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24. August 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Cowboys & Aliens (Jon Favreau)
Cowboys & Aliens (Jon Favreau)
Cowboys & Aliens (Jon Favreau)
Bildmaterial © Paramount Pictures
Cowboys & Aliens (Jon Favreau)
Cowboys & Aliens (Jon Favreau)

Cowboys & Aliens (Jon Favreau)
Regisseur Jon Favreau


Cowboys & Aliens
(Jon Favreau)

USA 2011, Buch: Mark Fergus, Alex Kurtzman, Damon Lindelof, Roberto Orci, Hawk Ostby, Kamera: Matthew Libatique, Schnitt: Dan Lebental, Jim May, Musik: Harry Gregson-Williams, Kostüme: Mary Zophres, mit Daniel Craig (Jake Lonnagan), Harrison Ford (Woodrow Dolarhyde), Olivia Wilde (Ella), Sam Rockwell (Doc), Ana de le Reguera (Maria), Clancy Brown (Father Meachum), Adam Beach (Nat Colorado), Paul Dano (Percy Dolarhyde), Keith Carradine (Sheriff John Taggart), Noah Ringer (Emmett Taggart), Abigail Spencer (Alice), Raoul Trujillo (Black Knife), David O’Hara (Pat Dolan), Walton Goggins (Hunt), Julio Cedar Cedillo (Bronc), 118 Min. (angeblich 123 Min., falls Überlängenzuschlag eingefordert wird: verweigern und auf Stoppen der Filmlänge bestehen!), Kinostart: 25. August 2011

Jon Favreau ist nicht nur als Schauspieler (Foggy Nelson in Daredevil), sondern auch als Regisseur ein großer Freund von Comicverfilmungen. Nach dem gelungenen Iron Man und dem peinlichen Iron Man 2 kommt nun mit Cowboys & Aliens seine dritte Comicverfilmung in Folge. Die Rechte am C&A-Comic wurden schon aufgrund des vielversprechenden Titels frühzeitig von Hollywood gesichert, und im Presseheft erfährt man einiges über den Lizenzgeber Scott Mitchell Rosenberg, dem auch der Comicverlag Malibu gehört, und der schon bei Men in Black (auch so eine Comicverfilmung, von der fast keiner die Vorlage kennt) seine Finger im Spiel hatte. Immerhin scheint Rosenberg auch an der Story des Comics beteiligt zu sein, es deutet aber alles darauf, dass der Comic ein Riesenschmarrn ist. Fliegende außerirdische Motorräder, aus dessen Teilen ein Schmied Anti-Gravitations-Hufeisen macht, mit deren Hilfe Indianer dann auf ihren geupgradeten Hottemaxen durch die Lüfte galoppieren, bleiben uns beim Film immerhin erspart, und auch die Figuren wurden für den Film allesamt neu erdacht.

Der erste Eindruck des Films ist durchaus positiv. Daniel Craig wacht in miesepetriger James-Bond-Laune irgendwo in der Prärie auf, kann sich an nichts erinnern und findet eine seltsame Metallmanschette an seinem Handgelenk. Dann setzt bereits die Action ein, und der unbewaffnete zunächst Namenlose muss sich einem Trio von Skalpjägern gegenüber durchsetzen. Wie Craig am Boden sitzt, er sich den hinter ihm nähernden Reitern bewusst ist, sich aber vorerst nichts anmerken lässt, und die langsam nach oben fahrende Kamera das Tableau einfängt, zeugt von einer durchaus innovativen Inszenierung aufbauend auf alten Western-Genre-Konventionen. Leider verliert sich dieser anfängliche Eindruck im Verlauf des Films immer mehr, denn fortan werden vor allem die Gemeinplätze der beiden Genres abgespult, und insbesondere die Drehbuchstruktur kann man kaum eine solche nennen. Craig als Lonnagan kommt irgendwie in die Bredouille (Skalpjäger, Saloonschurken, Gesetzeshüter, frühere Räuberkumpanen, Indianer) und er kann sich entweder allein gegen die Gefahr durchsetzen (insbesondere, wenn die gegnerische Überzahl nicht zu stark ist) oder wird durch erstaunlich regelmäßig auftretende Angriffe der Außerirdischen sozusagen unbeabsichtigt (was die Aliens angeht, nicht, was die Drehbuchautoren angeht) befreit oder sonstwie unterstützt. Nebenbei lernt man noch den zunächst schurkischen Viehbaron (Harrison Ford), seinen missratenen Sohn (Paul Dano), einen Saloonbetreiber (Sam Rockwell) und eine geheimnisvolle Schöne (Olivia Wilde) kennen, und die Aliens sind beim Kidnappen von Teilen der Bevölkerung (mit lassoähnlichen Grappling Hooks - eine der wenigen wirklich guten Ideen des Films) dem Drehbuch erneut sehr dienlich, indem sie durchweg jeder auftretenden Figur eine Motivation liefern (»ich muss meinen Sohn / Enkel / meine Frau retten«), ungeachtet von Feigheit, Schießunkundigkeit oder gänzlich anderen Interessen heldenmutig gegen die Aliens anzutreten, was dann sogar zu einer Verbrüderung der westerntechnisch antagonistischen Cowboys und Indianer gegen den gemeinsamen Feind führt. Doch auch, wenn man beispielsweise im Indianerbild des Films einige interessante Ansätze entdecken könnte, macht C&A es überdeutlich, dass es einzig und allein um Konfrontation und Action geht. Höchstens noch mal um einfallslos wiedergekäute Klischees und narrative Versatzstücke.

