Survival of the Dead
(R: George A. Romero)
USA 2009, Buch: George A. Romero, Kamera: Adam Swica, Schnitt: Michael Doherty, Musik: Robert Carli, Special Effects Make-Up: Francois Dagenais, mit Alan van Sprang (Sarge), Kenneth Welsh (O’Flynn), Kathleen Munroe (Janet / Jane), Devon Bostick (Boy), Richard Fitzpatrick (Muldoon), Athena Karkanis (Tomboy), Stefano Di Matteo (Francisco), Joris Jarsky (Chuck), Eric Woolfe (Kenny), Wayne Robson (Tawdry), Julian Richings (James), Kinostart: 6. Mai 2010
Die popkulturelle Welt der Zombies teilt sich auf in die Zeit vor George A. Romero (z. B. Jacques Tourneurs I walked with a Zombie oder Carl Barks’ Voodoo Hoodoo / Ein Zombie geht durch die Stadt) und die Zeit nach George A. Romero. Das einzige Problem bei dieser Einteilung ist, dass George A. Romero mit seinen mittlerweile 70 stolzen Lenzen weitaus zäher als der hartnäckigste Untote ist, und er in den letzten Jahren in Sachen Zombiefilm aktiver war als je zuvor. Nach der ursprünglichen Trilogie von Night / Dawn / Day (1968: Night of the Living Dead, 1978: Dawn of the Dead, 1985: Day of the Dead) dauerte es eine ganze Zeit, bis das Publikumsinteresse durch Filme wie Danny Boyles 28 Days Later (2002), Zack Snyders Remake von Dawn of the Dead (2004) und Edgar Wrights Zombiekomödie (heutzutage wird das Subgenre bereits “ZomCom” abgekürzt) Shaun of the Dead (2004) wiederauferstand. Romero selbst schob dann Land of the Dead (2005) nach, der noch eine quasi evolutionäre Fortführung seiner Old-School-Zombies nachvollzog (die meisten modernen Zombies bewegen sich nicht wie bei Romero wie trantütige Schlafwandler, die vor allem durch ihre pure Anzahl zur eigentlichen Gefahr werden, sondern wetzen mitunter um die Ecken wie Carl Lewis auf Speed, ohne dadurch einen nachvollziehbaren Einfluss auf die innerdiegetische Verbreitungsrate der Spezies zu haben. Filmwissenschaftler Thomas Groh kürzt dieses Phänomen mit dem knappen kritischen Satz “Schnelle Zombies haben kleine Pimmel” ab).
Mit Diary of the Dead begann Romero dann 2007, durch das allgemein gestiegene Zombieinteresse plötzlich nicht mehr durch die Suche nach Geldgebern gebremst, eine zweite Trilogie, bei der Survival of the Dead das Mittelstück darstellt. Bisher nicht dagewesen ist dabei, dass Survival sich in Personal und Geschichte direkt auf Diary bezieht, was Romero sicher auch bei der ersten Trilogie gerne schon so gemacht hätte, doch da damals durchschnittlich etwa neun Jahre ins Haus gingen, bis der nächste Film gedreht wurde, offenbarten sich schnell erkennbare Probleme, die die gesamte Kontinuität unterminiert hätten (“Zehn Jahre später” funktioniert bei einem ernstgemeinten Zombie-Sequel irgendwie nicht, schon ein Titel wie 28 Weeks Later wirkt widersinnig).
Was Romeros Zombie-Filme von all den anderen unterscheidet, ist neben der Geschwindigkeit der längst zu den eigentlichen Helden aufgestiegenen Untoten das nicht unwichtige Detail, dass die Handlungen bei Romero immer Kommentare auf gesellschaftliche Missstände darstellen. Night war als Kernstück des Beginns des modernen Horrorfilms wie viele zeitgenössische (nicht nur Horror-)Filme direkt vom Vietnamkrieg beeinflusst (und liefert einen Kommentar zum Thema Rassismus, wie man ihn selten drastischer sah), Dawn kritisiert ähnlich wie The Stepford Wives (1975) die Konsumgesellschaft der 1970er (bei Snyders Remake ist davon nicht mehr zu spüren), und bei Land wird die Kritik so offensichtlich, dass man es schon fast als Rückschritt interpretieren kann.
