Yella
(R: Christian Petzold)
Deutschland 2007, Buch: Christian Petzold, Kamera: Hans Fromm, Schnitt: Bettina Böhler, Production Design: Kade Gruber, mit Nina Hoss (Yella), Devid Striesow (Philipp), Hinnerk Schönemann (Ben), Christian Redl (Yellas Vater), Burghart Klaußner (Dr. Gunthen), Barbara Auer (Barbara Gunthen), Selin Barbara Petzold (Dr. Gunthens Tochter), Wanja Mues (Sprenger), Michael Wittenborn (Schmidt-Ott), Martin Brambach (Dr. Fritz), Joachim Mimtz (Prietzel), 89 Min., Kinostart: 13. September 2007
Beim dritten Film seiner “Geister-Trilogie” hat Christian Petzold das Liebäugeln mit Frankreich (Gespenster) glücklicherweise wieder hinter sich gelassen, und erzählt wie schon in Wolfsburg eine Geschichte, in der Städte wie Wittenberge oder Hannover fast mit zu den Hauptfiguren gehören. Die zum dritten Mal mit Petzold zusammenarbeitende (und für ihre Rolle auf der Berlinale ausgezeichnete) Nina Hoss spielt hier eine junge Frau, die ein neues Leben beginnen will, dafür Elternhaus und Exfreund in Wittenberge hinter sich lassen will, jedoch nur mit Schwierigkeiten nach Westdeutschland “fliehen” kann. Am interessantesten ist hierbei die zunächst streng berufliche, aber jederzeit mysteriöse und von sexuellen Konnotationen (Bezahlung wie bei einer Prostituierten) begleitete Beziehung zu Philipp (Devid Striesow), einer Art Platzhalter für Licht und Schatten des Kapitalismus und klarer Gegenentwurf zum Exfreund Ben, den Hinnerk Schönemann mit einer bemerkenswerten Kombination von Hilflosigkeit und Gefährlichkeit porträtiert.
Doch über jenen Teil des Films, der jenseits der Elbe spielt, will ich eigentlich nicht zuviel verraten, denn Yella funktioniert wie alle Filme Petzolds eigentlich am besten, wenn man nicht schon zuviel vorher weiß und die kleinen Details ganz auf sich einwirken lassen kann. Fast jedes der kleinen Details unterstützt auch die Handlung, und angeregt durch den seltsamen Frauennamen Yella achtete ich schon früh auf die Farbdramaturgie und insbesondere die Farbe Gelb. Yella selbst trägt bevorzugt Rot (auch der Filmtitel ist in Rot) und lange Zeit scheint es so, als hätte man Gelbtöne komplett ausgespart. Doch dann gibt es beim letzten Frühstück mit dem Vater Orangen und später einen Briefkasten, und darüber lässt sich bereits bestens eine “Heimweh-Funktion” der Farbe Gelb zusammenbasteln.
Solche kleinen Details sind es, die aus Yella einen wirklich großen Film machen. Wenn im Zug mal mysteriös ein Vorhang weht oder man Übereinstimmungen zwischen Hannover und Dessau entdeckt, begreift man, wie geschickt der Film als Mosaik, als Puzzle zusammengesetzt ist. Daß Yellas Geschichte und die Dreiecksbeziehung mit den sehr unterschiedlichen Männern eigentlich schon eine befriedigende Filmhandlung abgegeben hätten, reicht Petzold nicht aus, neben einem nicht völlig neuen Erzählkniff entwirft er über chromblitzende Hotelflure und eine mit überraschenden Geräuschen (glucksendes Wasser, Flugzeuge) an David Lynch erinnernde Tonspur eine eigene Welt, die weit über den offensichtlichen Ost-West-Kontrast wie eine seltsame Spiegelwelt erscheint. Yella im Wunderland des Kapitalismus? Mit seltsamen Spielregeln wie “Wenn ich den Broker mache, beugen sie sich rüber und flüstern mir was ins Ohr”? Wie Milchwald oder Hotel (oder nicht wenige Filme von Lynch) funktioniert Yella auch als dunkles Märchen (Westdeutschland als Schlaraffenland oder Knusperhäuschen?), mit Krähen, düsteren Wäldern oder einem Hotelzimmer, bei dem man fragen möchte “Wer hat in meinem Bettchen geschlafen?” Da Petzold oft mehr Fragen stellt als er beantwortet, sind selbst noch seine misslungenen Filme (Gespenster) immerhin interessant. Mit Yella findet er wieder zur alten Form zurück und ist momentan wohl der beste deutsche Regisseur.