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Bildmaterial © Walt Disney Studios
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Thor:
The Dark Kingdom
(Alan Taylor)
Originaltitel: Thor: The Dark World, Buch: Christopher L. Yost, Christopher Markus, Stephen McFeely, Comic-Vorlage: Stan Lee, Larry Lieber, Jack Kirby, Malekith created by: Walt Simonson, Kamera: Kramer Morgenthau, Schnitt: Dan Lebental, Wyatt Smith, Musik: Brian Tyler, mit Chris Hemsworth (Thor), Tom Hiddleston (Loki), Anthony Hopkins (Odin), Natalie Portman (Jane Foster), Kat Dennings (Darcy Lewis), Stellan Skarsgård (Dr. Erik Selvig), Idris Elba (Heimdall), Rene Russo (Frigga), Christopher Eccleston (Malekith), Jonathan Howard (Ian Boothby), Jaimie Alexander (Sif), Chris O'Dowd (Richard), Ray Stevenson (Volstagg), Zachary Levi (Fandral), Adewale Akinnuoye-Agbaje (Algrim / Kurse), Tadanobu Asano (Hogun), Alice Krige (Eyr), Chris Evans (Loki verkleidet), Benicio del Toro (The Collector), Stan Lee (Schuhverleiher), 112 Min., Kinostart: 31. Oktober 2013
Anstelle einer Inhaltsangabe hier nur zwei Details: Wie uns Allvater Odin (Anthony Hopkins) mit pompöser Stimme verkündet, gab es vor 5000 Jahren, zur Zeit seines Vaters, einen Krieg mit dunklen Mächten, bei dem man eine unbesiegbare und unvernichtbare dunkle Macht namens Ether (also übersetzt »Äther«), eine Art dämonisch freischwebende Materie, die wie eine Mischung aus Lava und Quecksilber animiert ist, an einem Ort vergrub, wo sie nie jemand finden möge. Außerdem eröffnet Odin (diesmal persönlich) seinem betrügerischer Sohn Loki (Tom Hiddleston): »You'll spend the rest of your days in the dungeon.« Ich verrate nicht allzuviel, wenn ich vorwegnehme, dass diese beiden dunklen Mächte im Verlauf des Films beide freigesetzt werden und dafür sorgen, dass Halbgott / Superheld Thor (Chris Hemsworth) in seinem dritten Kinoauftritt wieder Gelegenheit bekommt, Asgard, Midgard, Vanaheim und Konsorten zu retten.
Der pompöse, selbstherrliche Tonfall des Films ist zu Beginn reichlich unerträglich. Es gibt eine Menge Schlachtengemälde und angeberische CGI-Landschaften, während sich Mächte, für die man wenig Empathie oder auch nur Interesse aufbringen kann, bekriegen wie in einer uninspirierten Version von Lord of the Rings. Das innovativste ist hierbei noch, dass man sich nicht nur mit Schwertern und ähnlichen klassischen Waffen auf die Glocke gibt, sondern die mit Totenschädelmasken als »böse« identifizierten Heerscharen auch noch recht modern wirkende Schusswaffen und Handgranaten-Varianten benutzen. Und etwas später kommt im Schlachtengetümmel eine weitere Blaupause zum Vorschein: Star Wars, inklusive einiger dort übernommener Geräusche. Das Disney-Imperium, das bekanntlich Marvel und Star Wars (und die Muppets) aufgekauft hat, dürfte nun leichten Zugang auf die Tondateien haben. Das größtenteils ohne Konsequenzen ablaufende spektakuläre Dauergehaue (an handverlesenen Stellen gibt es hin und wieder mal ein Opfer, um die Illusion einer Emotion anzudeuten) könnte kaum nervenbetäubender sein, und in den gefühlt ersten zwanzig Minuten des Films ging ich bereits davon aus, beim bisher langweiligsten Beitrag des umfassenden Marvel-Film-Universums Zeuge zu sein. Hierbei erfüllte mich auch der Umstand, dass als Regisseur der seinem Zenit entwachsene Shakespeare-Experte Kenneth Branagh durch den Game of Thrones-erprobten Fernsehmokel Alan Taylor* ersetzt wurde, nicht eben mit Zuversicht. Dann kamen aber glücklicherweise die ersten auf der Erde spielenden Szenen mit einem splitterfasernackt (gepixelt, um niemanden zu traumatisieren) bei Stonehenge herumwuselnden Stellan Skarsgård und der amüsantesten Zutat des Thor-Rezepts, Kat Dennings (lange Zeit eine junge Hollywood-Hoffnung, nun größtenteils in der Sitcom 2 Broke Girls verschlissen). In den einzigen Thor-Comics, die es sich lohnt zu lesen, dem Walt-Simonson-Run aus den Jahren 1983-86 (The Mighty Thor #337 – 367) erkannte der dem Pathos nicht generell abgeneigte Autor und Zeichner, dass das theatralische Shakespeare-Englisch und heldenhafte Göttergedöns nur dann zu goutieren ist, wenn man auf das Humor-Potential setzt, das sich durch eine Gegenüberstellung mit der Alltäglichkeit des modernen Lebens (oder der einen oder anderen Absurdität) ergibt.
