich aus
The Sweet Hereafter gut abgeschaut. Schon früh wird so eine klaustrophobische Stimmung eingeführt, die sich auch trotz der vielen offenen Plätze im weiteren Verlauf des Films (Raststätten und Autobahnparkplätze) halten wird. Die Kamera bleibt oft nahe am Protagonisten, illustriert aber auch seine Distanz zum Leben.
Der Film steht und fällt mit seinem Hauptdarsteller, dessen verlogenes Lachen und die gespielte Anteilnahme zwar zum Klischee des Versicherungsvertreters passen, der aber trotz einer bemerkenswerten Leistung nicht immer überzeugen kann. Daß der Film zu großen Strecken eine
One-Man-Show ist, macht es Harzer natürlich auch nicht einfacher.
Doch schon bald lernt man eine Frau kennen, die sich wie Burkhard auf einer bestimmten Raststätte besonders oft aufzuhalten scheint, und die wie er anhand eines am Ohr vorbeigeblätterten Papierstapels die Anzahl der Seiten erkennen kann. Doch Caroline zählt auf diesem Wege keine Versicherungspolicen, sondern die Flugblätter, die sie als Reklame für ihre nahe der Raststätte ziemlich versteckt liegende Pension bei Autos hinter den Scheibenwischer hängt, deren Fahrer sich wie Burkhard auf dem Raststätten-Klo rasieren etc.
Der Film versprüht eine nicht geringe Romantik. Die Raststätten werden mit Trinkstellen verglichen, an denen sich die durstigen Tiere treffen, die nächtlichen Autofahrten gleichen Kometen, die über den Nachthimmel ziehen - und sich vielleicht auch mal "treffen". Die schönsten Szenen des Films sind ganz banale Vorgänge, wenn Burkhard etwa auf seinem Aktenkoffer Kuchen isst und Kaffee trinkt oder er Caroline von seinem Tisch aus beobachtet.
Je länger man diesen Film schaut, umso besser wird er - und bei den meisten Filmen ist das ja eher umgekehrt. Die zweite Gemeinsamkeit von Burkhard und Caroline (französische Chansons) wirkt zwar wieder etwas aufgesetzt, doch über eine denkwürdige Begegnung mit einer Prostituierten werden Burkhards Abstecher zu Carolines Pension (zunächst nur als heimlicher Beobachter) zu nahegehenden Erlebnissen. Zwar fragt man sich, inwiefern diese "Romanze" angesichts Burkhards offenbar gescheiterter Ehe (er spricht nur noch auf den Anrufbeantworter) eine Chance hat, doch zumindest baut der Film eine Spannung auf, die für solch einen Abschlussfilm immens ist. Das Drehbuch zeigt mit der Zeit auch immer mehr Stärken, Begegnungen mit einem Blumenverkäufer, einem in einem Wohnwagen lebenden Paar oder einen Franzosen algerischer Abstammung ("in Deutschland bin ich nur Franzose …"), der ihm nachgemachte Markenartikel wie Uhren oder Parfüm verkaufen will, zeigen einem die menschlichen Seiten Burkhards, trotz seiner "billigen Vertretersprüche" schließt man ihn langsam ein wenig ins Herz - und gönnt ihm auch eine Romanze oder eine frühzeitige "Erlösung" von seinem Auftrag.
