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26. April 2017
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Guardians of the Galaxy Vol. 2 (James Gunn)


Guardians of the Galaxy Vol. 2
(James Gunn)

USA 2017, Buch: James Gunn, Comic-Vorlage: Dan Abnett, Andy Lanning, Kamera: Henry Braham, Schnitt: Fred Raskin, Craig Wood, Musik: Tyler Bates, Kostüme: Alexandra Byrne, Production Design: Scott Chambliss, Supervising Art Director: Ramsey Avery, mit Chris Pratt (Peter Quill / Star Lord), Zoe Saldana (Gamora), Dave Bautista (Drax the Destroyer), Michael Rooker (Yondu Udonta), Kurt Russell (Ego), Pom Klementieff (Mantis), Karen Gillan (Nebula), Sean Gunn (Kraglin), Elizabeth Debicki (Ayesha), Chris Sullivan (Taserface), Sylvester Stallone (Stakar Ogord), Laura Haddock (Meredith Quill), Stan Lee (Guest of Watchers), DH (alternative Ego) und den Originalstimmen von Bradley Cooper (Rocket), Vin Diesel (Groot), Steve Zahn (Howard the Duck), 137 Min., Kinostart: 27. April 2017

Wenn man während oder kurz nach dem Film die besten Eingebungen hat, kommen dabei die schönsten Filmkritiken heraus. In diesem Fall gehörte zu den gelungenen Rahmenbedingungen, dass der Berliner Presse am selben Tag wie Guardians of the Galaxy Vol. 2 auch The Belko Experiment gezeigt wurde, ein Film, bei dem James Gunn als Drehbuchautor und Produzent federführend war, und an dem man sehr hübsch im Vergleich über die vorherrschenden stilistischen Merkmale Gunns dozieren kann. Zur Doppelkritik passend zum Double Feature kommt es aber nicht, weil der »Lizenzgeber« (nicht der deutsche Verleih) es nicht möchte, dass jemand zu früh erfährt, dass ich The Belko Experiment gelungener fand als Guardians of the Galaxy Vol. 2. Beziehungsweise warum. Wenn der Film dann Mitte Juni anläuft, werde ich ganz sicher keine Bilder von »Yondu« oder »Kraglin« benutzen, um auf die Doppelbesetzung einiger Darsteller zu sprechen zu kommen.

Also die startnahe Berichterstattung.

Sperrfristen nerven echt!

Guardians of the Galaxy Vol. 2 (James Gunn)

© Marvel Studios 2017

Die schönste Szene von Guardians of the Galaxy Vol. 2 (ab sofort GOTG2 abgekürzt) kommt gleich zu Beginn. Während vier der fünf Guardians mit einem riesigen Tentakelmonster kämpfen, das zudem auch noch mehrere Reihen unangenehm wirkender Zähne hat, legt Baby Groot im Bild-Vordergrund eine kesse Sohle aufs Parkett und macht zwischendurch ein wenig Schabernack. Die eigentliche Filmhandlung findet in dieser erstaunlich langen Einstellung immer nur im Hintergrund ab. Ähnlich wie in der Buffy-Episode #3.13, »The Zeppo«, wo plötzlich Xander im Zentrum steht und man die übliche Handlung auch nur am Rande mitbekommt.

Das hatte etwas von der Chuzpe, mit der Guardians of the Galaxy vor drei Jahren zum fan favourite wurde. Noch ungeheuerlicher als bei einer Fernsehserie ist es natürlich bei so einer diverse Millionen Dollar schweren Marvel-Disney-Produktion, die von einem Kerl gestemmt wird, der bisher vor allem durch seine Mischung aus oft zynischem Humor und handfeste Splattereffekte aufgefallen ist. Sam Raimi und Peter Jackson haben es möglich gemacht, dass man auch mal vermeintlichen Sonderlingen riesige Projekte anvertraut (auch wenn es ausreichend Fälle gibt, bei denen die Studios dann wieder zwischendurch die Reißlinie ziehen).