Unter den 16 (!) Produzenten des Films finden sich unter anderem Regisseur Favreau (Executive Producer), Steven Spielberg (Executive), Ron Howard und sein Produktionspartner Brian Grazer (Producer), drei der fünf Drehbuchautoren (alle Producer), darunter Kurtzman und Orci, die man aus dem Umfeld von J.J. Abrams (in beiden Funktionen) kennt, und Scott Mitchell Rosenberg (Producer), der die Rechte am Titel des Comics innehat. Das alte Sprichwort von den zu vielen Köchen passte selten besser.

Die interessantesten Momente des Films wirken zumeist eher unfreiwillig. Mir persönlich hat die widersprüchliche Zeichnung des Wild-West-Geheimagenten Craig / Lonnagan gefallen. Obwohl er noch seiner in Flashbacks auftauchenden Frau Alice hinterherweint, wird Olivia Wilde als Ella (die beiden Frauen haben nicht nur ähnliche Namen, sie sehen sich auch recht ähnlich) natürlich als Love Interest aufgebaut, und die Paardynamik ist verblüffend. Da gibt es beispielsweise eine Szene, in der Ella textilfrei mitten in einer Indianerfeierlichkeit auftaucht (der Zuschauer sieht natürlich nur ihre Schultern). Ganz der Kavalier der alten Schule organisiert Lonnagan blitzschnell eine Decke, um sie vor den Blicken der Menschenmenge zu verbergen. Doch die Zeitspanne, bis sie ihre Blößen endlich hinter der Decke verbergen kann, lässt eigentlich nur den Schluss offen, dass Lonnagan selbst sich erst noch unauffällig und ausgiebig »sattsehen« will - der Film liefert keine andere Erklärung für diese seltsame Szene. Auf subtile Art fast noch absurder ist die Art und Weise, wie cholerisch er reagiert, als irgendein Strauchdieb Ella als Hure bezeichnet - insbesondere, wenn man sich an das erste Treffen von Lonnagan und Ella erinnert, wo er ihr (wenn auch nicht mit abschätzigen Worten) exakt die selbe Betätigung unterstellte, was angesichts ihres (im Genre eher deplazierten) Dresscodes auch nicht komplett abwegig erscheint.

Abschließend möchte ich nur wiederholen, dass mir der Film zunächst gut gefallen hat (siehe beschriebene Eingangsszene), und ich auch nach dem Film eher neutral bis positiv eingestellt war. Mit etwas zeitlichem Abstand hingegen wurden die positiven Aspekte immer mehr abgeschwächt, während die Aufreger und Ärgernisse sich immer mehr in den Vordergrund drängten - etwa schlechte und überflüssige CGI-Effekte, wenn nach dem ersten Angriff ein paar Sträucher brennen oder platt nachgestellte Story-Elemente aus Close Encounters of the Third Kind oder Alien³. Wo ich vor zwei Wochen den Film noch verteidigt hätte, kann ich jetzt nur noch abraten. Besser als Iron Man 2 ist C&A zwar, aber eigentlich sollte man den Komperativ auch nur verwenden, wenn der Positiv zutrifft - und da Iron Man 2 keinesfalls »gut« war, ist »besser« dann einfach die falsche Wortwahl. »Weniger schlecht« ist da zutreffender.