Florence Foster Jenkins
(Stephen Frears)
UK 2016, Buch: Nicholas Martin, Kamera: Danny Cohen, Schnitt: Valerio Bonelli, Musik: Alexandre Desplat, Kostüme: Consolata Boyle, Szenenbild: Alan McDonald, Vocal Coach Meryl Streep: Arthur Levy, mit Meryl Streep (Florence Foster Jenkins), Simon Helberg (Cosmé McMoon), Hugh Grant (St. Clair Bayfield), Rebecca Ferguson (Kathleen), Nina Arianda (Agnes Stark), Stanley Townsend (Phineas Stark), David Haig (Carlo Edwards), David Mills (Augustus Corbin), Christian Mckay (Earl Wilson), John Sessions (Dr. Hermann), Allan Corduner (John Totten), Brid Brennan (Kitty), Pat Starr (Mrs. Vanderbilt), Aida Garifullina (Lily Pons), Nat Luurtsema (Tallulah Bankhead), Mark Arnold (Cole Porter), John Kavanagh (Arturo Toscanini), 110 Min., Kinostart: 24. November 2016
Dass eine vorher kaum bedachte historische Person plötzlich mit einer solchen Anzahl von Filmen bedacht wurde, ist vermutlich ohne Präzedenzfall. Schon im letzten Jahr gab es mit Xavier Giannolis Marguerite eine kurzerhand nach Frankreich verlegte Fassung der Geschichte und pünktlich zum Kinostart des Films von Stephen Frears läuft auch noch die »Florence Foster Jenkins Story« an, eine Art Mischung aus Doku und glamouröser Operninszenierung, die ich mir dann aber aus fehlendem Interesse an Goldlamé doch nicht angeschaut habe.
Beim Frears-Film ist natürlich die Besetzung der Titelrolle mit der auf Oscar-Nominierungen abonnierten Meryl Streep jene Neuigkeit, die schon im Vorfeld mehr Interesse initiierte, als Catherine Frot (die als Marguerite ihre Sache wirklich gut gemacht hatte) es hierzulande je gelingen könnte. Und auch, wenn ich natürlich nicht bestreiten kann, dass Meryl Streep hier glänzt wie so oft - der Film bietet mehr als nur ein Starvehikel, das ganz auf seine Hauptdarstellerin zugeschnitten ist. Hugh Grant wirkt wie eine seltsame Ergänzung an der Seite von Streep, passt aber ganz vorzüglich zum seltsamen Schauspielstil, der den Film auf amüsante Weise prägt.
© 2016 Constantin Film Verleih GmbH
Der heimliche Star war für mich aber Simon Helberg, besser bekannt unter seinem Rollennamen »Howard Wolowitz« in der Erfolgs-Sitcom The Big Bang Theory, der es zwar aufs deutsche Filmplakat geschafft hat, aber dabei etwas verschämt hinter einem Blumenstrauß versteckt auftritt und im Gegensatz zu seinen beiden bekannteren Kollegen nicht mit einer Namensnennung bedacht wurde - wohl, weil der Name des Schauspielers als unzureichend bekannt erachtet wurde. Dabei hat er sogar (zumindest gefühlt) mehr Leinwandzeit als Hugh Grant.
Wer TBBT nicht nur in der Synchro kennt, weiß um Helbergs besonderes Talent, Schauspieler zu imitieren. Seine Expertise als Dungeons & Dragons-Spielmeister (Folge 6.23), der Eichen, Drachen und anderes Fantasy-Geschmeiß mit den Stimmen und Tics von Oscar-Gewinnern wie Nicolas Cage, Al Pacino und Christopher Walken versieht, ist legendär. Worauf er sich aber neben dem gestählten Selbstbewusstsein eines echten ladies' man besonders versteht, zeichnet seine Rolle als »Cosmé McMoon« in diesem bisher meistbeachteten Kinoauftritt aus (man sah ihn auch schon in Winzrollen in A Serious Man oder Good Night, and Good Luck!): das peinlich berührte Herumdrucksen, ein schüchternes Sich-Winden und die mühsam in Zaum gehaltenen Gesichtsentgleisungen, mit denen sich hier die meisten Darsteller abmühen, wenn sie in den zweifelhaften Genuss der ersten Gesangsdarbietung der Titelfigur kommen.