Wie der Film die Problematik der zwei Leben Burkhards auflöst, veredelt ihn weiterhin, und gegen Ende des Streifens war ich dann auch fast der Meinung, daß er den Preis verdient hat. Zumindest möchte ich von diesem Regisseur auch noch einen zweiten Film sehen - und das ist immerhin schon eine Menge …
Tailor Made Dreams
(Marco Wilms)
Dt. Zusatztitel: Maßgeschneiderte Träume, Deutschland 2006, Buch: Marco Wilms, Kamera: Lars Barthel, Schnitt: Christian Fibikar, Kinostart: 7. Dezember 2006 Als "kräftiges zwischenmenschliches Curry" wird dieser Film umworben, der Titel der "Maßgeschneiderten Träume" trifft das Ganze aber weitaus besser. Dokumentarfilmer Marco Wilms kommt offensichtlich ganz schön rum in der Welt. In Bagkok lässt er sich beispielsweise Maßanzüge vom indischen Schneider Issar machen, mit dem er auf der Suche nach seinem nächsten Filmthema ein Abkommen trifft. Zusammen mit Issar will Wilms einige von dessen Kunden in Europa besuchen, und dieses zu einem Film verarbeiten. Issar hat jahrelang die Visitenkarten seiner aus der ganzen Welt stammenden Kunden gesammelt. Issars Ansprüche an die Reise sind gering: Er will nur jeden Morgen zwei Scheiben Brot ohne Butter, etwas Tee und ein bißchen Mut zugesprochen bekommen. Seinen Freunden erzählt er, daß er nun Filmstar wird, denn wie in seinem Lieblingsfilm
Sangam sollen auch in der Schweiz Aufnahmen mit ihm gemacht werden. Bereits beim Abschied singt Issar den Song "Dressmaker" (Textauszug: "tailor by trade, lover by heart, dressmaker, dressmaker, can you make a woman fall in love"), und der Zuschauer fragt sich, inwiefern dem älteren Herren bewusst ist, daß er zwar recht charmant wirkt in seiner Erscheinung irgendwo zwischen Johnny Cash und Harald Juhnke, aber selbst letzterer noch in volltrunkenem Zustand ungefähr siebenundzwanzig Mal besser singen kann.
Die Reise beginnt in Berlin ("eine Stadt aus Silber, eine Stadt aus Gold") und man bekommt erste Einblicke in den sich langsam entwickelnden Film. Der Regisseur diskutiert mit seiner skeptischen Lebensgefährtin, ob Issar nicht bei ihnen übernachten könnte, man sieht Issars Traum von Bollywood-Tänzerinnen vor der Berliner Mauer. Die inszenierten Bollywood-Passagen des Films wirken leider relativ hausbacken bis enttäuschend. Wird schon seinen Grund haben, warum Wilms vor allem als Dokumentarfilmer arbeitet - auch wenn dieser Film mit seinen inszenierten Träumen (deren Inhalt nicht etwa in im Film enthaltenen Gesprächen mit dem Träumer transparent gemacht werden) kaum weiter weg von "herkömmlichen" Dokumentarfilmen sein könnte. Daß ein Dokumentarfilmer etwa bei Telefongesprächen seines seltsamen Helden auch gleich die Gesprächspartner mitfilmt, ist beispielsweise sehr ungewöhnlich, aber nur ein klitzekleines Detail am Rande. Auch, daß der erste Kunde, Rüdiger, rein zufällig der Vater des Regisseurs ist, wirkt befremdend bis peinlich.
In Düsseldorf gibt es dann immerhin "echte" Kunden, die sich auch an den Schneider erinnern - und die mit ihm Erfahrungen über Bypass-Operationen austauschen (mit "Narben zeigen" …). Immerhin erfährt man auf diesem Weg einiges über Issars bewegtes Leben. In Finnland tanzt Issar mit Putzfrauen auf einem Hotelflur. Man erfährt zwar am Rande, daß es hier offensichtlich der letzte Schrei ist, im Fernsehen Bollywood-Tanzkurse zu verfolgen, aber die Version dieses Films von den bunten, sorgfältig choreographierten Bollywood-Filmen ist erneut so, als drehe ein 15jähriger mit seiner Videokamera für den Kunstunterricht eine Kurzversion von
Mission: Impossible. Man nimmt den Enthusiasmus zur Kenntnis, aber nicht viel mehr. Im kleinen Ort Jyaskyläi trifft Issarnun Herli wieder, die er zuletzt vor 30 jahren sah, und deren Photo in seiner Werkstatt in Bangkok stand. Herli klärt uns und Issar darüber auf, daß sie zwar seinerzeit schon gerne mit ihm "zusammen gekommen" wäre (ein bißchen Ambiguität kann nie schaden), aber schon damals das Gefühl hatte, Issar würde nur in seinen Träumen leben. Dafür ist der Film natürlich ein guter Beweis. Die Vorstellung von Herlis Gatten ist für Issar ein kleiner Schock, er fängt sich aber schnell und flüchtet wieder in Gesangsdarbietungen. "Dressmaker, dressmaker, can you make a woman fall in love?"
