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Bilder © Concorde Filmverleih GmbH
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Das Bildnis
des Dorian Gray
(R: Oliver Parker)
Originaltitel: Dorian Gray, UK 2009, Buch: Toby Finlay, Lit. Vorlage: Oscar Wilde, Kamera: Roger Pratt, Schnitt: Guy Bensley, Musik: Charlie Mole, Kostüme: Ruth Myers, Production Design: John Beard, Set Decoration: Niamh Coulter, mit Ben Barnes (Dorian Gray), Colin Firth (Lord Henry Wotton), Rebecca Hall (Emily Wotton), Rachel Hurd-Wood (Sybil Vane), Emilia Fox (Lady Victoria Wotton), Fiona Shaw (Agatha), Ben Chaplin (Basil Hallward), Max Irons (Lucius), Caroline Goodall (Lady Radly), Daniel Newman (Michael Radly), Maryam d’Abo (Gladys), Douglas Henshall (Alan Campbell), Johnny Harris James Vane), Pip Torrens (Victor), Michael Culkin (Lord Radley), David Sterne (Theatre Manager), Jo Woodcock (Celia Radley), Lily Garrett (Young Emily Wotton), 112 Min., Kinostart: 15. April 2010
Keine Rezension dieses Films kann umhin zu erwähnen, dass es sich bereits um die dritte Oscar-Wilde-Verfilmung dieses Regisseurs handelt. Nach An Ideal Husband und The Importance of Being Earnest wagt sich Parker nun an Wildes einzigen Roman, The Picture of Dorian Gray, und gemeinsam mit Drehbuchautor Toby Finlay beschreitet man sowohl ausgetretene Pfade, ringt dem Text aber auch interessante Ansätze ab.
Fast noch stärker als bei Sherlock Holmes oder Alice in Wonderland (immerhin gleich zwei aktuelle kassenstarke Verfilmungen von Büchern aus dem viktorianischen Ära Englands, die sich modernen Sehgewohnheiten unterwerfen) wäre eine möglichst textgetreue Adaption des Romans für das breite Publikum wohl ein Schlag ins Gesicht, und somit wurde aus dem eher handlungsarmen, fast philosophisch angehauchten Diskussionsstoff mal wieder eine ganz dem Genre entsprechender Horrorfilm. Dorian Gray erforscht ohne den Laborkittel des mad scientist Dr. Jekyll seine dunkle Seite, der homoerotische Subtext des Flaneurs wird etwas zur Seite geschoben (aber für das geneigte Publikum deutlich markiert), und das Ausleben von Grays unmoralischen Fantasien gerät zwischenzeitig fast zur 1970er-Jahre-Softcore-Montage.
Die weibliche Hauptfigur des Romans, Sybil Vane (Rachel Hurd-Wood), wird im Film komprimiert und reduziert. Wo der Roman die Verzauberung einer Theatervorführung thematisiert, wobei ihr Auftritt als Shakespeares Julia (Nähe der Schauspielerin Sybil zur Rolle) Dorian in seinen Bann zieht, und ihre späteren Auftritte enttäuschen, nimmt man in der Verfilmung Ophelia (noch vor Cordelia die andere, allgemein bekannte, starke und sehr junge - und somit geeignete - Frau bei Shakespeare) als Paraderolle, verzichtet fast komplett auf den Theater-Plot, und übernimmt dann sogar Ophelias nassen Tod, um ähnlich wie in Tykwers Das Parfum ein zweites potentielles Opfer (Rebecca Hall) mit väterlichem Beschützer (Colin Firth) ins Spiel zu bringen und dadurch dem vorgegebenen Handlungsverlauf des Romans einigermaßen zu entfliehen.
Colin Firth wird aufgrund seiner Popularität quasi als Hauptfigur des Films dargestellt, und seine Figur macht auch einige interessante Wandlungen durch, die entsprechende Vorgaben im Roman noch stärker akzentuieren. Zu Beginn wirkt er fast diabolisch, doch dann wird die emotionale Tiefe der Figur klar, auch wenn die handlung ihn schließlich in den Hintergrund drängt. Ben Barnes kämpft aufopferungsvoll mit dem großen Problem einer Darstellung Dorian Grays: eigentlich sollte man die Abgründe seines Charakters zu keinem Zeitpunkt in seiner Mimik erkennen dürfen (denn dafür - und fürs Altern - ist ja bekanntlich das Gemälde zuständig), doch aus nachvollziehbaren Gründen gestattet man dem Schauspieler eine ambivalente Interpretation, die die Untiefen zumindest in kurzen Augenblicken erlebbar machen. Anke Sterneborg wünscht sich in der epd Film stattdessen Robert Pattinson, doch scheinen mir ihre Beweggründe persönlicher als sie es im Text durchblicken lässt, und auch, wenn mich beide Darsteller bisher nicht durch ihr Werk überzeugen konnten, hätte ein Dorian Gray mit dem Twilight-Schönling statt dem Narnia-Schönling schon durch die intertextuelle Erblast und das zu bedienende zusätzliche Zielpublikum eine unnötige Färbung erhalten und hätte zumindest in meinen Augen eine weitaus größere Chance gehabt, zur Witznummer zu verkommen.
Dafür hat man einige der Horror-Elemente so stark überbetont, dass es nicht nur Oscar Wilde schmerzen würde. Der Schlüssel zum Dachboden als unheilbringendes Symbol wie in klischeegesättigten Horrorfilmen à la The Skeleton Key, der typische mit Verfall beschäftigte Vorspann oder die Spiegelscherbe als Mordinstrument (!). Und das Gemälde schlussendlich als degenerierter, grauenhaft stöhnender Spezialeffekt. Dabei hat der Film so viele gute Ideen und kann auch das Interesse lange hochhalten. Wenn aus einer realen Träne eine Made im Auge des Gemäldes wird, ist das zwar symbolisch überfrachtet, aber noch ziemlich clever.
Doch trotz aller Mängel ist Dorian Gray ein Film, der davon lebt, dass er neben einigen schlechten Ideen eben auch mindestens genauso viele gute hat (zum Beispiel auch das Weiterdenken der Geschichte über den Zeitlichen Rahmen ihres Autoren hinaus, ähnlich wie es David Fincher mit F. Scott Fitzgerald in Benjamin Button machte), was man sogar bis zu einem Vergleich mit St. Trinian’s (burleske Fingerübung Oliver Parkers) ausweiten könnte: Ein Film, der ab und zu in ein Fettnäpfchen tritt, ist allemal interessanter als ein Film, der nur gehemmt und auf Sicherheit bauend mit Babyschritten herumtippelt. Oder in den Worten von Oscar Wilde: “Diversity of opinion about a work of art shows that the work is new, complex, and vital.”