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26. Januar 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Tron Legacy (Joseph Kosinski)


Tron Legacy
(Joseph Kosinski)

USA 2010, Buch: Edward Kitsis, Adam Horowitz, Kamera: Claudio Miranda, Schnitt: James Haygood, Musik: Daft Punk, Production Design: Darren Gilford, Supervising Art Director: Kevin Ishioka, mit Jeff Bridges (Kevin Flynn / Clu), Garrett Hedlund (Sam Flynn), Olivia Wilde (Quorra), Bruce Boxleitner (Alan Bradley / Tron), James Frain (Jarvis), Beau Garrett (Gem), Michael Sheen (Castor / Zuse), Anis Cheurfa (Rinzler), Serinda Swan, Yaya DaCosta, Elizabeth Mathis (Sirens #2 - #4), Cillian Murphy (Edward Dillinger), Owen Best (7 Year Old Sam Flynn), Yurij Kis (Half-Faced Man), Steven Lisberger (Shaddix), Conrad Coates (Bartik), Daft Punk (Masked DJs), 127 Min., Kinostart: 27. Januar 2011

Als Tron rauskam, war ich 15. Exakt das Alter, in dem man auf Blade Runner abfährt, aber die Idee hinter Tron unglaublich bescheuert findet. Ich sah seinerzeit so ziemlich jeden Film, der was mit Science Fiction zu tun hatte (von Dr. Cyclops bis Solaris), aber auf Tron hatte ich nie wirklich Bock. Im Zusammenhang mit Tron Legacy (dessen Trailer ich ziemlich blöd fand) habe ich mir mal auf youtube »die beste Szene aus Tron« angeschaut, und wenn das wirklich die beste Szene war, will ich den Rest nie sehen.

Wie erwartet, war auch kein Vorwissen vonnöten. Wenn man weiß, dass Jeff Bridges und Bruce Boxleitner damals die Hauptrollen hatten, überfordert einen die Story von Tron Legacy nicht eben. Wenn man dann noch Star Wars, The Matrix und ein paar zentrale Stellen aus der Bibel kennt, kommt einem einiges bekannt vor. Und wenn man weiterhin 2001 - A Space Odyssey gesehen hat und einen Penner als solchen erkennen kann, hat man den Film philosophisch und politisch bereits komplett durchdrungen. Die letzten zwei Worte, die mit »p« begannen, sollte man vielleicht in Anführungsstriche setzen.

Tron Legacy (Joseph Kosinski)
Bildmaterial © Disney Enterprises, Inc.

Wer - wie ich - an Avatar das Drehbuch kritisiert, weiß nach Tron Legacy erst, wie »clever« Cameron eigentlich im direkten Vergleich wirkt. Und wo andere Sequels an ihrem Original gemessen werden, kann Tron Legacy als »Alibi« vorweisen, dass »Tron 1« (wie der Film inzwischen bei einigen Konsumenten heißt) ja auch schon ziemlich hanebüchen in Sachen Story war, und verglichen damit ist der neue Film dann sozusagen ein »Upgrade«. Das ist dann etwa so, als wenn man sagt, dass Star Trek - The Motion Picture verglichen zu der Episode auf dem Gangster-Planeten state-of-the-art SciFi war.

Ein begeisterter Kritikerkollege aus meinem weiteren Freundeskreis sagte schon vor der Vorführung, dass Tron Legacy »Raum, Bewegung und Geschwindigkeit« (oder so was ähnliches) sei. Ich glaube, Speed Racer findet der auch super. Und wer eine Kombination aus »Snake« und »Super Mario Kart« abendfüllend erachtet, und sich nicht daran stört, dass ein computerverjüngter Jeff Bridges in extremer Künstlichkeit hier zwar einerseits (genial) zum ultimativen Bösewicht wird, aber andererseits (unendlich dumm) auch als idealisierte Vaterfigur des Jahres 1989 exakt gleich (blöd) aussieht, der wird sich womöglich auch unterhalten.

Tron Legacy (Joseph Kosinski)

Tron Legacy ist vor allem Oberfläche, und wer sich daran als »User« (aka Zuschauer) nicht sattsehen kann (Gefiel euch der Trailer? Dann gefällt euch auch der Film!), und sich längst den Soundtrack von Daft Punk heruntergeladen hat, der wird den Streifen ähnlich abfeiern, wie es vor einem Jahr bei Avatar geschah. Wer sich hingegen von den nicht einmal besonders überzeugend inszenierten »Spiel-« und Kampfsequenzen nicht blenden lässt und bei dem vermeintlich philosophischen Brimborium das Gehirn eingeschaltet lässt, der wird feststellen, dass der Film als Disney-SciFi etwa so innovativ ist wie seinerzeit The Black Hole. Nur, dass es hier statt eines dusseligen Roboter-Sidekicks eine Mischung aus Datas »Tochter« Lal und einem quasi Latex tragenden Manga-Mädchen gibt, das der Held beschützen darf und das geschickt alle Hormon-Knöpfe der ewig 13jährigen Computergeeks drückt. Antiseptisch jugendfrei angedeuteter Cybersex inkl. romantischer Motorradfahrt zum Sonnenuntergang. Womit in Maßen sogar das weibliche Twilight-Zielpublikum angesprochen wird.

Dazwischen wandelt Jeff Bridges als Obi-Wan Kenobi plus Gandalf mit anderthalb Dialog-Zeilen, die auch den »Dude« reaktivieren.