Quasi als Höhepunkt des Films wird dann in der Schweiz eine Szene gedreht, die einer immer wieder (also zu oft) im Film gezeigten Szene aus Issars Lieblingsfilm nachempfunden ist. Zurück in Bangkok führt Issar dann seinen Freunden "seine" DVD vor …
Spielfilmelemente werden ja heutzutage immer mehr mit dokumentarischen Szenen gemischt (
The Road to Guantanamo, JFK), doch bei den
Tailor Made Dreams ist es vor allem auffällig, daß ein maßgeschneiderter Film nicht jedem Zuschauer "passen" kann, und gerade, wenn man sich ein wenig für Bollywood interessiert, wäre wahrscheinlich ein fünfzehnminütiges Interview mit einem von Issars Helden interessanter als die angeblich realisierten Träume eines alten Herren, der manchmal fast so peinlich wirkt wie sein Regisseur.
Es begab sich aber zu der Zeit …
(Catherine Hardwicke)
Originaltitel: The Nativity Story, USA 2006, Buch: Mike Rich, Kamera: Elliot Davis, Schnitt: Robert K. Lambert, Stuart Levy, Kostüme: Maurizio Millenotti, Musik: Mychael Danna, mit Keisha Castle-Hughes (Maria), Oscar Isaac (Joseph), Hiam Abbass (Anna, Marias Mutter), Shaun Toub (Joachim, Marias Vater), Ciarán Hinds (König Herodes), Shohreh Aghdashloo (Elizabeth), Nadim Sawalha (Melchior), Eriq Ebouaney (Balthasar), Stefan Kalipha (Kaspar), Alexander Siddig (Erzengel Gabriel), Stanley Townsend (Zacharias), 90 Min., Kinostart: 7. Dezember 2006 Wer hätte gedacht, daß man das "New Line Cinema"-Logo mal zu kirchlichem Glockengeläut sehen würde? Nachdem Mel Gibsons
The Passion of the Christ zum Riesenkassenabräumer wurde, war es ein
No-Brainer, auch die Weihnachts-geschichte, also sozusagen die
Origin Story von Herrn Christus, neu zu verfilmen. Als Regisseur konnte man Catherine Hardwicke (
Thirteen, Lords of Dogtown) gewinnen, und mein Fazit zum Film lautet kurz und knapp: Nicht ganz so langweilig wie ein Nachmittag vor der Bescherung in der Kirche.
Der Film, der sich klar an ein Familienpublikum wendet (obwohl es eher unwahrscheinlich ist, daß der weihnachtliche Kirchenbesuch jetzt ins Kino ausgelagert wird), hat immerhin schon mal die interessante Story-Vorgabe, eine Liebesgeschichte ganz kindgerecht ohne den Sexaspekt erzählen zu dürfen (Händchen halten ist hier klar der Extremfall körperlicher Zuneigung). Gleich zu Beginn gibt es zwar schon das heitere Kinderschlachten (im Off), das "zu jener Zeit" bekanntlich der um seinen Status besorgte Regierungschef anordnete, doch im Gegensatz zu den meisten Kurzfassungen der Geschichte, wo die "Volkszählung" und das Reisen der Familienoberhäupter an ihren Geburtsort sicherlich nicht zu den Details gehörte, die ein sechsjähriger auf Anhieb nachvollziehen kann, wird hier die Geschichte durch den Einsatz des "traditionellen" Film-Bösewicht Herodes, der auch schön schmierig-hinterlistig wirkt, visuell leicht verständlich umgesetzt. Weil ein neuer Prachtpalast erbaut werden soll, erinnert ihn ein Berater, daß zur Akquise derart großer Goldbestände wohl die Steuern erhöht werden müssen - "Deshalb habe ich ja auch so viele treue Bürger." Wenn man es nicht anders wüsste, könnte man den Film teilweise für eine Politsatire halten.
Ungeachtet der Spezialeffekte beim Kurzauftritt von Alexander Siddig wirkt der Film aber zu altbacken, um wirklich zu interessieren. Die heiligen drei Könige kriegen einen
comic relief-Subplot, nebenbei erfährt man auch von der Geburt des Täufers Johannes (und seiner Beschneidung, die womöglich für manche Zuschauerschichten von Bedeutung sein mag), und für weniger religiöse Kinobesucher ist das interessanteste Detail das soziale Problem Marias mit der unbefleckten Empfängnis, die ja nicht jeder auf Anhieb glauben muß (die 16jährige aus
Whale Rider bekannte Darstellerin soll inzwischen übrigens auch schwanger sein). Doch wirklich betont wird das Ganze (auch in Hinsicht auf das teilweise kindliche Publikum, dem man die Problematik als Begleitperson womöglich erklären müsste) jedoch nicht.
