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24. Oktober 2012
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Robot & Frank (Jake Schreier)


Robot & Frank
(Jake Schreier)

USA 2012, Buch: Christopher D. Ford, Kamera: Matthew J. Lloyd, Schnitt: Jacob Craycroft, Musik: Francis and the Lights, Production Design: Sharon Lomofsky, mit Frank Langella (Frank), James Marsden (Hunter), Susan Sarandon (Jennifer), Liv Tyler (Madison), Rachael Ma (Robot), Peter Sarsgaard (Stimme Robot), Jeremy Strong (Jake), Jeremy Sisto (Sheriff Rowlings), 89 Min., Kinostart: 25. Oktober 2012

Als Kritiker, der Wochen oder gar Monate vor Kinostart zu Pressevorführungen geladen wird, hat man manchmal ein Filmerlebnis, das »normale« Zuschauer nicht nachvollziehen oder nur schwer nacherleben können. Als ich Brokeback Mountain sah, wusste ich den Namen des Regisseurs und der beiden Hauptdarsteller, hatte mitbekommen, dass der Film in Cannes oder Venedig ausgezeichnet worden war und hatte auch irgendwie noch im Hinterkopf, dass der Film irgendwas mit Cowboys zu tun hatte. Aber während Jack und Ennis sich erstmals im Zusammenhang mit einer Art »Vorstellungsgespräch« gegenüber standen, brachte ich nicht diesen ganzen Ballast mit mir, der die erste Sichtung des Films komplett verändert hätte.

Ein geschätzter Kritikerkollege läuft puterrot an und spricht manchmal vier Tage nicht mehr mit einem, wenn man auch nur die geringste Information, die über den Filmtitel hinausgeht, vorzeitig verlauten lässt. Ich hingegen mache meine Filmauswahl von Genre (so es offensichtlich ist), Regisseur, Darstellern / Sprechern und auch mal einer Buchvorlage abhängig.

Robot & Frank (Jake Schreier)

Bildmaterial: Senator Film

Für Robot & Frank bedeutet das: Offenbar kommt ein Roboter im Film vor, es ist also nicht abwegig, von Science Fiction auszugehen. Der Name des Regisseurs (Jake Schreier) war mir unbekannt, aber die Hauptrolle (Frank) spielt Frank Langella, den ich als Trekkie natürlich schätze (Jaro Essa aus dem »Circle«-Dreiteiler der zweiten Staffel von Deep Space Nine), aber auch als Kinogänger, etwa für seine Nixon-Darstellung in Frost/Nixon oder als Perry White in Superman Returns. Langella ist so ein eher unauffälliger »Charakterdarsteller«, der nur selten Hauptrollen angeboten bekommt - und umso mehr freute ich mich darauf. Außerdem wirkte bei einem flüchtigen Drüberschauen auch die restliche Besetzung des Film vielversprechend: James Marsden und Susan Sarandon (mal wieder zusammen vor der Kamera), Liv Tyler und Peter Sarsgaard, von dem ich damals noch nicht wusste, dass er den Roboter spricht.

Robot & Frank (Jake Schreier)

Bildmaterial: Senator Film

So saß ich dann im Kino und freute mich. Ich will nur so viel verraten, dass Frank (Langella wird im Januar 75, seine Filmfigur ist ähnlich alt) Pflegeunterstützung braucht, und sein Sohn ihm einen Roboter schenkt, der ihm gesunde Speisen zubereitet und ihm auch sonst tierisch auf den Zeiger geht. Der mit 89 Minuten Lauflänge erfreulich komplexe Film hat ein prall gefülltes Drehbuch mit interessanten Themen und Fragestellungen, viel Humor und auch Spannung, und wer sich den Trailer zum Film anschaut, weiß bereits ca. 85% des Films, man wartet wahrscheinlich vor allem ab, in welcher Reihenfolge sich die Geschehen abspielen. Selbst das deutsche Plakat, das exakt das Original-Motiv übernimmt, nimmt bereits mehr zuvor, als man (oder zumindest ich und einige meiner Kollegen und Bekannten) vorher wissen wollen - und deshalb verwenden wir für satt.org das Originalplakat, auch, wenn die deutsche Presseagentur meckern wird, weil die natürlich glauben, der potentielle Zuschauer braucht jede Menge Infos, um sich für diesen Film entscheiden zu können. Solche Leute wird es auch geben, aber die lesen sich in den McDonald's Kino-News den Inhalt komplett durch und wollen eh keine Filme mit 70jährigen schauen.

Robot & Frank (Jake Schreier)

Bildmaterial: Senator Film

Hier einige Informationen, die einen durchaus zum Kinobesuch inspirieren könnten: Robot & Frank ist ein SF-Film ohne aufdringliche Effekte, dafür mit einer gut durchdachten Geschichte. Ein Film, den ich in eine Reihe mit Filmen wie Moon oder Wall·E stellen würde. Noch stärker als bei diesen Filmen ist Robot & Frank aber ein Film, den ich auch reiferen Kinofans empfehlen würde, die normalerweise Science-Fiction-Filme meiden wie die Katze den Zimmerspringbrunnen. Wenn es den Begriff »Old School« nicht längst gäbe, für Robot & Frank müsste man ihn erfinden. Wenn der durchschnittliche aktuelle SF-Film (von Film in Literatur »übersetzt«) das Äquivalent eines überflüssigen Bestsellers auf einem Kindl etc. wäre, dann wäre Robot & Frank ein aufwendig gebundener Klassiker, ein etwas staubig riechender Schinken, in dem man sich aber verlieren kann, und an den man sich noch Jahrzehnte später erinnert (vielleicht auch an einige Illustrationen oder das Gefühl des Papiers zwischen den Fingern), während die ach so modern wirkende Konkurrenz längst acht Generationen neuer »Reader« rausgebracht hat und der Datenmüll von damals in irgendeinem Ordner vergessen wurde oder auf einem alten Modell vergessen wurde. Sci-Fi muss sich nicht immer vom Fortschritt knechten lassen, sondern kann die Zukunft auch benutzen, um etwas über die Gegenwart (oder auch die Vergangenheit) auszusagen.

Robot & Frank (Jake Schreier)

Bildmaterial: Senator Film