Der mit Abstand beste (und lange in Erinnerung bleibende) Moment des neuen Thorfilms ist ein Besuch des muskelbepackten Halbgotts in der WG seiner irdischen Freundin Jane (Natalie Portman) und deren Sidekick / Assistentin / Freundin Darcy (Kat Dennings), bei der er seinen mächtigen Hammer Mjolnir, der Etikette bewusst, an einen Garderobenhaken hängt. Diese Art von Humor taucht im Film erst recht spät auf, und lange Zeit befürchtet man, dass der Humoranteil am Film vielleicht ein Siebtel ausmacht, was das Herunterwürgen etwa so darstellt, als wenn man sechs Teile Salz mit einem Teil Zucker mischen würde (Zuschauer, die sich tatsächlich an den 3D-Spezialeffekten allein ergötzen können, haben hier gewisse Vorteile).
Doch, und hier kommt der Spoiler, der keinem wehtut, Thor: The Dark World (keine Ahnung, warum man »World« für das deutsche Publikum in »Kingdom« »übersetzen« musste) hat offensichtlich von Joss Whedons The Avengers gelernt und der Showdown, die letzten zwanzig Minuten des Films (was bei Comicfilmen wie Tim Burtons Batman oder dem Incredible Hulk manchmal komplett unverdaulicher gequirlter Schellfisch ist), sind hier so überaus amüsant, dass man dem Film einiges aus den ersten zwanzig Minuten verzeiht.
Was den Film in die Gefilde gelungener Unterhaltung emporhievt, sind die humorvollen Stellen nach dem erklärten Prinzip (Asgard und Midgard in einen Sack stecken und draufhauen, bis einer lacht), die dem Ganzen auch etwas Bodenhaftung verleihen. Also etwa das in ein Raumschiff verlegte typische Geplänkel zwischen Fahrer und Beifahrer, hochintelligente Wissenschaftler, die sich außerstande sehen, den Klingelton ihres Handys zu verändern, eine orientierungslos vor der U-Bahn stehende nordische Gottheit oder das Geheimnis, an welchem Ort des Universums sich vermisste Schuhe anhäufen. Das Paradebeispiel dafür, wie man abgehobenen Kram down-to-earth bekommt: »The very fabric of reality will be torn apart.« --- »I'll better get my pants.«
*Nachtrag: Im Presseheft erfährt man von Alan Taylor, dass er Episoden von Game of Thrones, Mad Men und The Sopranos inszenierte. Angesichts der Auswahl seines Kinodebüts sah ich da vorrangig eine Verbindung zu brachialen Haudrauf-Barbaren (und offenbar war die Agentur auch darauf hinaus – gepaart mit dem Eindruck, dass Taylor im Fernsehbereich nur bei den qualitativen Speerspitzen mitarbeitet. Sex and the City wird im Presseheft nicht erwähnt). Gänzlich zufällig stolperte ich aber weniger als eine Woche drauf über die sehr unterhaltsame Fernsehserie Bored to Death (mit Jason Schwartzman, Zach Galifianakis und Ted Danson), bei der Taylor (wie bei Mad Men) bei vier Episoden Regie führte. Darunter die ersten beiden, weiter bin ich noch nicht gekommen. Ein nachträglicher Beweis, dass der Herr ein feines Gespür für Comedy hat.