Spätestens bei dem zunächst noch astrologisch erklärten Stern, der dann die Krippe wie ein Flutlichtstrahler bescheint, und dem Einsatz bekannter Weihnachtslieder wie
Stille Nacht, Heilige Nacht und
Es ist ein Ros entsprungen (in der lateinischen Version) übersüßt dann aber der Kitschfaktor den Streifen, der zumindest in den Augen eines Ungläubigen, der froh ist, nicht mehr jedes Jahr zu Weihnachten in die Kirche zu müssen (ein Kindheitstrauma), absolut überflüssig ist.
Shinobi
(Ten Shimoyama)
Japan 2005, Buch: Kenya Hirata, lit. Vorlage: Futaro Yamada, Kamera: Shinji Chikamori, Schnitt: Isao Kawase, Musik: Taro Iwashiro, mit Yukie Nakama (Oboro Iga), Joe Odagiri (Gennosuke Kouga), Taku Sakaguchi (Yashamaru Iga), Kippei Shiina (Yakushiji Tenzen), Erika Sawajiri (Hotaru-Bi), Takeshi Masu (Hyoma), Tomoka Kuratani (Kagero), Mitsuko Koga (Koshiro), Kinoshita Houka (Saemon), Minori Terada (Danjo), Shun Ito (Mino Nenki), Lily (O-Gen), Kazuo Kitamura (Shogun Ieyasu), Renji Ishibashi (Tenkai), Toshiya Nagasawa (Yagyu), 107 Min., Kinostart: 14. Dezember Wer sich fragt, was schlimmer ist, die Flut von Comic- und Videospiel-Verfilmungen oder der Tsunami der asiatischen
Martial-Arts-Filme, für den bildet
Shinobi die Verbindung dieser beiden potentiell verheerenden Subgenres. Eine quasi-klassische Novelle, die bereits in einer ganzen Reihe von Videospielen, mangas und Animes zu Geld gemacht wurde, wird nun als Realfilm noch ein letztes Mal ausgequetscht. Wer nun aber glaubt, daß das Material bei sovielen Inkarnationen ja nun auch eine gewisse Qualität bewiesen haben muß, hat sich wahrscheinlich zuviel respektierliche Hochachtung vor den asiatischen Sichtweisen bewahrt, denn
Shinobi wirkt vor allem wie ein wild zusammengewürfeltes Konglomerat westlicher Ideen. Im Jahre 1614, also knapp zwei Jahrzehnte, nachdem Shakespeare
Romeo & Juliet auf die Bühne gebracht hatte, verlieben sich zwei Abkömmlinge seit Jahrhunderten verfeindeter Clans der Shinobi ineinander, einer Art
Martial-Arts-Mutanten, die in nicht geringer Weise an Comic-Figuren wie Spider-Man (mit Haaren statt Netz), Wolverine (noch eine Spur animalischer) oder Poison Ivy (ohne den ökologischen Anstrich, dafür mit Giftatem) erinnern. Auf Wunsch des Shogun, der die beiden Familiengeschlechter ausmerzen will (seine Rechtfertigung des Genozids: "Solche Menschen haben in einer Welt des Friedens keine Zukunft"), sollen je fünf der besten Krieger (und Kriegerinnen, man war ja damals in Japan schon gleichberechtigt …) gegeneinander antreten. Wenig überraschend sollen die zwei Gruppen von unseren zwei Turteltauben Oboro (Yukie Nakama, Augen, die einen die Blutgefässe platzen lassen) und Gennosuke (Joe Odagiri, Kampfkünste in Flash-Geschwindigkeit) angeführt werden, die eigentlich lieber Liebe machen würden, nicht Krieg.
Nach und nach werden die zehn Krieger dezimiert (zumindest wenn aus zehn neun werden, passt dieses Wort sogar in seiner ursprünglichen Bedeutung), und an irgendeinem Punkt sind noch vier übrig, völlig überraschend darunter unsere zwei Turteltauben, sowie ferner ein schier unsterblicher Kerl namens Tenzen und Kagero, die grellgeschminkte Schönheit mit dem Giftatem, die sich bitter darüber beschwert, daß sie noch nie darüber hinausgekommen sei, einen Mann mehr als nur zu küssen. Zu diesem Zeitpunkt breche ich die Nacherzählung ab, denn es gibt immerhin noch einige denkbare Ausgänge der Geschichte, die allesamt mehr überzeugen als der Weg, den der Film einzuschlagen pflegt.
