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9. Februar 2010 | Thomas Vorwerk für satt.org | |||||
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Vorführungen:
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Als Darsteller sah man Girardot vor drei Jahren in Lady Chatterley im Panorama, als rollstuhlfahrenden verbitterten Gatten der Lady. Im selben Frühjahr startete auch Paris je t’aime, in dem Girardot in der Episode von Nobuhiro Suwa (Un couple parfait) auftrat, mit dem er sich nun kurzerhand zu einer gemeinsamen Regiearbeit (Girardot spielt auch eine Rolle) entschloss.
Der Film schildert die Freundschaft der halbwüchsigen Yuki und Nina, zwei besten Freundinnen im Alter von ca. 8-10. Die Sommerferien stehen bevor, und Yuki möchte zumindest einen Teil davon mit Nina verbringen, Ninas Mutter ist auch einverstanden damit - solange Yukis Eltern nichts dagegen haben. Doch als Yukis Mutter die Tochter abholt, druckst sie etwas herum, und im Mutter-Tochter-Gespräch wird dann offenbart, dass man nicht nur für die Ferien, sondern auf Dauer nach Japan, der Heimat von Yukis Mutter, fliegen wird, denn diese verträgt sich mit Yukis Vater (Hyppolyte Girardot) nicht mehr. Die Trennung der Eltern ist selbst heutzutage, wo sie fast den Normalzustand darstellt (zumindest in Kinderfilmen), immer noch traumatisch für die Kinder, doch in diesem Fall kommt noch erschwerend dazu, dass durch den Umzug nach Japan natürlich auch Yuki und Nina getrennt werden würden - und zwischen Japan und Frankreich kann man nicht ohne weiteres einen Kinderaustausch in den Ferien arrangieren ...
Doch vorerst gehen Yuki und Nina erst mal davon aus, dass man noch irgend etwas an diesem Entschluss von Yukis Mutter (ihr Vater hält den Umzug nach Japan für übereilt) ändern kann. Man sieht bereits nach der Eröffnung dieser neuen Information, dass Yuki voller Tatendrang ist - plötzlich hilft sie ihrer Mutter beim Tragen des Einkaufs, wie um zu demonstrieren, dass sie auch Verantwortung übernehmen kann - doch ob das reicht, ist fragwürdig.
Auch Ninas Mutter (die bereits vom Vater getrennt ist) kann den Mädchen nicht erklären, woran es liegt, dass sich manche Paare trennen. Für Nina und Yuki, die Zeit ihres Lebens bei Streitereien den Befehlston der Eltern erleben durften, ist es offensichtlich: Man muss ganz einfach AUFHÖREN ZU STREITEN! Doch der Rat der Eltern scheint bei ihnen selbst nicht zu funktionieren, und somit sind Yuki und Nina zur Kreativität verurteilt, und da man in der Apotheke dummerweise keinen Liebestrank kaufen kann, formulieren sie gemeinsam einen Brief an Yukis Mutter, den die “Liebesfee” verfasst haben soll. Dass die “fée de l’amour” ihr Briefpapier mit allerlei rosa Glasperlen und Glitter schmückt, ist allgemein bekannt - schwieriger ist es da schon, sich über die korrekten Personalpronomen (“Wir kennen sie ja nicht ...”) und die Ansprache zu finden. Und wenn die Mutter dann in Yukis Anwesenheit den Brief liest, wird auch klar, dass Yuki in Sachen “Pokerface” noch einiges zu lernen hat. Man könnte diese Szene auch auf die darstellerischen Mängel hin analysieren, doch auch wenn Yuki oft fett grinst, während ihre Mutter sehr gerührt ist - irgendwie funktioniert die Szene trotzdem - bzw. kann man als Betrachter auch gut darauf verzichten, dass die Yuki-Darstellerin jetzt mitweinen müsste.
