Logan Lucky
(Steven Soderbergh)
USA 2017, Buch: Rebecca Blunt, Kamera: Peter Andrews [d.i. Steven Soderbergh], Schnitt: Mary Ann Bernard [d.i. Steven Soderbergh], Musik: David Holmes, Kostüme: Ellen Mirojnick, Production Design: Howard Cummings, mit Channing Tatum (Jimmy Logan), Adam Driver (Clyde Logan), Riley Keough (Mellie Logan), Farrah Mackenzie (Sadie Logan), Daniel Craig (Joe Bang), Seth MacFarlane (Max Chiblain), Jack Quaid (Fish Bang), Brian Gleeson (Sam Bang), Dwight Yoakam (Warden Burns), Katie Holmes (Bobbie Jo Chapman), David Denman (Moody Chapman), Katherine Waterston (Sylvia Harrison), Hilary Swank (Special Agent Sarah Grayson), Ann Mahoney (Gleema Purdue), Charles Halford (Earl), Jon Eyez (Naaman), Sebastian Stan (Dayton White), Macon Blair (Special Agent Brad Noonan), LeAnn Rimes, Mike Joy, Darrell Waltrip, Jeff Gordon, Danielle Trotta, Adam Alexander (Themselves), Deneen Tyler (Prison Nurse), Autumn Dial (Beer Girl), 118 Min., Kinostart: 14. September 2017
Um von einem Comeback zu sprechen, war Steven Soderbergh einfach nicht lang genug weg. Bei Filmschaffenden ist das Verkünden eines Karriere-Endes auch viel zu oft einfach ein Teil der PR des aktuellen Filmprojekts. Womöglich gibt es tatsächlich Leute, die sich dadurch, dass ein Film »der letzte von XYZ« sein soll, dazu verleiten lassen, den jetzt aber zu schauen - wie so eine »limitierte Ausgabe«, die man nicht verpassen will. Stefan Raab hat das zum Beispiel ganz zu seinem Nutzen eingesetzt.
Aber kommen wir zum Film.
Das Drehbuch zu Logan Lucky stammt von der aus West Virginia stammenden Debütantin Rebecca Blunt (von der man inzwischen annimmt, sie sei ein fiktives Pseudonym, aber ich behandle sie mal wie eine richtige Person), und es erinnert an die Coen-Brüder. Man spürt das regionale Flair, nicht nur beim Vokabular oder dem Akzent, sondern bei der Diktion, dem Sprachrhythmus. Wobei ich mit dem »Spüren« nicht das eigentliche Endresultat meine, sondern eher das erkennbare Potential. Zudem wirken die Figuren ähnlich skurril. Nicht nur einzeln für sich genommen, sondern auch in der Konstellation.
© 2017 Studiocanal GmbH
So wie der Film nebenbei von der Trennung der Hauptfigur Jimmy Logan (Channing Tatum) von seiner Tochter Sadie (Farrah Mackenzie) erzählt, der drohenden Entfernung durch Jimmys Exfrau (Katie Holmes) und deren neuen Lebenspartner, einer eher fragwürdigen Figur mit dem Namen »Moody«, dessen zwei Jungs eigentlich sehr viel über seine Fähigkeiten als Vater verraten, so haben die Coens in Fargo die Schwangerschaft und Ehe der ermittelnden Polizistin nicht einfach nur für eine verstärkte Verwundbarkeit der Figur genutzt, sondern vor allem, um die Figur glaubwürdiger zu gestalten und einen als Zuschauer mit ihr mitzufühlen.
Logan Lucky beginnt mit einer Vater-Tochter-Szene, was die Wichtigkeit dieser Beziehung gleich deutlich unterstreicht. Jimmy ist kein perfekter Vater, aber man merkt, dass er sich Mühe gibt. Man spürt seine Liebe, aber auch seine Scham und Unzufriedenheit, wenn er mal wieder etwas vermurkst. Und die Liebe zu seiner Tochter wirkt zu jedem Zeitpunkt des Films wichtiger als das große Ding, dass er drehen will.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Figur ist die Vorgeschichte, die die mit Channing Tatum persönlich bekannte Autorin einfach aus dessen Biografie übernommen hat. Wie Tatum ist Jimmy ein früheres Football-Talent, dass diese Karriere wegen einer Verletzung aufgeben musste. Dass er gleich zu Beginn des Films einen Job verliert, weil sein Chef beobachtete, dass er fast unmerklich humpelt, gehört auch zur starken back story des Films.