Wer sich nicht an verhuschten Kampfszenen, hochpolierten Hintergründen und CGI-Effekten auf Videospiel-Niveau stört und ohne Rücksicht auf Verluste an die Macht der Liebe glaubt, könnte, wenn er nach den ganzen
Tiger & Dragon-Filmen nicht längst genug von fliegenden Asiaten und wirbelnden Pfeilen hat, sogar halbwegs unterhalten werden, immerhin besitzt der Film eine Art unfreiwilligen Humor, wenn etwa immer wieder der CGI-Bussard Hajate wie vor die Kamera gezäumt mit lautem Kreischen durchs Bild huscht, und zumindest ich mich an das adrenalinanregende Vorbeisausen des
Millenium Falcon in meiner Jugend erinnert fühlte. Um dem "
X-Men meets
Star Wars"-Tenor noch auszuweiten, hat man bei der deutschen Synchronisation sogar noch die Stimmen von Picard und Riker eingebaut. Besser als Chen Kaiges
Wuji, der die Niveau-Latte der
Martial-Arts-Filme in diesem Jahr fast eingebuddelt hat, ist
Shinobi zwar noch mit Leichtigkeit, doch in gesättigten Zeiten wie diesen haben solche halbherzig heruntergedrehten Filme einfach keine Zukunft mehr, also bitte mit Nichtbeachtung strafen.
Black Christmas
(Glen Morgan)
Kanada / USA 2006, Buch: Glen Morgan, Kamera: Robert MacLachlan, Schnitt: Chris Willingham, Musik: Shirley Walker, Production Design: Mark Freeborn, mit Katie Cassidy (Kelli), Mary Elizabeth Winstead (Heather), Lacey Chabert (Dana), Michelle Trachtenberg (Melissa), Oliver Hudson (Kyle), Andrea Martin (Ms. Mac), Chrystal Lowe (Lauren), Kristen Cloke (Leigh), Jessica Harmon (Megan), Leela Savasta (Clair), Kathleen Kole (Eve), Robert Mann (William Edward Lenz), Karin Konoval (Billys Mutter), Peter Wilds (Billys Vater), Howard Siegel (Stiefvater), Cainan Wiebe (junger Billy), Christina Crivici (junge Agnes), Dean Friss (Agnes), 90 Min., Kinostart: 21. Dezember 2006 Glen Morgan und James Wong sind ein eingespieltes Team. Schon bei den
X-Files und deren
Spin-Off namens
Millenium arbeiteten sie zusammen (auch wenn ich persönlich Glens Bruder Darin Morgan als den interessanteren Autoren und Regisseuren einordnen würde), und mit
Final Destination schufen sie eine der erfolgreichsten Horrorfilm-Serien der letzten Jahre. Beim Originalfilm und dem dritten “Teil” schrieben sie jeweils das Buch gemeinsam, James Wong führte hier auch jeweils Regie, bei allen drei Filmen gehörten sie zu den Produzenten. Und wer sich die Mühe gibt, die Stabangaben von
Final Destination 3 (dem klar schwächsten Film der Reihe) mit denen von
Black Christmas zu vergleichen, wird feststellen, daß Kamera, Schnitt, Musik, Production Design und mindestens zwei Darsteller in beiden Filmen identisch sind. (Eine weitere Darstellerin ist aus
FD1 übernommen). Das erinnert ein bißchen an die alten Zeiten, wenn Roger Corman an einigen übrig gebliebenen Drehtagen schnell noch einen Film wie
The Raven oder
Little Shop of Horrors “drauflegte”.
Black Christmas ist wie viele aktuelle Horror-Filme der brutaleren Art (
Texas Chainsaw Massacre, Dawn of the Dead, The Hills have Eyes) ein Remake. Auch ohne Kenntnis des Originalfilms erkennt man einige typische Elemente diverser früher Teen-Slasher-Filme wieder: Etwa die Rückkehr des Täters, der schon zur Jugendzeit mordete, aus der Klapse. Und das natürlich am Tag der ursprünglichen Tat. Das erinnert an all die kalendarisch festgelegten Filme um Halloween, den Valentinstag (
My Bloody Valentine),
Freitag, den 13. oder die “
Prom Night”.
