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Bilder © 2008 Warner Bros. Ent.
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RocknRolla
(R: Guy Ritchie)
UK 2008, Buch: Guy Ritchie, Kamera: David Higgs, Schnitt: James Herbert, Musik: Steve Isles, mit Gerard Butler (One Two), Tom Wilkinson (Lenny Cole), Thandie Newton (Stella), Mark Strong (Archie), Idris Elba (Mumbles), Tom Hardy (Handsome Bob), Karel Roden (Uri Omovich), Toby Kebbell (Johnny Quid), Jeremy Piven (Roman), Chris "Ludacris" Bridges (Mickey), Jimi Mistry (Councillor), Matt King (Cookie), Geoff Bell (Fred the Head), Dragan Micanovic (Victor), Michael Ryan (Pete), Nonso Anozie (Tank), Gemma Arterton (June), David Bark Jones (Bertie), David Leon (Malcolm), 114 Min., Kinostart: 19. März 2009
Nach Lock, Stock and two Smoking Barrels (1998, dt. Titel: Bube, Dame, König, Gras) und Snatch (2000) wurde Guy Ritchie als sowas wie "der britische Tarantino" gefeiert, nur um dann mit seiner verfilmten Hochzeitreise Swept Away (2002) ganz tief zu fallen und offenbar auch die folgenden drei Jahre hauptberuflich damit beschäftigt zu sein, seine Ehe mit Madonna zu retten zu versuchen - vergeblich, wie inzwischen bekannt ist. Sein Revolver von 2005 war hierzulande nur auf DVD erhältlich, doch nun soll angeblich sein ganz großes Comeback kommen.
Auch bei RocknRolla hält er sich ganz an seine lange Zeit gepflegten Manierismen und ist sich nicht zu schade, Tarantino insofern nachzueifern, dass ähnlich wie beim gülden glänzenden Inhalt eines Aktenkoffers in Pulp Fiction hier immer wieder ein Gemälde wie eine Mauerschau inszeniert wird ("Uri's lucky picture - it has depth"), das der Zuschauer aber nicht zu sehen bekommt.
Überhaupt bekommt man den Eindruck, dass Ritchie die gute alte Ellipse für sich persönlich neu entdeckt hat - womöglich inspiriert von No Country for Old Men gibt es hier einige potentiell actiongeladene Situationen (inklusive eines lehrbuchmäßigen Mexican Standoffs), bei denen sich der Film dann unterschiedlich galant einfach zurückzieht. Dummerweise überzeugen diese Passagen aber eher weniger, weil man als Zuschauer eher den Eindruck bekommt, Ritchie umgeht hier Probleme der Inszenierung oder des Budgets (oder hat einen Handlungsstrang schlichtweg vergessen), als dass er das filmische Stilmittel für einen nachvollziehbaren Effekt einsetzt - abgesehen von dem Effekt der "Überrumpelung".
Denn auch ansonsten arbeitet Ritchie mit seinen üblichen Mitteln wie Zeitlupe, schnelle Schnitte, ausgedehnte Parallelmontagen oder Freezeframes, um den Zuschauer in einem Dauerbeschuss mit Informationen zu belassen. Doch der Film bietet keine Figuren, die von Interesse sind. Man weiß eigentlich von Anfang an, welche Figuren besonders niederträchtig sind (beißen fast ausnahmslos ins Gras), und alle anderen gehen halbwegs unbeschadet durch diverse Verfolgungsjagden, Schießereien und ähnliches, wodurch sich schnell eine gewisse Langeweile breitmacht, die bei der Nachspann-Bekanntmachung "Johnny, Archie and the Wild Bunch will return in The Real RocknRolla" sozusagen einen Superlativ aufgedrückt bekommt.
Einige gelungene Einfälle wie die vielleicht schnellste Sexszene der Filmgeschichte (meine Mitschrift dazu während des Films: "It's me - I want you - fast-cutting Gestöhne - Reißverschluss zu") gehen im austauschbaren Handlungsstakkato unter, in der Erinnerung bleiben eher negative Eindrücke wie eine seltsame Art von Homophobie und vermeintliche markige Sprüche, die schnell hilflos und lächerlich wirken ("Whisky is the new wodka." - "There's no school like old school, and I'm the fucking 'eadmaster." - "The streets are alive with the sounds of pain" - "Beauty is a cruel mistress, is it not?").
Symptomatisch für das Versagen des Films ist beispielsweise die stilistische Entscheidung, einige Elemente aus Comics zu übernehmen. Der Vorspann stellt die Figuren als Zeichnungen vor (vgl. Sin City), und später gibt es eine Szene, bei der Ritchie den bei Danny Boyle noch immens genial wirkenden Trick aus Trainspotting nachahmt und Dialoge in einer Disco wie Untertitel einbaut. Nur sind die Dialoge (die man ohne Probleme auch so verstehen kann) hier ins Bild eingebaut wie Sprechblasen. Irgendwie ganz interessant, aber ohne den geringsten Tiefgang. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass Ritchie sämtliche Ideen, die er irgendwo geklaut hatte oder auch mal zur Abwechslung selber hatte, unbedingt einbauen musste. Doch den guten Regisseur zeichnet es aus, dass er die guten von den weniger guten Ideen unterscheiden kann, und zugunsten des Films auch mal einen Gang herunterschaltet. Ob wir das bei Ritchie noch erleben werden, wage ich zu bezweifeln.
Wer Ritchie und sein Inszenierungsprinzip unbedingt verteidigen will, kann übrigens die einführenden Worte des Films, die auch den Titel erklären, einbringen:
"People ask the question ... what's a RocknRolla? And I tell 'em - it's not about
drums, drugs, and hospital drips, oh no. There's more there than that, my friend.
We all like a bit of the good life - some the money, some the drugs, other the
sex game, the glamour, or the fame. But a RocknRolla, oh, he's different.
Why? Because a real RocknRolla wants the fucking lot."