Im weiteren Verlauf des Films streiten sich angesichts unterschiedlicher Herangehensweisen an das Problem schließlich auch die beiden Mädchen (sie imitieren unbewusst ihre Eltern, die ja ihre Vorbilder in Sachen Verhaltenspsychologie sind), doch letztendlich schlägt der Film zwischenzeitig eine ganz andere Richtung, die nicht nur bei den kleinwüchsigen Zuschauern detailierte Diskussionen (bitte erst nach dem Film!) nach sich ziehen wird. Yuki & Nina ist ein Paradebeispiel für einen Kinderfilm, der auch Erwachsene verzaubern wird: Es gibt ein realistisches Problem, aus dem ein Kinderabenteuer entsteht, dass den Kindern (sowohl auf der Leinwand als auch im Kino) die Problematik besser vor Augen führt als ein bloßes Gespräch. Und anhand der interpretativen Leistung und mit Hilfe des doch eher versöhnlichen Endes können Kinder und Eltern durchaus etwas über die Situation und einander erfahren. Wie so oft bei der Filmauswahl der “Generation” kann man nur sagen: Kinder sollten öfter solche Filme sehen und keine realitätsfernen Animes und kindgerecht glattgebügelten Fließbandwerke, die das Zielpublikum nur als Geldquelle ernstnehmen, nicht aber als Zuschauer.
USA 2009, Buch: Gustin Nash, Lit. Vorlage: C. D. Payne, Kamera: Chuy Chávez, Schnitt: Andy Keir, Pamela Martin, Production Design: Tony Fanning, Kostüme: Nancy Steiner, Animation: Peter Sluzka, Erik Knudsen, mit Michael Cera (Nick Twisp / Francois), Portia Doubleday (Sheeni Saunders), Jean Smart (Estelle Twisp), Mary Kay Place (Mrs. Saunders), M. Emmet Walsh (Mr. Saunders), Ray Liotta (Lance Wescott), Justin Long (Paul Saunders), Adhir Kalyan (Vijay Joshi), Ari Graynor (Lacey), Erik Knudson (Lefty), Steve Buscemi (George Twisp), Fred Willard (Mr. Ferguson), Zach Galifianakis (Jerry), Jonathan B. Wright (Trent), 90 Min.
Vorführungen:
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1993 erschien das erste Buch einer Reihe über den jungen Nick Twisp und (u. a.) sein Coming-of-Age. Der erste Roman hieß Youth in Revolt: The Journals of Nick Twisp, es folgten dann noch Revolting Youth: The Further Journals of Nick Twisp und Young and Revolting: The Continental Journals of Nick Twisp. Ein großer Fan der Bücher von C. D. Payne war Michael Cera (Superbad, Juno, Year One), der sich nun freuen konnte, die Hauptrolle in der Verfilmung spielen zu dürfen.
Buch und Film richten sich gezielt an ein junges Publikum, doch da wir ja alle mal jung waren, wird auch ein älteres Publikum viel Spaß an diesem Film haben (ich persönlich habe mir fest vorgenommen, auch mal nach den Büchern zu schauen). In den Vereinigten Staaten hat der Film leider keine Jugendfreigabe bekommen, weil es darin unter anderem um vorehelichen Sex, Verzehr halluzinogener Pilze und vor allem jede Menge ungezogener Sachen geht, die man als Jugendlicher nicht tun sollte, die aber nicht nur beim Betrachten auf der Leinwand viel Spaß machen. Die Programmmacher der “Generation” haben offensichtlich weitaus mehr Vertrauen in die Fähigkeiten von Jugendlichen, anhand dieses Films selbst zu entscheiden, wieviel kriminelle und kreative Energie man guten Gewissens aufbringen kann, um gegen die guten Absichten diverser langweiliger Erwachsener, die sich allesamt auch nicht vorbildlich verhalten, anzukämpfen auf dem Weg zur (u. a.) sexuellen Erfüllung.
Das Objekt von Nicks Begierde, Sheeni (Portia Doubleday), hat offenbar schon mehr Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht - zumindest weiß sie, wie man Jungs um die Finger wickelt, ohne dabei zuviel von sich selbst preisgeben zu müssen. Die Frustration angesichts der ungewissen Absichten Sheenis kann man anhand von Nick gut nachvollziehen, und wenn er sich aufgrund seiner chronischen Untätigkeit einen imaginären, cooleren Freund zulegt (Michael Cera als Francois ist schon allein das Kinoticket wert), dann kommt der Film schnell ins Rollen und entwickelt sich zu einer der amüsantesten Komödien der letzten Jahre.