Survival setzt “six days after the dead began to walk” ein. Nach einem militaristischen Intro, das den Ton vorgibt, entwickelt sich der Film rasant schnell zu einem irischstämmigen Western, wobei zwei konkurrierende Familien unterschiedlich mit den Infizierten vorgehen. Die einen, denen sich eine kleine Gruppe von Militärs anschließt, will jeden Zombie töten, weil er eine Gefahr für die Lebenden darstellt und man “niemanden retten kann, der schon tot ist”. Durchaus kontrovers (und aus Sicht erfahrener Zombiefilm-Schauer schlicht dumm) agiert hingegen der andere Patriarch, Muldoon, der die Infizierten am “Leben” lässt und versucht, sie allmählich auf andere Nahrungsmittel als Menschenfleisch umzustellen und somit im weiteren Sinne zu “domestizieren”. Gerade durch die Rekursion auf das Western-Genre wird natürlich die Menschenähnlichkeit des Zombies als Spezies betont, und O’Flynns unausgesprochenes Motto “Nur ein ‘toter’ Zombie ist ein guter Zombie” wird über die Parallele zum Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern angreifbar.
Ein zentraler Teil aller Romero-Zombie-Filme waren immer die Geheimnisse und unterschiedlichen Motivationen sowie die daraus entstehenden Spannungen unter den Überlebenden, die durchweg eine größere Gefahr für die Menschheit darstellen als die vor allem instinktiv gesteuerten Zombies. Auch hier fällt es leicht, Parallelen herzustellen zur amerikanischen (und anderen) Regierung und Gesellschaft und einer langen Reihe von realen sowie erdachten “äußeren Bedrohungen”. Doch auch, wenn Survival mit Humor und einem Genre-Wechsel das Romero-Zombie-Universum erweitert, dabei aber die Gesellschaftskritik nicht aus den Augen verliert, muss man bei aller Altersmilde gegenüber dem ehrwürdigen und in Anstand ergrauten Erfinder des Genres konstatieren, dass Survival in Sachen Drehbuch-Struktur und innerer Logik ein großer Schritt rückwärts ist. So wie das Schlussbild des Films genial ist, so wirken einige “Wiedereinführungen” der zwischenzeitig “kontrollierten” Zombiegefahr in hohem Maße lächerlich. Während ganze Generationen von Horrorfilmern das Zusammenspiel von Grusel und befreiendem Lachen über die Jahre perfektionierten, merkt man Romero nicht mehr an, dass er einst beispielsweise den perfiden Witz der EC-Comics in Creepshow kongenial auf die Leinwand übersetzte (man denke nur an die zeternde Adrienne Barbeau und das Ding in der Kiste oder den langsam überwuchernden Stephen King in seinem nach wie vor besten und längsten Auftritt als Schauspieler). Survival of the Dead ist zu oft unfreiwillig komisch und ebenfalls zu oft unfreiwillig “ungruselig” bis “tolpatschig”, als Zuschauer hat man seine Schwierigkeiten, sich mit irgendeiner der Figuren zu identifizieren (selbst die lesbische Soldatin bleibt wie ihr “Name” “Tomboy” ein wandelndes Klischee, das das ursprüngliche Interesse nicht aufrecht erhalten kann). Romero selbst ist sich dessen bewusst, dass er mit solchen Erfindungen wie einer “reitenden Zombie-Braut” seine Fans spalten wird, doch abgesehen vom “cheap novelty thrill” tragen solche Erneuerungen auch nicht zum Gelingen des Films bei. Offenbar ist es doch besser, wenn Romero zwischen den einzelnen Drehbüchern ein wenig mehr Zeit hat ...