Meine teuflisch gute Freundin
(Marco Petry)
Deutschland 2018, Buch: Marco Petry, Hortense Ullrich, Rochus Hahn, Lit. Vorlage: Hortense Ulrich, Kamera: Stephan Schuh, Schnitt: Martin Wolf, mit Emma Bading (Lilith), Janina Fautz (Greta Birnstein), Emilio Sakraya (Carlo), Ludwig Simon (Samuel), Samuel Finzi (Liliths Vater), Alwara Höfels (Sybille Birnstein), Olivier Korittke (Gabriel Birnstein), Axel Stein (Lehrer Seidel), Johann von Bülow (Direktor Papenhoff), Matilda März (Melody), Amina Merai (Daria), Theo Trebs (Eddie), Joyce Ilg (Mathelehrerin Engelhard), Thomas Clemens (Liliths Privatlehrer), 99 Min., Kinostart: 28. Juni 2018
Meine teuflisch gute Freundin startet in Deutschland zeitgleich mit der US-Highschool-Komödie Love, Simon, ebenfalls die Verfilmung eines Young-Adult-Romans. Vieles spricht im direkten Vergleich eher für Love, Simon, doch als Kritiker kann man nicht immer ganz objektiv qualitativ unterscheiden - gerade die enttäuschten oder übertroffenen Erwartungen spielen bei der Bewertung von Filmen eine Rolle.
Bei Love, Simon habe ich im Vorfeld schon einige Lobhudeleien wahrgenommen, traf dann aber auf eine eher unterdurchschnittliche Komödie, bei der gerade das so ambitionierte Coming-Out-Thema rückständig bis absurd behandelt wurde. Bei Meine teuflisch gute Freundin kannte ich mich ein wenig in der Filmographie des Regisseurs Marco Petry aus, der mit Schule und Die Klasse von '99 ganz vielversprechend in die Branche einstieg, doch der letzte Film, den ich von Petry kannte, war der reichlich missglückte Doktorspiele. Entsprechend waren die Erwartungen recht gering.
Und die Prämisse des Films (Teenager-Tochter des Teufels will Gleichaltrige verführen, Böses zu tun) strauchelt schon beim Betrachten des Trailers daran, wie sehr die durchtriebene Lilith dadurch ins Schwimmen kommt, das sie nicht darauf vorbereitet war, sich unter den Sterblichen ruckzuck zu verlieben.
Foto: Wolfgang Ennenbach © Wild Bunch Germany 2018
Als ich dann aber im Kino saß, war alles so over-the-top und überinszeniert (Texteinblendungen, Splitscreens, Wischblenden), dass es irgendwie wirklich Spaß machte. Emma Bading als Lilith (knallrote Haare, die halbwegs subtil an Hörner erinnern) übt sich zunächst einmal in krassem Overacting, wenn sie ihren Privatlehrer in Sachen Versuchung und Seelenakquise piesackt und dann auf die meistens verheerende Idee kommt, ihren Vater (Samuel Finzi, den ich generell nicht so mag, war nie besser) bei einer Wette austricksen zu wollen.
Doch dass der Herr Papa deutlich mehr Erfahrung bei unfairen Wetten hat, zeigt sich augenblicklich, wenn wir das junge Mädchen kennenlernen, das Lilith zur dunklen Seite überführen soll. Greta (Janina Fautz) hat zwar einen offenbar von Goethe inspirierten Vornamen, doch in der in Birkenbrunn lebenden Familie Birnstein (die auch gleich Birkenstock heißen könnte) ist sie die schüchterne Tugendhaftigkeit, die selbst das Mobbing wegen der von der Mutter gestrickten Garderobe (Kennwort: Topflappen) nicht zu bösen Gedanken animieren kann. Als Gretas Hobbys werden bei einer Einblendung angegeben: »Singen, Lesen, Hausaufgaben«. Lilith ist also reichlich gefordert, und schon der Widerspruch zwischen den beiden Mädchen funkt. Der sich natürlich auch darin manifestiert, dass Greta keinen Schimmer hat, was an ihrer neuen Freundin (Hobby: Cybermobbing) so anders ist. Während man kein Teufel sein muss, um von der Vorbildfamilie Birnstein zur Weißglut getrieben zu werden.
© Wild Bunch Germany 2018
Doch dann klappt es eigentlich ganz gut, in den beiden extremen Klischees so etwas wie normale Teenagerinnen zu entdecken, für deren kleine Nöte man sich durchaus zu interessieren beginnt. Das Casting der Hauptdarstellerinen wirkt ein wenig so, als hätte man vor etlichen Dekaden Joan Collins und Marie-Luise Marjan aufeinander gejagt.
