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April 2006
Thomas Vorwerk
für satt.org

Running Scared


Plakat

Buch
und Regie:
Wayne Kramer

Kamera:
James Whitaker

Schnitt:
Arthur Coburn

Musik:
Mark Isham

Szenenbild:
Toby Corbett

Darsteller:
Paul Walker (Joey Gazelle), Cameron Bright (Oleg Yugorsky), Alex Neuberger (Nicky Gazelle), Vera Farmiga (Terese Gazelle), Johnny Messner (Tommy „Tombs“ Perello), Chazz Palminteri (Detective Rydell), Ivana Milicevic (Mila), Idalis de Leon (Divina), Michael Cudlitz (Sal „Gummy Bear“ Franzone), Arthur Nascarella (Perello), John Noble (Ivan Yugorsky), Karel Roden (Anzor „Duke“ Yugorsky), Bruce Altman (Dez), Elizabeth Mitchell (Adele)

122 Min.

Kinostart:
13. April 2006

Running Scared

Running Scared gehört zu jenen Filmen, die man als Kritiker leichterhand verreissen kann, weil es ein Genrefilm mit hohem Body Count ist, bei dem sich unwahrscheinliche Drehbuchvolten die Hand geben. So endet etwa Kollegin Donata Koch-Haag vom Berliner Stadtmagazin „Tip“ ihre Kurzbesprechung mit den Worten:

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
“Zwei Dutzend Leichen für ein Kinderlachen: Spätestens wenn sich die sentimentale Zuckerwatten-Note über den Blutgeruch legt, wird einem speiübel.“

Nun wird es immer Leute geben, denen bei ein bißchen Blut gleich übel wird, die Action und Zynismus (vor allem in dieser Kombination) von vornherein ablehnen, und bei denen die Gefahr, daß sie solch einen Film im Kino sehen, sehr gering ist. Auch ich mag es nicht, wenn in Filmen wie Bad Boys II aus Leichenschändung Kalauer bezogen werden, oder enge Freunde oder Familienmitglieder eines Filmhelden nur deshalb gemeuchelt werden, damit dieser am Ende des Films genüßlich Selbstjustiz zelebrieren darf. Allerdings mag ich aber mitunter auch Genrefilme, die sich mit komischen Gewaltexzessen an Pulp Fiction-Vorlagen orientieren, und es zumindest schaffen, mich über anderthalb bis zwei Stunden zu unterhalten, ohne daß meine nicht völlig auszuschaltenden ethischen Prinzipien den Filmgenuss schmälern. Filme wie Hostel, 11:14, House of Wax oder Kiss Kiss, Bang Bang sind meines Erachtens einfach gute Unterhaltung (im starken Gegensatz zu Bad Boys II, Swordfish, Creep oder Fear Dot Com), und für gute Unterhaltung nehme ich auch Verstümmelungen, ein paar Liter Filmblut, Foltereinlagen oder einen zweistelligen Body Count in Kauf. Ein Film, der einfach nur Unterhaltung liefern will, ist mir allemal lieber als ein auf ästhetisches Brimborium fixiertes „popmodernes Kunstwerk“ von Regisseuren wie Oliver Stone, Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez, die allesamt auch sehr gerne Blut fließen lassen, dabei aber mal kurzfristig die Farbaussteuerung hochziehen, Zeichentrickeinlagen oder grobkörnige Schwarzweiß-Bilder benutzen - und dafür von einem Großteil der Kritiker auf ein Podest gehievt werden. Solang dabei trotz allem gute Unterhaltung herauskommt, lasse ich sie mit hochleben - aber Filme wie Sin City, Kill Bill - Volume II oder Natural Born Killers könnten bei einem gut durchstrukturierten Drehbuch wie dem von Running Scared noch viel lernen …

Der Film beginnt damit, daß seine beiden Hauptdarsteller - der aus Action-Spektakeln wie 2 Fast 2 Furious oder Into the Blue bekannte Paul Walker sowie der vielversprechende 12jährige Cameron Bright (The Butterfly Effect, Birth) - in einen Wagen springen und wie verrückt losrasen - wobei man noch erwähnen sollte, daß der Pullover des Jungen blutverschmiert ist. Man hat sich kaum an diese Situation gewöhnt, als bereits ein Zwischentitel „18 hours earlier“ ein Schnitt-Stakkato folgen lässt und es bei einer illegalen Transaktion (Paul Walker als „Joey Gazelle“ ist natürlich dabei) zu einer Schießerei kommt, bei der bereits das erste halbe Dutzend Gangster sein Ende findet. Doch nein - einige der Erschossenen (ausgerechnet jene, die den gut funktionierenden Deal störten) sind Polizisten, weshalb die Tatwaffen von Joey (dem Spezialist für diese Aufgabe) „entsorgt“ werden sollen - „and don’t fuck it up!“

Natürlich vermasselt Joey es, denn während sein halbwüchsiger Sohn Nicky und der Nachbarsjunge Oleg (Cameron Bright) in Joeys Keller verbotenerweise „Eishockey“ spielen, ruft er nach den Kindern, die sich irgendwo verstecken, und deshalb sehen, wie Joey die Tatwaffen zunächst in einem Verschlag hinter der Kellerwand „zwischenlagert“. Als am Abend Olegs mitunter gewalttätiger Stiefvater angeschossen wird und der Junge nirgends zu finden ist, ist es offensichtlich, daß Joey in den verbleibenden ca. 16 Stunden damit beschäftigt sein wird, Oleg und die Waffe ausfindig zu machen, wobei sich die Frage stellt, wer für ihn am gefährlichsten ist: seine eigenen Italo-Mafiosi, die Russen-Mafia, aus der natürlich auch Olegs Familie stammt - oder die Polizei (inkl. Chazz Palminteri), die auch nicht eben „koscher“ scheint.

Ähnlich wie Denzel Washington in Out of Time muss Joey somit an mehreren Fronten vortäuschen (und auch mal einstecken) und ist zunächst einmal damit beschäftigt, die von Oleg abgefeuerten Kugeln verschwinden zu lassen - was nicht einfacher dadurch wird, daß eine der Kugeln noch im Stiefvater steckt …

Zwischendurch begleiten wir aber auch mal Oleg, auf den der Filmtitel Running Scared besonders gut passt, und der im Verlauf einer Nacht mit so ziemlich jeder Art von „sick, twisted fucks“ Bekanntschaft macht, die man nicht einmal als Erwachsener im Hellen treffen möchte. An einer Stelle wird die Dauerbedrohung Olegs durch einen Freddy Krüger-ähnlichen Schatten sogar noch stilisiert / verstärkt, was die aus Kindersicht noch bedrohlichere Situation betont, aber das ist dann auch schon fast zuviel des Guten - äh, Bösen!

Beim Showdown auf dem Eishockey-Feld geht es mit Regisseur Wayne Kramer ein bisschen durch (war das Schwarzlicht wirklich nötig?), aber auch, wenn im Endeffekt der Body Count auch für meine Verhältnisse zu hoch war, ist der Film zumindest bis zur letzten Minute spannend, und was Kollegin Donata Koch-Haag als (unerträgliche) „Sentimentalität“ kritisiert, ist in meinen Augen nur ein Ende, das dem mehrfach präsenten Märchenstil des Films entspricht. Freddy Krüger ist für heutige Kinder wahrscheinlich auch nur die Modernisierung der Grimmschen Hexen.