Tron Legacy (Joseph Kosinski)

Im Zusammenhang mit dem Film ließ ich mich mal zu der Behauptung hinreißen, dass ich mit der beim Kinobesuch vergeudeten Lebenszeit lieber artig auf den Lichtwechsel von etwa 200 Fußgängerampeln gewartet hätte, und aufs Farbschema bezogen, ist das glimmende rot-grün, das man auch von Star Wars kennt, nicht weit entfernt vom rot-blau von Tron Legacy. Nur dass die farblich einprägsam kodierten Spielfiguren der Arcaden-Cyberwelt sich behender bewegen als das durchschnittliche Ampelmännchen.

Um die Cyberwelt von der »realen« Welt unterscheiden zu können, hat man übrigens nur die ungleich flashigeren Bilder der Spieloberfläche, in der der halbwegs noch als jugendlich zu bezeichnende Held Sam Flynn nach seinem Papi sucht, dreidimensional gestaltet. Schon vor den ersten Filmbildern klärt einen eine Schrifttafel darüber auf, dass nicht der gesamte Film in 3D gehalten ist, man aber die Spezialbrillen durchgehend aufbehalten soll. Der Kniff, dass die abenteuerliche Welt innerhalb der Filmwelt vermeintlich näher an den Alltagseindrücken des Zuschauers ist, ist so alt, wie The Wizard of Oz, aber noch bezeichnender ist es, dass sogar Robert Rodriguez in Spy Kids 3D: Game Over bereits die Computerspielwelt in 3D hielt, während die »realere« Welt außerhalb der natürlich 1 zu 1 identischen, aber dynamischer gekleideten Avatare und ihrer die Extraleben bedrohenden Gegenspieler »flach« bleibt. Doch Rodriguez war wenigstens noch fair (und verspielt) genug, einen während des Films immer wieder aufzufordern, die 3D-Brille auf- oder abzunehmen, was nicht nur Kinderaugen schont. Als ich bei der Vorführung von Tron Legacy das (zu keinem Zeitpunkt aufgeklärte) Prinzip verstanden hatte, habe ich die Brille aber dennoch abgenommen, nachdem die Spielwelt wieder verlassen wurde. Schon weil sie das Leinwandgeschehen unnötig verdunkelt.

Tron Legacy (Joseph Kosinski)

Weitaus stärker als in The Wizard of Oz ist übrigens die Realwelt von Tron Legacy noch blöder als die bunte Traumwelt. Während des Films fällt es einem vielleicht noch nicht so sehr auf, aber die Rahmenhandlung interessierte die Filmemacher offenbar soviel, wie Gamedesigner die Texttafeln oder eingesprochenen Einleitungen zur Erklärung der Spielwelt. Sam Flynn ist eigentlich ein gelangweilter Millionenerbe, der seinen Papi vermisst und eine intensive Beziehung zu seinem Schoßhund aufgebaut hat (ob er sich für Sex, Drugs und Rock’n’Roll interessiert, hat man in dem Disneyfilm natürlich ausgespart). Aus einem (micky-maus-braven) Gerechtigkeitsgefühl heraus, das sich kontraproduktiv zu seinem Lebensunterhalt verhält, bricht er in die Firma ein, die ihm zu 51% gehört, weiß aber offenbar, dass dort nur ein einziger, etwas dicklicher Sicherheitsbeamter Dienst schiebt, der ihm immerhin pflichtbewusst bis auf lebensgefährliche Anhöhen folgt, damit Sam dann mit teurem Abenteuerspielzeug für den ersten Adrenalinschub des Films sorgen darf. Nebenbei deutet man an, dass der frühere beste Freund seines verschwundenen Vaters (Bruce Boxleitner) einerseits im Aufsichtsrat der Firma sitzt, andererseits aber für rebellischen Sohn des seinerzeit ähnlich impulsiven Helden des Vorgängerfilms den etwas hilflosen Vaterersatz mimt, der aufgrund einer mysteriösen Nachricht dann auch die gesamte Geschichte in Gang bringt. Natürlich gibt es auch einen profitorientierten (und somit natürlich bösen) Geschäftsführer, der aber verglichen mit dem nicht alternden Computerschurken (Jeff Bridges in CGI-jung), der auf dem Weg zum Perfektionismus große Reden führt wie ein Westentaschen-Adolf, auch vom Film vernachlässigt wird.

Tron Legacy (Joseph Kosinski)

Ich muss zugeben, dass einige der Spiel- und Kampfszenen hübsch anzusehen sind (wenn auch die Montage die eigentlich lobenswerte Raumkonstruktion mitunter sabotiert), was auch für die unschuldig-antiseptisch-verruchte Olivia Wilde gilt, und Michael Sheen als HiTech-Dandy / Unterweltboss / Stasispitzel des Computerschurken sorgt für die wahrscheinlich unterhaltsamsten Minuten des Films, aber der Film als solches hat mich in seiner Machart und mit dem, wofür er steht (Abzocke mit Oberflächenreizen) angeekelt und gelangweilt, wie es nur selten passiert (ich muss allerdings zugeben, dass ich bereits einen noch schlechteren Film für 2011 gesehen habe - den am selben Tag startenden Meat). Aber so ziemlich jeder, der sich die Mühe macht, diesen Text überhaupt durchzulesen, hat sich längst entschieden, auf den Hype reinzufallen, und so kann man sich bereits darauf einstellen, dass die nächste Fortsetzung des Franchise nicht so lange auf sich warten lassen wird. Herzlichen Glückwunsch!