Doch dann scheint ein Kernsatz aus dem Drehbuch die Entwicklung de Films zu beeinflussen: »Verliebte Teufel sind nicht mehr zu gebrauchen, weil sie so schwach und gefühlsduselig werden.« Die beiden Lovestorys und die Entwicklung einer Art Happy-End gehören nicht unbedingt zu den unbedingten Stärken des Films. Man hat den Eindruck, dass im Drehbuch gewisse Entwicklungen vorgesehen waren, und man muss jetzt alles in die richtige Richtung hinbiegen, wo eine organische Entwicklung aus den Figuren heraus natürlich immer die bessere Wahl wäre. Aber im Vergleich mit Love, Simon nimmt man sich da auch nicht soo viel.
Foto: Wolfgang Ennenbach © Wild Bunch Germany 2018
Manche Elemente von Meine teuflisch gute Freundin sind auch schon wieder so doof, dass sie fast schon wieder gut werden. Etwa der »böse« Eddie (Sohn des Direktors) mit seinen Standard-Schergen, die gerne Furcht unter den Mitschülern säen würden, aber an der umfassenden Unfähigkeit Eddies scheitern. Wie Theo Trebs diese Figur absichtlich doof und peinlich gestaltet, ist schon eine Spur zu dick aufgetragen, aber gerade dadurch funktioniert es hier, wo die Bullys in Love, Simon mehr eine Rolle im Drehbuch spielen, die sie fast augenblicklich wieder ablegen, weil man wohl glaubte, eine US-amerikanische Durchschnitts-Schule müsse durch umfassende Toleranz auffallen, die die fehlgeleiteten Schüler nur eben »verstehen« müssen. In Meine teuflisch gute Freundin gibt es diese verlogenen Bögen der Figurenentwicklung (abgesehen von den Lovestorys) nicht so überdeutlich, hier nähern sich die Extreme nur an. Am deutlichsten wird dass, wenn Greta mit ihren einstigen Todfeinden gemeinsam in einer Band namens »Pussy Deluxe« spielt (die vermeintliche Provokation mag an einem realen Schulhof noch funktionieren, im heutigen Medienrummel wirkt sie erschreckend harmlos und out-dated) und man zusammen eine vermeintlich »gewagte« Cover-Version singt (»Dont'cha wish your girlfriend was hot like me?«), natürlich in den zuvor abgelehnten Topflappen-Kleidern, die inzwischen der absolute Hit geworden sind. Die einen werden etwas verruchter, die anderen etwas braver, die einen legen an Intelligenz zu, die anderen erliegen der Gefühlsduseligkeit.
Rein inszenatorisch verliert man in der zweiten Hälfte reichlich an Tempo und Drive, weil man sich mehr um die emotionalen Momente kümmert (die Musik wird auch deutlich schrecklicher). Und nebenbei erkennt man als aufmerksamer Zuschauer, was alles ganz schön schwierig ist beim Regieführen. Etwa mehrere Szenen mit Fahrrädern, die eben nicht immer automatisch so stehen bleiben, wie sie sollen (siehe Outtakes im Abspann) oder die man nicht einfach während eines Sturzes verlassen kann (die Montage macht's möglich, aber die Szene funktioniert nicht).
© Wild Bunch Germany 2018
Der Anschlussfehler mit dem (zu!) akkurat ins Bild gesetzten Product Placement (in deutschen Filmen irgendwie immer unbeholfen und peinlich) hat mich auch gestört (ich achte eben gern auf Details), aber der absolute Höhepunkt war die Dekoration zum Aulafest, bei der die Ausschneidebuchstaben des Leistungskurses Kunst nicht nur eher nach dritter Klasse aussahen, sondern man sogar ein N ein Spiegelschrift aufgeklebt hat. Ich weiß natürlich, dass das als kleine Dreingabe gewollt ist, aber »Witz« und Wirklichkeit standen hier in einem zu großen Widerspruch.
Zum Abschluss noch mein Lieblingsmoment: Gretas Zimmer hat eine Dachschräge mitten im Raum und Lilith bewegt sich in einer Szene wie jahrelang im Ballettunterricht eingeübt mit einer nonchalanten Eleganz daran vorbei. Hier unterstützen sich die Figurenzeichnung und der (von 85% der Zuschauer vermutlich übersehene) visuelle Gag auf kongeniale Art. Davon hätte es ruhig ein bisschen mehr geben können.