Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




14. Juli 2010
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Moon (R: Duncan Jones)
Moon (R: Duncan Jones)
Moon (R: Duncan Jones)
Moon (R: Duncan Jones)
Moon (R: Duncan Jones)
Moon (R: Duncan Jones)
Moon (R: Duncan Jones)


Moon
(R: Duncan Jones)

Großbritannien 2009, Buch: Nathan Parker, Kamera: Gary Shaw, Schnitt: Nicolas Gastner, Musik: Jeremy Zimmermann, Art Direction: Tony Noble, mit Sam Rockwell (Sam Bell), Dominique McElligott (Tess Bell), Kevin Spacey (Stimme Gerty 3000), Kaya Scodelario (Eve), Benedict Wong (Thompson), Matt Berry (Overmeyers), Malcolm Stewart (Techniker), 96 Min., Kinostart: 15. Juli 2010

Wenn die Welt gerecht wäre, wäre Sam Rockwell ein Superstar und müsste sein Leben nicht mit Nebenrollen in Iron Man 2 fristen. Ein bißchen Gerechtigkeit erfährt er aber immerhin durch dieses Regiedebüt des Sohns von David Bowie.

Als Sam Rockwell ganz zu Beginn seiner leider immer noch nicht wirlich fruchtenden Karriere eine kleine Rolle alls »red shirt« in Galaxy Quest hatte, machte er sich als bekennender Fanboy Sorgen darum, ob diese Parodie respektvoll genug mit Star Trek umgeht - inzwischen ist Galaxy Quest selbst ein kleiner Klassiker. Und Sam Rockwell spielt die Hauptrolle in Moon, einem Film, der schon mit einer gewissen Rechtfertigung als »der beste SF-Film seit Blade Runner« bezeichnet wurde.

Moon wurde sogar in den selben Studios gedreht, in denen Ridley Scott einst Alien drehte. Das war zu einer Zeit, als man noch an die Zukunft des SF-Films glaubte (und an die von Ridley Scott). Und auch wenn Regisseur Duncan Jones ein wenig zu jung ist (Jahrgang 1971), um die Glanzzeit des SF-Kinos von 1968 bis 1974 als solche erlebt zu haben, bietet sein Film Old School-SciFi, wie man sie heute eigentlich nicht mehr geboten bekommt (Pixars Wall-E ist hier die Ausnahme, die die Regel bestätigt).

Ähnlich wie in Alien, Dark Star oder Silent Running die Raumfahrenden größtenteils nur noch unterbezahlte Arbeiter waren, ist auch Sam Bell nicht viel mehr als ein besserer Hausmeister, der für den Verlauf eines Drei-Jahres-Vertrags auf einem fernen Mond die größtenteils automatisierten Vorgänge zur Brennstoffgewinnung überwacht. Seine nicht geringe Freizeit nutzt er zum Erstellen eines Modells seiner Heimatstadt, für zeitversetzte Kontaktaufnahmen mit seiner auf der Erde verbliebenen Frau und der kleinen Tochter - und für Gespräche mit dem Bordcomputer Gerty 3000 (Stimme: Kevin Spacey), einer Art missing link zwischen dem HAL 2000 aus Kubricks 2001 und den putzigen kleinen Roboter-Erntehelfern Huey, Dewey und Louie aus Douglas Trumbulls Silent Running (deutsch: Lautlos im Welraum). Allein über Gerty 3000 könnte man stundenlang schwärmen. Zur Darstellung von Gemütszuständen dieser erstaunlich menschlichen, aber auch nicht gegen Fehler gefeiten künstlichen Intelligenz benutzt der Film auf geniale Weise Emoticons, und wo beispielsweise HAL komplexe Vorgänge wie seine Existenzangst noch gänzlich über Dialoge und den Tonfall (der aber auch nie zu menschlich klingen darf) übermitteln musste (»Dave. Stop. Stop. Will you. Stop, Dave. Will you stop, Dave. Stop, Dave. I’m afraid ...«), lässt Gerty mal einen Smiley aufblitzen, dann einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, eine gewellte Linie für den Mund, wenn ihm »schwummerig« ist - oder sogar mal eine Träne. Dennoch bleibt Gerty (HAL als Stichwortgeber der Filmgeschichte sei Dank) für die längste Zeit des Films natürlich eine schlecht einzuschätzende Figur, so wie der von Lance Henrickson gespielte Android in Aliens sich nach seinem bösartigen Vorgänger in Alien erst wieder neu das Vertrauen erringen muss.

Über die eigentliche Geschichte des Films Moon habe ich noch nicht viel verraten, es ist zu befürchten, dass viele andere Kritiker dies tun werden. Wer die Filme der 1970er liebt (sowohl die SF vor Star Wars als auch Verschwörungsthriller), der wird mit Moon reichlich beschenkt werden. Ob ein modernes junges Publikum, auf Videoclip-Sehgewohnheiten (jaja, ich weiß, selbst die »MTV-Generation« ist den »Reality-Doku«-Schauern noch vorzuziehen...), schnelle Schnitte und Action alle sieben Minuten getrimmt, mit diesem Film (und seinem nicht auf Strahlemann hochgebürsteten Hauptdarsteller) noch etwas anfangen kann, ist eine berechtigte Frage. Da die Geschichte aber (selbst mit zu vorschnell gespoiltem Hintergrundwissen) spannend und bewegend genug ist (und eigentlich auch für jedermann intellektuell stimulierend), könnte Moon auch ein Film sein, der für das fast verloren gegebene junge Publikum den Weg zur Filmgeschichte (erst Silent Running oder Planet of the Apes, später 2001 oder Solaris) öffnen könnte. Und deshalb ist Moon vielleicht der Film, in den die vor 1975 geborenen die nach 1985 geborenen (komplett willkürliche Jahreszahlen) mal mitnehmen sollten. Damit wir nicht in zehn oder zwanzig Jahren nur noch diesen ganzen Transformers- und Bruckheimer-«Event«-Mist zu sehen bekommen, sondern »richtige« Filme (unabhängig davon, ob SF oder nicht).