Der Vergleich mag hinken, aber Nick ist eine Art moderner Hamlet (allerdings ohne wohlhabende Eltern und Neigung zum Gebrauch von Stichwaffen) und sein alter ego Francois ist offenischtlich inspiriert von Jean-Paul Belmondos Darstellung des Kleinkriminellen Michel Poiccard in A bout de souffle. Wie seine klassischen Vorbilder wachsen auch Nick (und Francois) die Probleme über dem Kopf, und ohne zuviel zu verraten, kann man sagen, dass Sheeni eher Jean Seberg als Patricia ähnelt als Shakespeares Ophelia mit ihrer Neigung zu tödlichen Flachköppern.
Als wären die bisher genannten Punkte nicht schon ausreichend Grund, sich mal einen sehr unterhaltsamen Berlinale-Nachmittag zu gönnen, ist dieser Film auch noch das unangefochtene Starvehikel unter den 14plus-Filmen: Steve Buscemi, Ray Liotta, Justin Long, Mary Kay Place, M. Emmet Walsh undsoweiter. Vergesst Percy Jackson und verzichtet auf die filmische Harry-Potter-Abzocke und lasst uns auf weitere Filme mit Nick Twisp hoffen!
Schweden 2010, Buch: Babak Najafi, Kamera: Simon Pramsten, Schnitt: Andreas Nilsson, mit Sebastian Hiort af Ornäs (Sebbe), Eva Melander (Eva), Kenny Wåhlbrink (Kenny), Emil Kadeby (Emil), Adrian Ringman (Adde), Leo Salomon Ringart (Leo), Åsa Bodin Karlsson (Kennys Mutter), Margret Andersson (Lehrerin), Miran Kamala (Evas Boss), 80 Min.
Vorführungen jeweils im Babylon (Mitte):
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Der 15jährige Sebastian, kurz Sebbe, wird in der Schule gemobbt. Für ihn und seine alleinerziehende Mutter Eva reicht das Geld nicht hinten und nicht vorne, außerdem zeigt Eva eine gewisse Affinität zum Alkohol, die die Probleme auch nicht verringern wird.
Sebbes Talent ist das Basteln mit elektrischen Geräten. Von seinen Streifzügen über Schrottplätze bringt er gerne mal jede Menge Kabelage oder eine Motorsäge mit. Wenn er später die Bullies beobachtet, die ihn in der Schule immer wieder physisch und psychisch malträtieren, hört man dazu ein Geräusch, dass sich wie die Kettensäge anhört, und man bekommt den ersten Einblick, dass in diesem Film einiges aus dem Ruder laufen könnte.
Sebbe und seine Mutter Eva verbindet vieles, eigentlich zu vieles. Beide kommen zum Job oder der Schule hin und wieder zu spät, so wie Sebbe Opfer einer Quasi-Vergewaltigung mit einer Zigarette wird, scheint seine Mutter einem ähnlichen Übergriff höchstens knapp entgangen zu sein. Doch ein schwarzer Hund mit großem Symbolcharakter versetzt Eva in Angst und Schrecken, während Sebbe ihm trotzt, und der Hund lieber selbst Reißaus nimmt.
Dieser Film, der bei der Pressevorführung als “sehr jugendaffin” angepriesen wurde, ist mitunter starker Tobak - doch die 14jährigen von heute sind wahrscheinlich filmisch schlimmeres gewohnt - nur vielleicht ohne den direkten Bezug zum eigenen Leben, der ihnen hier geboten wird.
Ein Film, in dem selbst zwei Geburtstagsgeschenke nur Ärger, Scham und Verdruss bereiten, und bei dem das dicke Ende bestimmt kommt. Der im Iran geborene Regisseur bekam 2004 das “Bo Widerberg Stipendium”, um seinen bereits in Kurzfilmen offenbarten Weg weiterzugehen. Und dieses Langfilmdebüt belohnt diese Investition. Insbesondere im subtilen Spiel der beiden Hauptfiguren und der teilweise schonungslosen Darstellung der Lebensumstände ein beeindruckendes Werk, das gute Aussichten auf eine Auszeichnung hat.
Japan 2009, Buch: Satoko Okudera, Kamera: Yukihiro Masumoto, Schnitt: Shigeru Nishiyama, Musik: Akihiko Matsumoto, Titelsong: Tatsuro Yamashita, Action Animation Direction: Tatsuzo Nishita, mit den Originalstimmen von Ryunosuke Kamiki (Kenji Koiso), Nanami Sakuraba (Natsuki Shinohara), Sumiko Fuji (Sakae Jinnouchi, die Großmutter), Mitsuki Tanimura (Kazuma Ikezawa aka “King Kazuma”), Ayumu Saito (Wabisuke Jinnouchi, der Onkel), 114 Min.
