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27. Oktober 2010
Thomas Vorwerk
für satt.org


  In ihren Augen (R: Juan José Campanella)
In ihren Augen (R: Juan José Campanella)
In ihren Augen (R: Juan José Campanella)
In ihren Augen (R: Juan José Campanella)
In ihren Augen (R: Juan José Campanella)
In ihren Augen (R: Juan José Campanella)


In ihren Augen
(R: Juan José Campanella)

Originaltitel: El secreto de sus ojos, Argentinien / Spanien 2009, Buch: Juan José Campanella, Eduardo Sacheri, Lit. Vorlage: Eduardo Sacheri, Kamera: Félix Monti, Schnitt: Juan José Campanella, Musik: Federico Jusid, Emilio Kauderer, Art Direction: Marcelo Pont, mit Ricardo Darín (Benjamín Esposito), Soledad Villamil (Irene Menéndez Hastings), Guillermo Francella (Pablo Sandoval), Carla Quevedo (Liliana Coloto), Pablo Rago (Ricardo Morales), Javier Godino (Isidoro Gómez), Bárbara Palladino (Chica Piropo), Rudy Romano (Ordóñez), Alejandro Abelenda (Pinche Mariano), Mario Alarcón (Juez Fortuna Lacalle), Sebastián Blanco (Pinche Tino), Mariano Argento (Romano), José Luis Gioia (Báez - Inspector), Juan José Ortíz (Agente Cardozo), Kiko Cerone (Molinari), 129 Min., Kinostart: 28. Oktober 2010

Bei meinem alljährlichen Oscar-Tipspiel unter Filmfreunden und -Kritikern aus meinem Umfeld tippten für den »besten nicht-englischsprachigen Film« im Frühjahr die meisten Tipper auf den deutsch-österreichischen Lokalpatrioten Das weiße Band (der ja bekanntlich auch kurz zuvor den Golden Globe abgriff), zwei obligatorische Abweichler auf den Franzosen Un prophète und eine sehr wagemutige Person auf den peruanischen Beitrag La teta asustada, und ähnlich wie im Vorjahr gewann jemand, den keiner auf dem Radar hatte, nämlich der aus Argentinien stammende Film, der es ganz wie im Vorjahr der Japaner (Okuribito / Departures / Nokan - Die Kunst des Ausklangs) nun auch im Herbst des selben Jahres in die deutschen Kinos schaffte.

Der häufigste Vorwurf gegen den Japaner war »Konservatismus«, weil gerade Waltz with Bashir und Entre les murs recht mutig mal was neues probiert hatten (über Götz Spielmann und Bernd Eichinger werde ich mir in diesem speziellen Fall kein Urteil erlauben), und auch bei dem argentinischen Gewinner handelt es sich um einen Film, bei dem man gut nachvollziehen kann, warum er einem durchschnittlichen Academy-Mitglied (also einer nicht unbedingt erfolgreichen Schauspielerin) gefallen haben könnte. Es geht um einen Kriminalfall, der schon Jahre zurück liegt, und nebenbei um eine gescheiterte Liebe. Wenn es ein US-amerikanischen Remake dieses Films geben sollte, würden wahrscheinlich Catherine Zeta-Jones und Tom Hanks die Hauptrollen spielen. Und wenn wir Glück haben, hat lieber Clint Eastwood als Ron Howard die Regie. Aber all dies kann man dem Film nur dann zum Vorwurf machen, wenn es einem vor allem darum geht, dass ein anderer Film den Oscar eher verdient hätte. Und das ist ja wohl der Normalzustand bei der Oscar-Verliehung.

Preisen wir den Film also für seine (wohl von der Romanvorlage inspirierte) komplexe Erzählstruktur, für die kräftig, aber nicht überdeutlich gesetzten emotionalen Höhepunkte, für sein bedächtiges Tempo (das aber angesichts der Story angebracht ist - nur in Fernsehserien wie Cold Case kann man einen uralten Fall immer in einer dreiviertel Stunde komplett neu aufrollen), und für seinen manchmal an Lubitsch erinnernden (»Bitte schließen sie die Tür!«) perfiden und subtilen Witz.

Vieles an El secreto de sus ojos ist überkonstruiert, das Spiel mit dem Romanautoren, der öfters neu formuliert, wurde etwas zu angeberisch auf unterschiedliche inszenatorische Ansätze übertragen (auch, wenn man so gut akzentuieren konnte, was unerträglicher Kitsch ist), und der Umgang mit unterschiedlichen Zeitebenen, die größtenteils von den selben Schauspielern getragen werden müssen, ist manchmal auch grenzwertig, aber wenn man hier nicht ein Riesenglück beim Casting gehabt hätte, wäre das Ergebnis nur unnötig verwirrend geworden.

Dass die Geschichte ein bißchen zu sehr an erfolgreiche Mainstream-Filme und gängige Fernsehserien erinnert, ist natürlich ein kleiner Dämpfer, aber auch Das weiße Band und Un prophète bauen auf bewährten Vorbildern auf, die halt nur etwas weniger den Sehkonventionen typischer Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences entsprechen, das bedeutet noch lange nicht, dass El secreto de sus ojos kein Film ist, der das Kinoprogramm durchaus bereichert, und auch, wenn das nationalspezifische hier nicht so dick aufgetragen ist wie bei Das weiße Band, freut man sich doch immer mal wieder einen gelungenen Film aus so einem Exotenland wie Argentinien zu sehen.

Und es gibt ein oder zwei Szenen, die es inszenatorisch wie emotionell durchaus mit den entsprechenden Höhepunkten jener anderer Filme aufnehmen können.

Nach alledem, was ich zuvor geschrieben habe, habe ich es wahrscheinlich selbst unmöglich gemacht, aber ich bin mir sicher, wenn man ohne einen Gedanken an die Oscarnominierungen in diesen Film geht, wird man mit einem positiven Eindruck das Kino wieder verlassen. Auf akas.imdb.com ist El secreto de sus ojos übrigens in der Rating-Hitliste auf Platz 171, aber ich befürchte, dass die Typen, die regelmäßig Ratings bei imdb eingeben und die für die Oscarvergabe zuständigen Academy-Mitglieder sich auch nicht so sehr unterscheiden ...