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2. September 2008
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Wanted (R: Timur Bekmambetov)
Wanted (R: Timur Bekmambetov)
Wanted (R: Timur Bekmambetov)
Bilder © UPI
Wanted (R: Timur Bekmambetov)
Wanted (R: Timur Bekmambetov)
Wanted (R: Timur Bekmambetov)

Wanted
(R: Timur Bekmambetov)

USA / Deutschland 2008, Buch: Michael Brandt, Derek Haas, Chris Morgan, Comic-Vorlage: Mark Millar, J. G. Jones, Kamera: Mitchell Amundsen, Schnitt: David Brenner, Musik: Danny Elfman, Production Design: John Myhre, Supervising Art Director: Tomas Voth, mit James McAvoy (Wesley Allan Gibson), Morgan Freeman (Sloan), Angelina Jolie (Fox), Terence Stamp (Pekwarsky), Thomas Kretschmann (Cross), Common (Gunsmith), Kristen Hager (Cathy), Marc Warren (The Repairman), David O'Hara (Mr. X), Konstantin Khabensky (The Exterminator), Dato Bakhtadze (The Butcher), Chris Pratt (Barry), Lorna Scott (Janice), Sophiya Haque (Puja), Brad Calcaterra (Assassin Max Petridge), Brian Caspe (Pharmacist), Scarlett Sperduto (Young Fox), 110 Min., Kinostart: 4. September 2008

Und noch eine Comic-Verfilmung. Aber die wahrscheinlich erste, bei der die Kostüme der Superhelden (bzw. vor allem Superschurken) rausgekürzt wurden, zusammen mit den meisten Superkräften. Wanted, der Film (und den Comic habe ich mir erst danach durchgelesen), klaut ein wenig von The Matrix (langweiliger Typ wird in kürzester Zeit zum Superkrieger trainiert, der die Welt retten soll, außerdem jede Menge Bullet Time), vermischt das mit Dead like Me (vom Schicksal beauftragte Gruppe befördert Auserwählte ins Jenseits), und bastelt dann noch die Szene aus der Coke Zero-Werbung rein, wo man die Ex-Freundin mit der neuen scharfen Braut ärgert (hier Angelina Jolie, die sich ganz auf das konzentriert, was sie kann: gut aussehen und wenig reden).

Timur Bekmambetov, dessen Night Watch so revolutionär und seltsam war, dass ich Day Watch nicht mehr schauen wollte, kreiert hier den potentiellen Nachfolger von The Matrix, doch auch, wenn der Film so unterhaltsam wie spannend ist, und einige wirklich beeindruckende Szenen bietet, so wirken einige “Überraschungen” der Handlung im Nachhinein doch reichlich konstruiert (der Beginn des Films wird am Ende überhaupt nicht erklärt), die Figuren sind allesamt sehr oberflächlich (Angelina Jolies Rolle wurde schon beschrieben, Morgan Freeman spielt mal wieder den betont langsam sprechenden Aushilfsgott), und die der Comic-Vorlage entnommene “moralische Ambiguität” (um es mal nett auszudrücken) wirkt ohne den dort vorhandenen Kontext (im Comic geht es um Superschurken, die die gesammelten Superhelden getötet haben und nun unterschiedliche Auffassungen haben, wie sie ihr Leben gestalten sollen) extrem verstörend. Wer mal die Fernsehserie Dead like Me gesehen hat, erinnert sich daran, dass die “Neue” unter den Sensenmännern zunächst ein Problem damit hat, unbescholtene Bürger von ihren Seelen zu befreien (keine eigentliche Tötung), nur weil auf mysteriösen Pfaden deren Namen auf einem Zettel endeten, später aber aufgrund der in zwei oder drei Folgen beschriebenen Folgen bei Unterlassung doch eines anderen bekehrt wird. In Wanted (nur im Film, im Comic gibt es solche moralischen Dilemma kaum) soll jemand Leute (in allen Fällen nicht eben sympathisch wirkende erfolgreiche Geschäftsmänner) ohne ersichtlichen Grund erschießen, weigert sich beim ersten Auftrag, bekommt dann eine Geschichte von einem nicht erledigten Opfer und seinen folgenden Missetaten aufgetischt, killt dann ohne weitere Gewissensbisse und grinst sich einen ins Fäustchen nach jedem Mord. Nicht unbedingt das, was ich eine Identifikationsperson nennen würde.

Die einzige rudimentäre Superkraft, die man aus dem Comic übernommen hat, ist die vererbbare Fähigkeit innerhalb der seit 1000 Jahren bestehenden Fraternity, den Herzschlag auf 400 Schläge pro Minute zu erhöhen, und dadurch etwa Fliegen die Flügel abschießen zu können oder Autos durch die Luft wirbeln zu lassen, als sei man Evel Knievels Fahrlehrer. Außerdem kann man mit ein bißchen Übung Revolverkugeln um die Ecke fliegen lassen, diese Fähigkeiten scheint aber nahezu jedes Mitglied der Fraternity zu beherrschen, weshalb sich beim Duell mit Abtrünnigen daraus nicht wirklich ein Vorteil erzielen lässt.

Erstaunlich (und eindeutig positiv) ist es, dass der Film einige Szenen hat, die man sich sehr gut als Comic vorstellen kann (die Szene mit dem Keyboard, die Schlusssequenz mit dem Voice-Over), die aber allesamt im Comic gar nicht vorkommen. Und jene Momente, die das Herz des Comic-Nerds verzücken, nämlich die geringfügig veränderten Supergegner von Batman und Superman (aus Clayface wird Shitface, aus Bizarro ein minderbemittelter Muskelprotz namens Fuckwit, Mr. Mxyzpltk heißt hier The Imp und Poison Ivy wenig subtil Deadly Nightshade), sind aus nachvollziehbaren Gründen komplett aus dem Film verschwunden. So würde man etwa anhand von Angelina Jolies Rolle als Fox kaum auf die Idee kommen, dass ihre Comic-Vorlage nicht wenig an Halle Berrys Version von Catwoman erinnert.

Doch ungeachtet der bereits erwähnten Schwächen des Films holt man hier aus der Vorlage heraus, was herauszuholen ist, um in einem anderen Medium mit anderen Regeln und anderen Vorbildern bestehen zu können. Der eine Moment aus dem Comic, der quasi 1:1 übernommen wurde, ist der Schlussgag, der aber meines Erachtens niemals die Bedeutung hatte, der ihm beispielsweise im Wikipedia-Beitrag zum Comic beigemessen wird.

Comic-Autor Mark Millar (der übrigens zusammen mit seinem Zeichner Jones auch Co-Produzent des Films war) hatte damals seinen Spaß und vermengte ein paar gute Ideen mit einigen weniger guten. Für den Film hat man ein paar von den guten und ein paar von den schlechten Ideen weggelassen, und dafür einige neue Ideen gehabt. Einige sehr gut, andere hingegen eher schwach. Aber dennoch eine Comic-Verfilmung, die ihre Existenz verdient hat, weil sie sich von der Vorlage befreit - und ein Paradebeispiel dafür ist, dass Comicverfilmungen längst nicht immer was mit Superhelden zu tun haben müssen. Man kann diese Aspekte sogar rauskürzen, und der daraus resultierende Film ist sicherlich besser, als wenn man sich sklavisch an die Vorlage gehalten hätte.