Das “Lexikon des internationalen Films” fasst den in Deutschland als
Jessy - Die Treppe in den Tod gelaufenen Originalfilm wie folgt zusammen:
“Sexualneurotiker belästigt ein Mädchenwohnheim mit obszönen Anrufen und ermordet einige der Bewohnerinnen. Auf den makabren Schlußgag hin inszenierter Psychoschocker; Durch Ungereimtheiten und Manierismen nur mäßig spannend.”
Einen “makabren Schlußgag” gibt es diesmal nicht (und wenn, dann habe ich ihn verpasst), bereits zu Beginn des Films wird recht deutlich gemacht, daß es zwei Täter gibt, die aber ähnlich vorgehen und bevorzugt mit spitzen Gegenständen in den Kopf stechen oder eine Mülltüte über selbigen ziehen und dann die Augen entfernen. Trotz einiger Variationen wirkt dies schnell recht ermüdend. Das erstaunlichste an dem Film ist, daß die Spezialeffekte sehr “zurückgenommen” erscheinen (“subtil” wäre hier nicht das richtige Wort), und es beispielsweise mehrfach einfach eine Rutsche Filmblut gibt, die auf Stiefel oder an eine Windschutzscheibe klatscht. Das ist zumindest nicht das, was ich von so einem Film erwarte. Rausgepflückte Augen, die verspeist werden oder als Christbaumdekoration herhalten müssen - das wirkt wie vieles in diesem Film sehr “verstaubt”. Gäbe es keine Handys und ein oder zwei CGI-Effekte, würde ich den Film sofort als aus den 1970ern oder 80ern einstufen, und so leid es mir tut, das soll beileibe kein Lob sein.
Neben den von der Presseagentur geschickt gewählten Leckerlis (Schaumstoff-Augen und Zuckerstangen) zur Vorführung war für mich als Trekkie das einzig interessante an dem Film der Auftritt von Andrea Martin als “Hausmutter” des Studentenwohnheims “Delta Alpha Kappa”. Ich kenne Andrea Martin vor allem als Quarks Mutter Ishka in den frühen Staffeln von
DS9 (aus irgendwelchen Gründen wurde sie später ausgetauscht), im Zusammenhang mit Recherchen zum Original fand ich aber auch heraus, daß sie bereits 1974 bei der
Black Christmas mitwirkte, damals wahrscheinlich noch als junges Ding. Inwiefern dies ein Kommentar zum Originalfilm oder eine Reminiszenz an
Final Destination ist, mag ich nicht festlegen, aber Andrea Martin ist im Film übrigens die einzige Person, die mehr oder weniger “zufällig” stirbt.
Leider lässt
Black Christmas eine Spannungskurve, Charakterisierungen, erwähnenswerte Dialoge oder überzeugende Darstellerleistungen und all das, was einen guten Film auszeichnen könnte, völlig vermissen. Stattdessen ca. alle zehn Minuten einen Mord, ein paar spärlich ausgeleuchtete Brüste (die obligatorische Duschszene mit Beobachter aus logisch fragwürdiger Position), unzählige Unflätigkeiten, die immer wieder in Richtung “Fuck Christmas” oder “Fuck Santa Claus” gehen, und ein Soundtrack zum aus dem Kino laufen. Wobei selbst noch die Dauerbeschallung mit Tschaikowsky (seltsamerweise geben die klingelnden Handys der weihnachtsmüden Studentinnen bevorzugt entweder die
Nussknacker-Suite oder
Jingle Bells zum Besten) sehr schnell zum müden
running gag wird.
Daß der Film neben einem wegen einer Lebererkrankung mit “gelber Hautfarbe” beschiedenen Freak-Täter 1 auch noch als Freak-Täter 2 eine von einem Mann gespielte Frau (etwa so überzeugend wie John Lithgow) einführt, die aus einer Inszestbeziehung stammt (deshalb wohl besonders stark und hässlich), macht das Ganze auch nicht besser. Hätte es nicht zu Beginn des Jahres
The Dark gegeben, wäre dies wohl der schlechteste Horrorfilm des Jahres, aber mit
An American Haunting kommt Anfang des nächsten Jahres schon wieder ein noch schlechterer. Schade, Horrorfilme können auch besser sein als ihr Ruf …
Coming soon in Cinemania 38 (Kinostart Januar 2007):Rezensionen zu aktuellen Kinostarts wie:
Der Fluch der Betsy Bell - An American Haunting, Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler, One Way, Das Spiel der Macht, Das Streben nach Glück und anderen, zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststehenden Filmen …