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Bildmaterial: Alamode Film
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Eine Karte der
Klänge von Tokio
(R: Isabel Coixet)
Originaltitel: Map of the Sounds of Tokyo, Spanien 2009, Buch: Isabel Coixet, Kamera: Jean-Claude Larrieu, Schnitt: Irene Blecua, mit Rinko Kikuchi (Ryu), Sergi López (David), Min Tanaka (Narrador), Manabu Oshio (Yoshi), Takeo Nakahara (Nagara), Hideo Sakaki (Ishida), Jun Matsuo (Pukka), 98 / 109 Min., Kinostart: 5. August 2010
Isabel Coixet ist die visuelle Poetin unter den Filmemacherinnen unserer Zeit. Ähnlich wie Jane Campion erzählt sie gern zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichten um junge Frauen, die auch schon mal totkrank, misshandelt oder verstümmelt sein können, aber anders als ihre neuseeländische Kollegin bewahrt sich die international arbeitende Spanierin hierbei irgendwie einen optimistischen Grundton und ein überschaubares Universum.
Wo Jane Campion nach ihrem Erfolg mit The Piano immer wieder mit Superstars (Nicole Kidman in Portrait of a Lady, Meg Ryan in In the Cut) und dem Mainstream poussierte (wenn auch nicht unbedingt erfolgreich), scheint Isabel Coixet mit kleineren Budgets und Stars ganz zufrieden, abgesehen von ihrer Philip-Roth-Verfilmung Elegy mit Penelope Cruz (bei der aber auch jedem von vornherein klar sein musste, dass aus dem Stoff kein Kassenschlager werden konnte) standen die Namen der Schauspieler zumeist in kleinerer Schrift auf den Plakaten als der der Regisseurin. Und bei Rinko Kikuchi (Babel) und Sergi López (El laberinto del fauno) wird das auch kaum anders gehandhabt werden (ich habe es mir mal ganz geflissentlich verkniffen, das Plakat anzuschauen, um meine These zu überprüfen).
Map of the Sounds of Tokyo – der Titel klingt zunächst einmal esoterisch bis prätentiös und ein wenig wie der Versuch, an Lost in Translation anzuknüpfen (Sofia Coppola - noch so eine Poetin!). Doch auch wenn Frau Coixet bereits in ihrer Einstiegsszene zeigt, wie erfolgreiche Geschäftsleute ihren Sushi von nackten Frauenleibern essen (der Touristeneinblick auf die Japaner und ihre schräge Kultur), entwickelt sich der Film komplett anders als man zunächst annehmen würde. Zwar spielt die Tonspur dem Titel entsprechend eine große Rolle und das Thema wird auch visuell ausgewalzt.
Die Tochter eines der sushi-essenden Geschäftsmänner hat Selbstmord begangen (Abschiedsnachricht auf dem Badezimmerspiegel »Warum hast du mich nicht so geliebt wie ich dich?«), und dieser engagiert eine Profikillerin, um den älteren Lover seiner Tochter töten zu lassen. Doch zwischen der Killerin Ryu (Rinko Kikuchi), die nebenbei auf dem Fischmarkt arbeitet, und ihrem designierten Opfer, dem Weinhändler David (Sergi López), kommt es zu einer sehr eigentümlichen Affäre.
Statt Lost in Translation also eine Art Variation von The Last Tango in Paris (nur halt in Tokio), versetzt mit Elementen von Wong Kar-Wei (insbesondere Chungking Express) und Aki Kaurismäki (I hired a Contract Killer). Doch auch, wenn weder Karaoke-Darbietungen noch Love Hotels und das bunte Lampion-Karussell, das man auch in Enter the Void sehen kann, als Ansichtskarten-Tokio nicht fehlen dürfen, ist der Film nicht annähernd so gefällig, wie er in dieser Nacherzählung erscheinen muss. Zwar hat man eine solche totgeborene Love Story schon mehrfach gesehen (»Dafür ist es zu spät. Vielleicht war es schon zu spät, bevor es begonnen hatte.«), doch trotz der wiedererkennbaren Versatzstücke macht der Film Spaß und bleibt durch viele kleine Ideen bis zum Schluss interessant.
Wer Isabel Coixet, Wong Kar-Wei, Kaurismäki, Tokio oder bittersüße Liebesgeschichten mag, wird auf seine (oder ihre) Kosten kommen. Wer von alledem genug hat: Einfach diese filmische Insel weiträumig umfahren.