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Bildmaterial © 2013 Sony Pictures Releasing GmbH
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Elysium
(Neill Blomkamp)
USA 2013, Buch: Neill Blomkamp, Kamera: Trent Opaloch, Schnitt: Julian Clarke, Lee Smith, Musik: Ryan Amon, Production Design: Philip Ivey, mit Matt Damon (Max), Sharlto Copley (Kruger), Jodie Foster (Secretary Delacourt), Alice Braga (Frey), Diego Luna (Julio), Wagner Moura (Spider), William Fichtner (Carlyle), Faran Tahir (President Patel), Emma Tremblay (Matilda), 109 Min., Kinostart: 15. August 2013
Neill Blomkamps aufsehenerregendes Debüt District 9 war etwa 40% Science-Fiction, 30% Action und 30% hier und da aneckende politische Unterfütterung. Da er damit erfolgreich war, hat er die Mischung nur rudimentär verändert: Etwas weniger SciFi, ausgeglichen durch mehr und bessere Spezialeffekte, den Actionanteil auf ca. 40% angehoben und den politischen Anteil besser verdaulich angelegt, mit leichten Märchenanteilen. Leider wurde dabei die handwerkliche Seite des Drehbuchs etwas vernachlässigt.
Max (Matt Damon) ist ein unzufriedener Erdenbürger Mitte des 22. Jahrhunderts. Seit seiner Kindheit träumt er davon, nach Elysium aufzubrechen, einer Raumstation, die wie ein Beverly Hills voller Luxusvillen als fünfzackiger Mercedes-Stern am Himmel prangt. Als die Zustände auf der Erde sich zunehmend verschlechtern (gleich zu Beginn gönnt uns der Film einige Kamerafahrten über Gebiete, die Südafrika, Favelas und CGI-gestützte Metropo-Slums zeigen), haben sich die wohlhabenden nach Elysium abgesetzt, während aus der Erde eine seltsame Mischung aus Polizeistaat und verbrecherischer Anarchie wurde, eine Kreuzung aus Mad Max und Robocop.
Etwas ärgerlich ist hierbei, wie Max in Kindheits-Flashbacks nicht nur eine idealisierte Freundin namens Frey (Alice Braga) zugeteilt wird, sondern vor allem eine Erziehung durch katholische Nonnen, die zwar wenig daran ändern können, dass Max seine Zukunft durch sein Talent zum Diebstahl auf den falschen Weg leitet, ihm aber einreden, er sei ein vom Schicksal auserkorener Messias, der einst die Welt verändern wird (offensichtlich ein Märchen, dass sie jedem von der Ungerechtigkeit der Umstände frustriertem Halbwüchsigen auftischen). Damit bastelt sich der Film einen unfreiwilligen Helden der Kategorie »Neo« oder »John Connor«, der die Revolution gegen die Unterdrückung auslösen wird.
Um ihm die notwendige Motivation zu verschaffen, bekommt Max einen anfänglich ganz normalen Tag zugeschustert, der zunehmend unerfreulicher wird. Es beginnt mit willkürlicher Polizeibrutalität, die ihm aufgrund eines Armbruchs fast den Job kostet. Gleichzeitig trifft er aber im Krankenhaus die mittlerweile als Krankenschwester tätige Frey wieder, die sich trotz seiner kriminellen Vergangenheit zu einem Kaffee nach Dienstschluss überreden lässt. Vorher trifft Max noch auf seinen ungehaltenen Bewährungshelfer und wird bei seinem Fabrikjob derart radioaktiv verstrahlt, dass bereits feststeht, dass er in fünf Tagen sterben wird.
Schon zu Beginn des Films wird gezeigt, wie Erdenbürger illegal versuchen, nach Elysium zu kommen, wo unter anderem in jeder Villa eine Wundermaschine zu stehen scheint, die in einer halben Minute selbst schlimmste Krankheiten heilen können. Allerdings nur für die Bürger von Elysium, die unter der rigorosen Führung einer unkonventionellen Sicherheitschefin (Jodie Foster) alle illegalen Einwanderer mit voller Härte der aufgerüsteten Homeland Security niederstrecken. Die Ähnlichkeit zur Situation an der Grenze zwischen Mexiko und den USA ist unübersehbar, unter anderem auch deshalb, weil man das Gefühl hat, dass mit der Ausnahme des heldenhaften Max sämtliche Erdenbewohner spanischstämmige Namen oder zumindest schlechte Englischkenntnisse zu haben scheinen. Jodie Foster hingegen spricht Französisch, was auf Elysium zweite Amtssprache zu sein scheint. Der Regisseur dazu: »The entire film is an allegory. [...] I tend to think a lot about the topic of wealth discrepancy and how that affects immigration.«
Das Drehbuch ist jetzt daraufhin ausgelegt, dass die Geschichte des Films, wenn man sie auf die heutige reale Situation umsetzen würde (es folgen SPOILER!), etwa so läuft, dass einige Kolonnen modernster Rettungswagen plötzlich aus den USA nach Mexiko aufbrechen, weil durch eine gehackte Verfassung sämtliche Mexikaner US-Bürger wurden, die (märchenhaft!) Teil einer vorbildlichen finanzierten Krankenversicherung sind.