Guardians of the Galaxy Vol. 2 (James Gunn)

© Marvel Studios 2017

James Gunn behält diesen vermeintlich respektlosen Tonfall für längere Zeit bei, kümmert sich beispielsweise kaum darum, wie man normalerweise eine Blockbuster-Handlung aufbaut. Aber irgendwie ist die Luft raus, was beim ersten Mal noch überraschend und faszinierend wirkte, ist nun nur noch ein Aufguss.

Bei Guardians of the Galaxy gefiel mir seinerzeit, dass man die Galaxie tatsächlich quasi durch Händchenhalten rettete. Diesmal ist der Showdown wie immer aufgebauscht bis zum geht nicht mehr. Doch zum Problem, dass man der verworrenen Handlung höchstens ansatzweise folgen kann, kommt der Genickbruch, dass die Gegenspieler längst nicht so bedrohlich sind wie bei Volume One - und die Guardians (die diesmal einige halboffizielle Zugänge bekommen) sich inzwischen so zusammengerottet haben, dass die kleinen Streitereien nur noch Geplänkel sind. Rocket kann man etwa mittlerweile relativ ungestraft »trash panda«, »triangle face monkey«, »puppy«, »fox« oder »rat« nennen, wo er früher selbst bei der halbwegs zutreffenden Bezeichnung »raccoon« schon einen Tobsuchtsanfall hatte.

Guardians of the Galaxy Vol. 2 (James Gunn)

© Marvel Studios 2017

Zwar gibt es dabei wirklich hübsche Einzelszenen (Drax und Mantis, die beiden Geschenke für die Marvel-Fanboys), unzählige großartige Gags und Anspielungen (Cheers, Pac-Man, Heather Locklear usw.) und mit Baby Groot einen geheimen Superstar, mit dem man einige Tonnen Merchandise über den Ladentisch bewegen wird. Aber es funzt nicht recht. Wenn aus dem Nichts ein Vater auftaucht, der einen sogar zum gottähnlichen Wesen machen will, ist eigentlich sonnenklar, dass das einen Haken haben wird. Und so wird der seit Passengers und The Magnificent Seven längst nicht mehr als unfehlbar eingeschätzte Chris Pratt im Herzstück des Films quasi aus der Handlung herausgerissen und in nicht wirklich spannende daddy issues verstrickt, teilweise über extrem kitschige Porzellan-Figuren à la Berta Hummel illustriert, während seine Freunde sich für längere Zeit in Smalltalk üben und der fast zweieinhalb Stunden lange Film im Leerlauf festhängt.

Auch wenn man gegen Schluss emotional doch noch fast die Kurve kriegt, stimmt hier einfach die Zusammensetzung nicht. Wie ein Kuchen mit Unmengen von superbuntem Zuckerguss, aber keiner richtigen Grundlage.

Guardians of the Galaxy Vol. 2 (James Gunn)

© Marvel Studios 2017

Da wäre es vermutlich sogar besser, weil unerwarteter gewesen, dem Sub-Plot, der aus einer regelrechten Nicht-Story besteht, zu folgen. Denn Rocket, der sich schon im ersten Film gern durch abstruse Scherze hervortat (»Für den Gefängnisausbruch brauchen wir diese Beinprothese!«), klaut hier zu Beginn ohne Not oder Verwertungspotential einige Batterien, was dazu führt, dass die »Guardians« den ganzen Film lang von ehemaligen Kunden und von deren engagierten Söldner verfolgt werden. Et voilá, das wäre zumindest eine subversive Anti-Handlung gewesen! Die man hier aber zum Schluss mit einer schwierig zu detonierenden Bombe, einem Papa-Sohn-Streit, der vierten Runde des ewigen Schwesterngezicke zwischen Gamora und Nebula und noch ein paar weiteren Details verwebt (fast ein Dutzend Figuren und eine ganze Flotte müssen beschäftigt werden), so dass zwar das narrative Tempo angezogen wird wie beim Turbo-Boost (oder wie das hieß) des Knight Rider, aber man sich vorkommt wie beim Zusammensturz eines zwölfstöckigen Kartenhauses, von dem man in Superzeitlupe über das gesamte Gebilde verteilte Großaufnahmen sieht, die sämtliche kausalen Zusammenhänge ins Off drängen.

Im Detail betrachtet wird hier zwar gute Unterhaltung geboten, aber der Film als Ganzes kann nicht ansatzweise überzeugen.