Fish Tank
(R: Andrea Arnold)
UK / Niederlande 2009, Buch: Andrea Arnold, Kamera: Robbie Ryan, Schnitt: Nicolas Chaudeurge, Musik: Liz Gallacher, mit Katie Jarvis (Mia), Michael Fassbender (Connor), Kierston Wareing (Joanne), Rebecca Griffiths (Tyler), Sarah Bayes (Keeley), 123 Min., Kinostart: 23. September 2010
Mia (Katie Jarvis) ist 15, voller Wut gegen Gleichaltrige (was ihr einen Schulverweis einbringt) und ihre Mutter, aber auch voller Neugier auf die Welt der Erwachsenen, was sich vor allem in der freudigen Vernichtung jedes Tropfen Alkohols äußert, der sich ihr trotz eingeschränkter finanzieller Möglichkeiten bietet. Ihre alleinerziehende Mutter Joanne (Kierston Wareing) konzentriert sich ebenfalls mehr auf Partys und Männerbekanntschaften und wird somit sowohl zum verhassten Feindbild als auch zum eher unbewussten Vorbild.
Als nun mit Connor (Michael Fassbender) mal ein Mann für längere Zeit (eine Woche ist länger als eine Nacht) den Weg Joannes begleitet und nebenbei noch Zeit hat, sich mit der rebellischen Tochter zu unterhalten oder sich für deren Hobby, den Tanz, zu interessieren (»You dance like a black. That’s a compliment.«), öffnet dies nicht nur die Perspektive auf eine Vaterfigur, Mia tritt auch in aktiven Konkurrenzkampf zu ihrer Mutter, und dem Betrachter ist Connors Verhalten schon recht früh suspekt.
Nebenbei lernt Mia auch einen gleichaltrigen Jungen kennen, der in einer etwas unklaren Beziehung zu einem angeketteten, ziemlich verwahrlosten Pferd steht, das Mia befreien wollte, weshalb sie von den aufgebrachten »Besitzern« beinahe vergewaltigt wurde. Wenn Mia später erfährt, dass das Pferd erschossen wurde, weil es mit 16 Jahren altersschwach war, wirft dies bereits ein bezeichnendes Licht auf die Zukunft der 15-Jährigen ...
Die Handkamera fängt einerseits ähnlich wie bei den Brüdern Dardenne oder ähnlichen Filmen über die gewaltbereite urbane Jugend (Regarde-moi, Sebbe) ungeschönt die Machtkämpfe, Beleidigungen und Verletzungen ein, wie sie bei intimeren Szenen plötzlich Zeitlupe und warme Farben nutzt. Wodurch auch visuell gezeigt wird, dass Mia sich auf dem schmalen Pfad zwischen zwei Welten befindet.
Auch auf Mias mögliche berufliche Zukunft wird ein Schlagschatten geworfen, wenn sie ihr Tanztalent bei einem Vortanzen demonstrieren will, und der Film lange Zeit offen lässt, ob es sich hierbei um eine tatsächliche Chance handelt oder nur eine weitere Demütigung.
Letztlich bleibt Mia nur ihre Wut, und der Film bietet ihr zumindest die Chance, dieses Talent mit erschreckenden Möglichkeiten vorzuführen.
Die britische Regisseurin Andrea Arnold konnte schon mit dem narrativ etwas experimentellen Red Road ihr Talent demonstrieren, nun konnte sie ohne Vorgaben ein eigenes Drehbuch verwirklichen und ihr Gespür für die Sprache der Straße und die Details des Milieus zeigen. In ihrem (bisherigen) Sujet gehört sie zusammen mit Abdellatif Kechiche zu den großen Hoffnungen des europäischen Kinos.