© 2017 Studiocanal GmbH
Was mit den Filmen der Coen-Brüder eher wenig zu tun hat, ist das, was Blunt und Soderbergh aus dieser Prämisse machen. Ein Standard-Element in Filmen der Coens ist der Geldkoffer, der die Handlung (und die Gefahr) antreibt, aber letztendlich niemandem zum Vorteil gereicht. Bei den Coens bleiben oft (aber glücklicherweise nicht immer) die sympathischsten und »unschuldigsten« Figuren auf der Strecke, bei Soderberghs Heist-Movies (Ocean's 11, 12, 13) regiert eher das herkömmliche Happy-End. Wie man sich schon aufgrund der Vater-Tochter-Beziehung denken kann (bei den Coens sind solche Familienbande die absolute Ausnahme), hält sich der hinterhältige body count hier in Grenzen, wodurch auch die satirische Schärfe (etwa bei Seth MacFarlane als aufgeplustertem Unsympath) vergleichsweise harmlos ausfällt. Wo man sich als Filmfigur bei den Coens schnell mit einem Kopfschuss verabschiedet, im Häcksler oder im erzählerischen Off landet, gibt es bei Soderbergh eher einen kleinen Strafzettel für die weniger sympathischen Figuren.
Die Handlung dreht sich um die drei Logan-Geschwister, Jimmy, Mellie (Riley Keough) und Clyde (Adam Driver), wobei die beiden Brüder hier im Vordergrund stehen und insbesondere der einarmige Barkeeper Clyde gerne den Familienfluch der Logans erwähnt, von dem Mellie bisher verschont blieb. Was für sich genommen bereits die in Heist-Movies obligatorischen Komplikationen bei der kompliziert durchgeplanten Straftat antizipieren lässt.
© 2017 Studiocanal GmbH
Das Objekt der Begierde ist ein NASCAR-Autorennen, bei dem Jimmy durch seinen letzten (legalen) Job Insider-Wissen ergatterte und man den Tresorraum eines komplexen Rohrpostsystems, in dem die Bareinnahmen der Snack- und Getränkestände landen, ausrauben will.
Als Sprengstoff-Experten will Jimmy den wenige Wochen vor seiner Freilassung stehenden Joe Bang engagieren, den man einfach vorzeitig aus dem Gefängnis befreien will, um ihn dann später dort wieder abzuliefern, was auch noch eine zusätzliche Alibi-Funktion mit sich bringt. Zur Unterstützung des Plans wird Clyde einfach kurzfristig auch in staatlichen Gewahrsam gebracht, so dass er als Inside Man aus dem Knast heraus helfen kann.
Wie man schon anhand dieses Details erkennt, ist der Einbruch an sich reichlich kompliziert (allein das Zeitfenster des »eingebauten« Gefängnisausbruchs!), bietet aber dadurch auch viele kleine humorvolle Finten. Dass Clyde und Joe für einen größeren Teil der Handlung in schwarzweiß gestreifter Sträflingskleidung unterwegs sind (die in Sachen Old School Charme fast noch O Brother Where Art Thou? ausstechen), ist eines der vielen Details am Rande.
Blunt und Soderbergh legen hierbei besonderen Wert auf den Umstand, dass die Protagonisten diesmal nicht wie Danny Ocean und seine Spießgesellen reiche und bestens geeignete Gentleman-Gangster sind, sondern vom Pech verfolgte - und im Fall der drei Gebrüder Bang teilweise etwas minderbemittelte Landeier. Ein früher Arbeitstitel des Drehbuchs lautete »Hillbilly Heist«.
© 2017 Studiocanal GmbH
Alles in allem habe ich schon schlechtere Soderbergh-Filme gesehen (Kameramann Peter Andrews hat mich diesmal auch nicht so genervt). Ein bisschen wie bei Tarantino hat man vieles mit kulturellen Bezugspunkten (Rihanna, Game of Thrones) aufgepimpt, aber den ganz besonderen Coen-Touch bekommt man nicht so in den Griff (wenn man es überhaupt je wollte). Der Schlussteil des Films ist für meine Verhältnisse reichlich mainstream-mäßig geraten, wobei eine kleine Rolle für Hilary Swank nicht nur an die Cameos von Megastars bei den Ocean-Filmen erinnert, sondern auch (gemeinsam mit anderen Handlungsdetails) die Glaubwürdigkeit des gesamten Projekts reichlich strapaziert.
Aber die sollte man generell nicht zu genau betrachten, sonst würde man sich auch wundern, warum das Auftauchen von auffällig angepinselten Kakerlaken im Tresorraum keinerlei Sicherheitsbedenken in Gang tritt.
Mein Eindruck bei Lucky Logan ist, dass die Macher für jede nette kleine Idee gern ausgiebig gelobt werden wollen, aber man die Ecken und Kanten in der Handlung und die reichlich zuckersüße Harmonie und generelle Gefallsüchtigkeit geflissentlich übersehen (oder gar ebenfalls lobpreisen) soll. Dafür ist der Film aber letztlich nicht außergewöhnlich genug sondern schlägt allzusehr in die selbe Kerbe wie frühere Soderbergh-Filme, die sich auch schon in Tonfall, Besetzung und Dramaturgie wiederholten.
Mich hat übrigens auch der Auftritt des gegen sein Image spielenden blondierten Daniel Craig nicht ansatzweise so begeistert, wie man es verschiedentlich von Kollegen hörte. Da fand ich sein Sträflingskostüm deutlich witziger als sein Overacting.