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18. Oktober 2019
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Parasite (Bong Joon-ho)


Parasite
(Bong Joon-ho)

Südkorea 2019, Buch: Bong Joon-ho Han Jin-won, Kamera: Hong Kyung-pyo, Schnitt: Yang Jin-mo, Musik: Ung Jae-il, Kostüme: Choi Se-yeon, Szenenbild: Lee Ha-jun, mit Song Kang-ho (Ki-taek), Choi Woo-shik (Ki-woo), Park So-dam (Ki-jung), Chang Hyae-jin (Chung-sook), Lee Sun-kyun (Herr Park), Cho Yeo-jeong (Yeon-Kyo), Jung Zi-so (Da-hye), Jung Hyeon-jun (Da-song), Lee Jung-eun (Moon-gwang), 131 Min., Kinostart: 17. Oktober 2019

Seinen ersten großen Erfolg feierte der Regisseur von Snowpiercer mit Gwoemul, der international unter dem Titel The Host lief. Nun folgt Parasite, das klingt natürlich nach einer gewissen Verbindung. Oder zumindest dem selben Genre. Aber Bong Joon-ho, der generell im Genre-Kino zuhause ist, liefert jetzt keinen Monsterfilm, nicht einmal einen traditionellen Horrorfilm, sondern vor allem eine Zivilisationskritik mit komödiantischen Aspekten, bei der einem das Lachen nur irgendwann im Hals stecken bleibt.

Während die Pressemeute mal wieder vor dem Film umfassend gebeten wurde, nicht zuviel von der Handlung preiszugeben, gibt einem das Plakat schon einen umfassenden Einblick darüber, was wohl mit dem Titel gemeint sei - und dass einen über den von mir erwähnten sozialkritischen Aspekt hinaus wohl auch die für Bong so typischen Genre-Elemente erwarten werden. Zumindest machen die in das akkurate Familienbild hineinreichenden Beine nicht so den Anschein als würde hier nur jemand schlafen.

Parasite (Bong Joon-ho)

© Koch Films

Ich will mich zurückhalten mit konkreten Details über die Handlung, aber zumindest beschreiben, um was für eine Art von habitualen Klassenkampf es hier geht: der Film beginnt mit einer armseligen Fensterfront (eigentlich passt dieser Begriff nicht mal, weil man sich vermutlich etwas anderes vorstellt dabei), vor der unter anderem graue Socken aufgehängt sind. Familie Kim lebt auch architektonisch ganz weit unten in der koreanischen Gesellschaft.

Wenn sie mal aus dem Fenster schauen, blicken sie nicht auf irgendeine Landschaft, sondern auf eine Straßenschlucht, in der sich häufig Volltrunkene direkt vor der Behausung der Kims erleichtern. Später im Film kommt es zu einem längeren Regen, bei dem man das Gefühl bekommt, als stellen die Kims das zuunterste Auffangbecken dar nicht nur für den Niederschlag, sondern quasi für den ganzen Abschaum, der sich in der Gosse ansammelt.

Parasite (Bong Joon-ho)

© Koch Films

Der Film schildert zunächst den Alltag der Familie, ihre Billiglohnbeschäftigung, bei der sie noch drangsaliert werden, eine typische Freizeitbeschäftigung, die wie die IT-Version eines schon zweimal ausgequetschten Teebeutel wirkt - es ist ein Überleben auf dem niedrigsten Level, obwohl die Familienmitglieder durchaus auch Talente haben (die Familie an sich erinnert auch etwas an Gwoemul).

Hoch über der Stadt indes thront in einem von einen Spitzenarchitekten designten Haus die Familie Park (es ist sicher kein Zufall, dass man zwei der häufigsten koreanischen Familiennamen wählte), die im Grunde ein Spiegelbild der anderen Familie sein könnte - doch im Normalfall würden sich nicht einmal ihre Wege kreuzen, übertriebener großräumiger Luxus steht im Kontrast zu einem verdreckten engen Loch, im Tierreich würde man vielleicht an einen Adler und eine Ratte denken. Nein, besser einer Küchenschabe, denn die würdigt der Adler vermutlich nicht einmal eines Blickes.

Parasite (Bong Joon-ho)

© Koch Films

Zwischen diesen beiden Familien kommt es jetzt zu einer Interaktion (wenn ich die Spoiler niedrig halten will, dann mache ich das auch, no shit!), die im Grunde nur noch mal die Ähnlichkeit betont, ganz wie es John Landis mal in seinem Film Trading Places machte.

Anfänglich meinte ich mal, der Film habe komödiantische Züge. Da sollte man keine falschen Erwartungen schüren, der Humor besteht hier darin, dass man Zaungast der teilweise unglaublichen Vorgänge ist - und irgendwie mitfiebert, dass Familie Kim auch mal eine Chance bekommt. Dabei hat der Regisseur aber einen Heidenspaß damit, die »Annäherung« zwischen den Familien immer wieder durch brenzlige Situationen in Frage zu stellen.

Parasite (Bong Joon-ho)

© Koch Films

Und das ist auch das Tollste an dem Film, wie sich die gesamte Situation mit einem scheinbar gemächlichen Tempo immer weiter entwickelt. Ähnlich wie in Jordan Peeles Us fällt es aber auch Bong schwer, es nicht zu überziehen. Auch wenn der Film mit einer schönen Bezugnahme auf seine erste Einstellung endet, ist es mir beim »Showdown« dann doch ein bisschen zu viel Genre-Kino, weil die subtile Zivilisations-Komik mich viel mehr ansprach als die Szenen, wo es dann tatsächlich ums Überleben geht, um den Klassenkampf.

Um meinen Standpunkt noch mal zu verdeutlichen: Es gibt im Film auch eine etwas schräge Romeo-und-Julia-Geschichte, bei der man weiß, dass mindestens einer der Beteiligten verletzt werden wird. Solange man noch hoffen kann, hat mir der Film am besten gefallen. Aber wenn es dann bergab geht: so richtig schlecht wird Parasite als Film nicht - ich hätte mir nur (noch) mehr gewünscht.