Kenji und Sakuma sind zwei ganz normale Schüler, die als Ferienjob Mitarbeiter des weltumspannenden Netzwerks OZ sind, einer Art weiterentwickeltes Facebook, über das man neben diversen Freizeitangeboten aber auch einkaufen kann, und bei dem neben den “normalen” Mitgliedern, die jeweils als vollanimierte Avatare durch den Cyberspace pilgern, auch Firmen, Organisationen und ganze Staaten als Mitglieder unterwegs sind, weil das in dieser nahen Zukunft einfach zweckmäßiger erscheint.
Da besucht sie die hübsche Mitschülerin Natsuki in ihrer Hacker-Hölle und bittet einen von ihnen, sie über die Ferien in ihre Heimatstadt Nagano zu begleiten. Kenji, der in Natsukis Gegenwart oft noch schüchterner wirkt (sein Rotanlaufen und die Schweißausbrüche sind extrem übertrieben, aber so funktioniert Humor in vielen Animes nun einmal), ist dazu gerne bereit, doch als sie ihm am Zielort eröffnet, dass er ihren Verlobten spielen soll, um die 90jährige Großmutter zu erfreuen, fühlt er sich dadurch klar überfordert (er ist eben nicht Dermot Mulroney, und dieser Handlungsstrang entspricht nur einer jugendfreien Variation von The Wedding Date). Er lernt Natsukis teilweise charmanten, aber oft auch seltsamen oder nervenden Familienmitglieder kennen, erfährt von der Rolle, die die Familie in einem historischen Krieg spielte, und stellt auch fest, dass Natsukes nur geringfügig älterer Onkel, der etwas arrogante Computerexperte Wabisuke, die Aufmerksamkeit seiner vermeintlichen Zukünftigen über Gebühr in Anspruch nimmt.
In der Nacht erreicht Kenji eine seltsame E-Mail, ein Zahlenrätsel, mit dem er, der beinahe Japan bei der “Mathe-Olympiade” vertreten hätte, sich einige Stunden um die Ohren haut, es aber schließlich löst und die Antwort zurückschickt, nichtsahnend, dass es sich hierbei um einen streng geheimen Code handelt, mit dem der E-Mail-Schreiber nun den Zugang zur OZ-Administration und darüber hinaus besitzt.
Wie ein digitaler Domino Day treten nun Veränderungen in der Welt von OZ (und der realen Welt) ein, bei denen Verkehrschaos (wie in Die Hard 4.0) und massenhafter Identitätsdiebstahl nur der Anfang sind. Seit John Badhams War Games 1983 waren digitale Freizeitbeschäftigung und drohender Weltuntergang sich nicht mehr so nahe wie in Summer Wars, wobei aber das interessanteste an diesem Film die Interaktion (und der Kontrast) zwischen Natsukis weitläufiger Familie (und den betagten Freunden ihrer Großmutter) und der bei Schüler-VZ etc. um sich greifenden Freundschafts-Epidemie ist, die der Computer-Kriminalität bekanntlich Tür und Tor öffnet, wenn man Freunden, die man nie gesehen hat, persönliche Informationen preisgibt und für irgendwelche Spielereien seine Handynummer herausgibt.
Trotz der auf diese Art in Erinnerung gerufenen Warnung vor den Gefahren von Netzwerken wirkt die Zauberwelt OZ hier aber auch wie eine Versuchung, die weit über den Reiz von Mafia Wars hinausgeht. OZ ist animiert wie eine Nintendo-Wii-Version des Yellow Submarines. Das Hauptquartier erinnert an die subliminal erotisierten Designs von Jim Woodring, als “Schutzengel” fliegen zwei vertrauenerweckende Wale namens John und Yoko durchs Bild. Sowohl die traditionelle Welt der Familie / der Heimat, als auch die topaktuelle virtuelle Welt zehrt hier aus der globalisierten Kulturgeschichte, und deshalb gelingt es diesem Film auch, die Generationen zu vereinen, unabhängig davon, ob die Großmutter womöglich noch nie “online” war oder die Enkel das uralte Kartenspiel Hanafuda nicht kennen. Nach diesem sehr interessanten Film will ich noch dringender den vielfach ausgezeichneten Vorgänger des Regisseurs sehen, The Girl who leapt through Time.
