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Bilder: Senator Filmverleih
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Crossing Over
(R: Wayne Kramer)
USA 2009, Buch: Wayne Kramer, Kamera: James Whitaker, Schnitt: Arthur Coburn, Musik: Mark Isham, mit Harrison Ford (Max Brogan), Cliff Curtis (Hamid Baraheri), Melody Khazae (Zahra Baraheri), Summer Bishil (Taslima Jahangir), Alice Eve (Claire Shepard), Ray Liotta (Cole Frankel), Ashley Judd (Denise Frankel), Jim Sturgess (Gavin Kossef), Alice Braga (Mireya Sanchez), Rey Valentin (Javier Pedraza), Jacqueline Obradors (Special Agent Phadkar), Justin Chon (Yong Kim), Merik Tadros (Farid Baraheri), Marshall Manesh (Sanjar Baraheri), Nina Nayebi (Minoo Baraheri), Naila Azad (Rokeya Jahangir), Phil Perry (Himself), 113 Min., Kinostart: 25. Juni 2009
Crossing Over erinnert in nicht geringem Maße an Paul Haggis’ Crash (dt. Titel: LA Crash), und zur Verteidigung des Autors und Regisseurs Wayne Kramer (The Cooler, Running Scared) kann man immerhin einbringen, dass dieser schon 1996 einen Film mit dem gleichen Titel gedreht hatte. Inwiefern allerdings in den 35 Minuten damals annähernd gleichviele Vignetten Platz fanden, wäre die nächste Gegenfrage. In Crash ging es um diverse in Los Angeles spielende miteinander verwobene Episoden, in denen größtenteils Rassismus und Konflikte zwischen Personen unterschiedlicher Herkunft eine große Rolle spielten. Genauso in Crossing Over, nur dass hier das Thema der Einbürgerung, Ausweisung und zumeist illegaler Zwischenstadien einen zusätzlichen Themenkomplex umschreibt. Und Paul Haggis offensichtlich ein besserer Drehbuchautor ist, während ein entsprechendes Urteil bezüglich der Befähigung als Regisseur nicht so voreilig getroffen werden sollte (auch, weil beide bisher ausschließlich ihre eigenen Stoffe verfilmten - was man Haggis zum Vorteil und Kramer zum Nachteil gereichen könnte).
Wo man auch Haggis den Hang zu Genre-Stoffen ansieht, da hat Kramer zusätzlich eine Vorliebe für Macho-Allüren, und eine Schwäche in der Zeichnung weiblicher Figuren. Das zeigt sich hier beispielsweise im von Ray Liotta gespielten Cole Frankel, einem für die Bewilligung von Green Cards zuständigen Beamten, und der australischen Nachwuchsschauspielerin Claire (Alice Eve), die den Fehler macht, ohne Arbeitserlaubnis in einen Autounfall mit Cole verwickelt zu werden. Und das Ergebnis ist eine Abmachung, mit der verglichen die sprichwörtliche “Besetzungscouch” extrem harmlos erscheint. Dennoch gibt sich der Film bei der Zeichnung von Cole vergleichsweise sehr viel mehr Mühe, während Claire als “Opfer” auch filmisch vor allem ausgebeutet wird. Auch Coles Ehefrau Denise (Ashley Judd), eine der wenigen Figuren, die sich komplett vorbildlich verhält, wird als Innenleben einzig ein Kinderwunsch und ein Gerechtigkeitsinn zugebilligt, selbst bei der Darstellung der zerbrechenden Ehe fängt die Kamera lieber die (natürlich ebenfalls missliche) Lage Coles ein. Auch die weiteren weiblichen Figuren bekommen zu keinem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit, die beispielsweise dem alternden Cop Max (Harrison Ford), seinem Kollegen Hamid (Cliff Curtis) oder dem sich unter dem Deckmantel seiner Religion einen Job erschleichenden (Jim Sturgess) zuerkannt wird. Ihre moralischen Zwickmühlen werden bis ins Detail ausgeleuchtet, während die aus Bangladesh stammende Taslima (Summer Bishil) für ihren Versuch einer freien Meinungsäußerung abgeurteilt wird und danach fast nur noch weinen darf, und die mexikanische Illegale Mireya (Alice Braga) wie die aus einer persischen Familie stammende Zahra (Meloda Khazae) eigentlich nur hübsch aussehen dürfen und für ihre Fehler bestraft werden. Dieses bereits bei Running Scared überdeutliche Problem wird hier durch die komplexen, sich abwechselnden Geschichten etwas kaschiert, verliert aber kaum etwas in Sachen Ärgerlichkeit. Frauen prostituieren sich, sind promisk, vorlaut, unbedacht und nachtragend, wofür sie dann jeweils (auch mal in extremer Form) zurechtgewiesen werden. Oder sie benehmen sich - herrje! - wie Frauen, was man dann immerhin in 50 % der Fälle durchgehen lässt. Männer gehen fremd, rauben, morden, nehmen das Gesetz in die eigene Hand, und wenn sie es zu schlimm treiben, werden sie bestraft - aber eine zweite Chance sollte man ihnen eigentlich immer geben.
Was man dem Film aber zugestehen muss, ist sein Stilwillen - ganz Marke Wayne Kramer - wenn beispielsweise beim vorhersehbaren Finale die Darbietung der amerikanischen Nationalhymne noch schnell mit ein paar Sex & Crime-Flashbacks unterbrochen wird. Wenn das etwas (insbesondere inszenatorisch) Kranke bei Kramer durchscheint (man vergleiche auch die Freddy-Krüger-Passage in Running Scared), ist er eigentlich am Interessantesten. In Crossing Over hingegen wird es insbesondere gegen Ende einfach zu herkömmlich, zu bieder, zu amerikanisch und auf amerikanische Werte pochend.
Laut imdb durfte übrigens auch Kramer Erfahrung damit machen, was Meinungsfreiheit in Amerika bedeutet. Er soll das Recht auf den Final Cut gehabt haben, der bei 140 Minuten gelegen haben soll, doch dann hat ihn Harvey Weinstein informiert, dass der Film in dieser Version nur straight-to-DVD veröffentlicht werden wird, woraufhin Kramer dann mitarbeitete, das Werk auf unter zwei Stunden zurechtzustutzen. Hätte man schon das Drehbuch um einige Seiten gekürzt, hätte dies dem Film, der ein paar zu viele Geschichten zu erzählen versucht, sicher geholfen.