Und weil Jodie Foster in ihrer intrigant-mondänen Hinterhältigkeit nicht abendfüllend ist, gibt es noch einen zweiten Superschurken, den Sharlto Copley, den Hauptdarsteller aus District 9, als Kruger, ein Name, der gleichsam den Horror-Alptraum Freddy evoziert als auch an Blomkamps und Copleys Heimat Südafrika erinnert, wo der Krugerrand wie ein Symbol für Apartheid und »wealth discrepancy« wirkt. Immerhin ist die Figur Kruger neben dem auf Elysium tätigen Präsidenten eine Figur, die nicht dem etwas zu aufdringlichen Schema der spanischstämmigen armen Erdbevölkerung entspricht. Ach ja, abgesehen natürlich von Matt Damon, der in seiner allzu amerikanisch wirkenden Heldenrolle ein wenig sauer aufstösst, wie diese für ein politisch fragwürdiges Hollywood typischen Figuren, die jeweils für die Gleichberechtigung verschiedener Minderheiten stehen, obwohl sie gar nicht dazugehören, nach dem Motto »Man braucht einen Weißen / Hetero / Mann, um für die Rechte der Farbigen / Schwulen / Frauen zu kämpfen.« (Paradebeispiel etwa: The Help.) Spätestens an dieser Stelle des Films ist dann doch der Actionanteil neben den Spezialeffekten weitaus wichtiger als die auf Vorschulniveau hingebogene politische Botschaft, die Blomkamp mit einer Kindergeschichte über ein Flusspferd durchsetzt, um den Film auf kitschiges Hollywood-Terrain zu führen. Wie schon bei District 9 gibt man zwar interessante Denkanstöße, verquirlt sie aber auch mit sehr fragwürdigen Aussagen, ähnlich wie es einst Paul Verhoeven tat, der sich dabei aber eine zynische Distanz bewahrte, die bei Blomkamp nur noch in Ansätzen zu erkennen ist – da war sein Debüt kompromissloser.
Irgendwie drängt es mich dazu, Elysium mit Pacific Rim zu vergleichen. Beide Filme zeigen rudimentäre Ambitionen, die über reines »Event-Kino« hinausgehen. Und beide Filme werden in den letzten zwanzig Minuten zunehmend ärgerlich. Bei Pacific Rim (inzwischen kann ich das sagen) hat mich besonders genervt, dass der lang vorbereitete Opfertod des Helden dann unerwartet ausfällt, weil das Drehbuch sich eine nicht ansatzweise überzeugende »Hintertür« offenhielt. Beim direkten Vergleich kommt Elysium hier besser weg. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass Pacific Rim trotz der High-Tech-Materialschlacht auf Transformers-Niveau mich doch immer noch irgendwie mitfiebern ließ. Beim finalen Showdown von Elysium hingegen war ich trotz der Effekt-Orgie und des rasanten Schnitt-Rhythmus erstaunlich gelangweilt. Wenn Max und Kruger mit ihren »Exosuits« und fetten Wummen gegeneinander antreten, erinnerte mich das an den blödesten Showdown des jungen Jahrhunderts, den Kampf zwischen The Incredible Hulk und »The Abomination« – wo man selbst noch im hochgezüchtetsten Martial-Arts-Streifen so was wie Menschen gegeneinander kämpfen lässt (und bei Pacific Rim immerhin auf einer Seite Menschen kämpfen), da fehlt mir bei diesem Endkampf, in dem es immerhin um die Rettung der Menschheit geht, einfach das menschliche Element. Ein entscheidendes Manko. Die wenigen Regisseure, die es vermögen, im Wettstreit der vermeintlichen »Blockbuster« nicht nur irgendwelche bescheuerten Erwartungen eines Massenpublikums zu erfüllen (oder was man in den Executive-Etagen Hollywoods dafür hält: der Showdown muss immer lauter, bunter und dreidimensionaler sein als beim angeblichen »Film-Event«, das die Woche zuvor startete), sondern Filme drehen, die auch nach Maßstäben bestehen können, die über den Vergleich mit der aktuellen Produktion hinausgehen – das sind für mich Regisseure, die auch diesen Namen verdienen (würden). Aber der Qualitätsvergleich solcher Spektakel ist ähnlich sinnvoll wie bei zwei Scheiben Analog-Käse über Milchprodukte zu diskutieren.