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Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass Helberg in einigen gemeinsamen Szenen mit Streep das Auge des Betrachters von der vielfach preisgekrönten Hauptdarstellerin ablenkt. Was auch damit zusammenliegen mag, dass er ein wenig den Stellvertreter des Zuschauers darstellt, der hier in eine seltsame Figurenkonstellation hineinstolpert, die sich ihm erst in ihren Grundfesten erschließen muss. Und das vollbringt der Film des verlässlichen Frears (My Beautiful Laundrette, Dangerous Liaisons, High Fidelity und The Queen - um nur ein paar seiner größten Erfolge herunterzurattern) vorzüglich.
Das eigentliche Kunststück besteht nämlich darin, lange Zeit auf amüsante Weise den vorherrschenden Jahrmarkt der Eitelkeiten vorzuführen, ehe dann doch mit ungebrochener Wucht die Emotionalität der Geschichte (vieles, was einem zunächst seltsam vorkommt, hat schlussendlich einen tragischen Hintergrund) den Betrachter in den Bann schlägt. Und hier ist Meryl Streep dann doch wichtiger für das Fundament als der vor allem ins Metier hineinführende Helberg.
Die einst als Klavierlehrerin tätige Millionenerbin Florence Foster Jenkins (Streep) ist eine Mäzenin der New Yorker Kulturszene mit dem von ihr geführten Verdi-Club. Ihr zur Seite steht ihr halbadeliger Gatte St. Clair Bayfield (Grant), der zwar recht offensichtlich eine jüngere Geliebte hat und zunächst so wirkt, als unterstütze er seine Frau nicht zuletzt auch wegen ihres Reichtums, aber ihr im Größenwahnsinn, was die eigenen Talente angeht, kaum hintenansteht (»directed by St. Clair Bayfield, eminent actor and monologist«) und sie so getreu, wie es ihm möglich erscheint, unterstützt.
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In einen bereits eingeschworenen Kreis von (teils bezahlten) Unterstützern (»there's work to be done - but you never sounded better!«) wird ihr neuer Pianist McMoon (Helberg) eingeführt, der zunächst kaum seinen Ohren trauen mag, sich aber nach einem im Fahrstuhl verborgenen Lachanfall mit der gutbezahlten Stellung arrangiert, auch, wenn er um seinen (kaum vorhandenen) »guten Namen« fürchtet. Florence, die seit jeher von einer Gesangskarriere träumt, auch wenn ihre Darbietungen weniger an eine Nachtigall als eine Katze erinnern, tritt nun ihre Gesangskarriere an und wird dabei lange Zeit von gutbezahlten Ausbildern, bestochenen Journalisten und einem Publikum, das aus »true music lovers« rekrutiert wird statt aus »mockers and scoffers«, im Glauben gelassen, ein wahres Talent zu kultivieren. Wie bei hochkarätigem Boulevardtheater (mit hochgestochenen Dialogen, die zwar theatralisch wirken, aber immens erheitern) wird man Zeuge einer bis ins Detail durchstrukturierten Geheimniskrämerei, die zum legendären Auftritt der Jenkins in der Carnegie Hall (1944) fast zwangsläufig zu einem Fiasko führen muss, wobei die Geschichte ganz wie in der französischen Version (nur bei Frears besser durchdacht) über die pointierten Nebenfiguren funktioniert, wie etwa dem lauten Gangsterliebchen Agnes Stark (Nina Arianda).
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Inmitten der gediegenen Ausstattung besondere Erwähnung verdienen ein Kleid, in dem Ms. Streeps Taille aussieht wie eine Presswurst und ein mehrfach zu erhaschendes Old-School-Modell einer New Yorker Brücke, auf dem zwar die nächtlichen Autos immer in einem auffällig gleichförmigen Tempo unterwegs sind, das aber dennoch herzallerliebst ist und dem Film mehr Herz verleiht als irgendwelche perfekten CGI-Kulissen. Gerade das Theaterhafte des Films und die deutlichen Übertreibungen (eine Badewanne voller Kartoffelsalat) machen seinen Charme aus. Wie bei einer gefühlt zigfach gesehenen Szene, bei der eine leichtgekleidete Geliebte verborgen werden muss. Aber, wie bereits erwähnt: Zum Schluss überzeugt der Film nicht etwa dadurch, dass er seine Figuren der Lächerlichkeit preisgibt - sondern durch echte Emotionen. Und damit zählt Florence Foster Jenkins zu den zwei Dutzend der besten Filme des Jahres - und darunter zu einem der universell unterhaltsamsten. Dem lange Zeit vorherrschenden Feelgood-Flair werden sich nur wenige Zuschauer entziehen können.