Int. Titel: Twigson, Norwegen 2009, Buch: Birgitte Bratseth, Lit. Vorlage: Anne-Cath Vestly, Kamera: Ari Willey, Schnitt: Vidar Flataukan, mit Adrian Grønnevik Smith (Lillebror), Pernille Sørensen (Mutter), Jan Gunnar Røise (Vater), Åsleik Engmark (Stimme Knerten), Per Jansen (Snekkeren), Petrus Andreas Christensen (Philip), Jan-Paul Brekke (Flytteman), Kjersti Fjeldstad (Tante Rundtomkring), Amalie Blankholm Heggemsnes (Vesla), 75 Min., empfohlen ab 6 Jahren
Norwegen in den 1950er Jahren. Lillebrors Familie zieht von der Stadt aufs Land. Dort lernt er als erstes Ameisen kennen (womöglich verschwimmen die biologischen Fachbegriffe und es sind Termiten gemeint), die für den Menschen nicht gefährlich sind, weil sie nur Holz essen. Das neue Haus der Familie scheint auch schon unter ihnen gelitten zu haben, vom 1. Stock aus das Erdgeschoss beobachten zu können, ist ja noch interessant, aber wenn man dabei durchbricht, sorgt das nur dafür, dass die Geldprobleme der Familie sich noch auswachsen. Der neue Job des Vaters als Vertreter für Damenunterwäsche will auf Anhieb nicht den erwünschten Umsatz bringen, und so beginnt auch Lillebros Mutter als Aushilfe bei dem Krämer Eilertsen, wobei sie allerdings ihren Familienstand unterschlägt, weil die Stelle beim alleinstehenden Sonderling so leichter zu bekommen ist.
Lillebror hat inzwischen einen neuen Freund gefunden: Knerten (auf deutsch “Knorzel”) einen Ast, der nicht nur wie ein kleines Männchen aussieht, sondern auch sprechen kann (wenn auch nur mit Lillebror). Gemeinsam erleben die beiden einige Abenteuer, wobei Knerten öfters vor Ameisen oder einem frühzeitigen Schicksal als Brennholz gerettet werden muss, er aber im Gegenzug großartige Geschäftsideen hat - zum Beispiel, Herrn Eilertsen diverse Pfandflaschen gleich mehrfach anzudrehen - was dann allerdings wieder die Mutter in die Bredouille bringt.
Zum weiteren Personal des Films gehört Lillebrors älterer Bruder Philip, ein gesprächiger Busfahrer, ein Zimmermann und zwei Mädchen aus der Nachbarschaft, die irgendwie gruselig wirken - wie die Zwillingsschwestern aus The Shining oder zwei beliebige Kinder aus dem Village of the Damned. Obwohl der Film vorrangig auf ein eher kleines Publikum abzielt, bietet er auch genügend Unterhaltung für die Begleitpersonen: Der Regisseur ist einer verspielten kleinen Idee nie abgeneigt, statt einer perfekten Animation legt er mehr Wert auf Musikelemente aus Spaghettiwestern oder einer subjektiven Kamera beim Seilspringen.
Dann kommt aber mit “Princess Tiny” ein Mädchen ins Spiel, das die Männerfreundschaft zwischen Lillebror und Knerten auf eine harte Probe stellt ...
Wie Knerten die Probleme der Kleinen und Großen voller Leichtigkeit nebeneinander darstellt, dann aber doch beim großen Finale verknüpft, gehört zu den Reizen des Films, den etwa jeder dritte Norweger im Kino gesehen haben soll. Man knüpft dabei auch an die großen Klassiker des Kinderfilms der 1970er an, seien es die Skandinavier oder die Osteuropäer (Luzie, der Schrecken der Straße). Und für Lillebror ist das Ganze auch eine Art kindgerechtes Coming-of-Age.
Da wird man fürs Begleiten der Kleinen ins Kino wirklich belohnt ...
USA 2010, Buch: Jared Hess, Jerusha Hess, Kamera: Munn Powell, Schnitt: Yuka Ruell, Musik: David Wingo, Production Design: Richard A. Wright, Kostüme: April Napier, mit Michael Angarano (Benjamin), Jemaine Clement (Dr. Ronald Chevalier), Jennifer Coolidge (Judith), Hector Jiminez (Lonnie Donaho), Mike White (Dusty), Sam Rockwell (Bronco / Brutus), Clive Revill (Cletus), Halley Feiffer (Tabatha), Rod Decker (Rod Decker), 90 Min., Kinostart: 27. Mai 2010
Vorführungen:
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Wäre nicht jenes laufende Verfahren wegen einer Verleumdungsklage, könnte man einfach ganz deutlich sagen, dass es sich hier um die (natürlich inoffizielle) Verfilmung jener zwei Wochen im Leben des jungen Douglas Adams handelt, in denen er bei einem Talent Camp Robert Heinlein kennenlernte. Doch als vager Überblick über die Geschichte funktioniert dies selbst dann noch, wenn man ganz klar feststellt, dass Gentlemen Broncos natürlich überhaupt nichts mit Adams zu tun hat (außer vielleicht, dass Sam Rockwell mitspielt). Und mit Heinlein erst recht nicht (außer vielleicht ... - ach nöööö!).
Jared Hess wurde nach dem komplett unerwarteten Riesenerfolg seines Debüts Napoleon Dynamite als Regie-Wunderkind abgefeiert, zeigte aber mit seinem nächsten Film Nacho Libre, dass er ganz genau weiß, was er für Filme drehen will - nur nicht unbedingt, was die Welt für Filme schauen will. Außer Will Ferrell gibt es wahrscheinlich keinen Komiker, der absichtlich so gerne an den Pointen vorbeistreift wie dieser Regisseur. Und verglichen mit ihm sind die Brüder Farrelly sowas wie die Gralshüter des guten Geschmacks.
Gentlemen Broncos hat zwar auch einige Geschmacklosigkeiten zu bieten, doch verglichen mit Nacho Libre sind sie wirklich stilvoll (die Schlange!) - und reine Nebensache. Wie beim Vorspann von Napoleon Dynamite tobt sich Hess hier schon gleich zu Beginn aus und bietet uns liebevoll arrangierte Fake-SF-Romane, wie sie in den 1960ern oder 70ern nicht weiter aufgefallen wären. Der Film könnte auch in dieser Zeit spielen, aber weil Hess solche Details wohl nicht weiter kümmern, wird mal am Rande erwähnt, dass der jugendliche Held dieses Films, der angehende SF-Autor Benjamin (Michael Angarano, der Michael J. Fox seiner Generation) auch schon was im Internet veröffentlicht hat.
Beim “Cletus Festival” will er sein großes Idol, Dr. Ronald Chevalier (Jemaine Clement, der “Eagle” aus Eagle vs. Shark) kennenlernen, und dieser bringt ihm in einem Workshop auch erstmal bei, wie man seine Figuren am besten benennt. Hierbei sind Suffixe wie -anous, -odius oder -ainous die große Geheimwaffe, Benjamins Romanheld Bronco (in einigen mit großem Effektaufwand gedrehten Szenen von Sam Rockwell dargestellt) würde z. B. als “Bronlonious” das Publikum ungleich stärker ansprechen. Falls es jemand noch nicht gemerkt haben sollte, dieser Chevalier ist ein Vollpfosten, der zu allem Übel auch noch eine Schreibblockade hat, und als Jurymitglied in einem SF-Talentwettbewerb kurzerhand Benjamins Manuskript stiehlt, um es geringfügig verändert (Bronco heißt jetzt Brutus) zu seinem neuesten Bestseller zu machen.
Ferner geht es in Gentlemen Broncos um Benjamins Mutter, deren eigentümliche Mode-Kollektion und ihren Lover Dusty (Mike White). Und natürlich um Gefechts-Hirsche, Cyborg-Harpyien und Hoden-Entfernungen. Und einige hervorragende Einsätze von fragwürdigem Liedgut des letzten Jahrtausends wie In the Year 2525 oder Winds of Change. Und nur, weil der Film in der Generation 14plus läuft, werde ich mal pädagogisch gnädig vorgehen und darauf hinweisen, dass es sich lohnt, auf den Gag nach dem Nachspann zu warten ...
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