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20. Januar 2020
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Little Joe (Jessica Hausner)


Little Joe
(Jessica Hausner)

Dt. Titel: Little Joe - Glück ist ein Geschäft, Österreich 2019, Buch: Jessica Hausner, Géraldine Bajard, Kamera: Martin Gschlacht, Schnitt: Karina Ressler, Kostüme: Tanja Hausner, Production Design: Katharina Wöppermann, Tonmeister: Malcolm Cromie, mit Emily Beecham (Alice Woodward), Ben Whishaw (Chris), Kerry Fox (Bella), Kit Connor (Joe Woodward), David Wilmot (Karl), Phénix Brossard (Ric), Sebastian Hülk (Ivan), Lindsay Duncan (Psychotherapist), Mae Alonzo (Jessie), 105 Min., Kinostart 9. Januar 2020

Ich habe schon lange eine ausgeprägte Vorliebe für Regisseurin Jessica Hausner (Lovely Rita, Hotel), die sich nach dem französischsprachigen Kino (Lourdes) nur auf dem englischsprachigen Markt ausprobiert. Auch in ihrem neuen (und spektakulär besetzten - u.a. mit Kerry Fox und Lindsay Duncan in kleinen Rollen!) Film Little Joe erkennt man deutlich ihre Stärken wie die ausgefeilte Bildkomposition (die schwebende Kamerafahrt ins Gewächshaus gleich zu Beginn! Das Production Design mit den Kittelknöpfen passend zu den Sitzmöbeln!) und den Hang zu schweren düsteren Atmosphären wieder, den sie nicht zuletzt auch über die Tonspur auslebt (die seltsamen japanische Musikgebilde! die Quietschgeräusche!).

Was mir bei Little Joe aber trotz all seiner Qualitäten fehlt, ist die Innovation, den etwa Hotel (trotz aller Anleihen bei Kubricks The Shining) mit sich brachte.

Little Joe (Jessica Hausner)

© Coop99, The Bureau, Essential Films

Bei Little Joe kommt man (oder zumindest ich) schwer umhin, an Klassiker des Pflanzen-Horror-SciFi erinnert zu werden. Wie, das ist ein Genre, dass euch noch nicht bekannt war? In der Science Fiction gibt es viele gern wieder beschrittene Wege, aber wenn irgendwelche Pflanzen eine große Rolle spielen, dann eigentlich durchweg negativ - vermutlich gerade, weil sie im normalen Leben und der Gegenwart eher eine harmlose und passive Rolle spielen, deutlich eher zum Opfer als zum Täter prädestiniert scheinen. So was bietet sich für Sci-Fi-Autoren geradezu an, mit einem Twist versehen zu werden, und gerade in den 1950ern, als der kalte Krieg noch brandaktuell war, probierte man da einiges aus. Da denkt man fast augenblicklich an John Wyndhams The Day of the Triffids (1951) und Jack Finneys The Body Snatchers (1955), wo sich die Pflanzen auf unterschiedliche Arten die Menschheit untertan machen wollen. Diese literarischen Vorlagen wurden recht fix verfilmt (Finney kriegt als Klassiker gefühlt alle 15 Jahre eine neue Verfilmung), aber es gab damals ja auch The Thing von Christian Nyby und Howard Hawks (1951), wo man John W. Campbells Vorlage Who goes there? (1938) um einen Formwandler, , die man damals kaum werkgetreu umsetzen konnte, um das berüchtigte »Karottenmonster«, eine Art zombiehafte Frankenstein-Pflanze »bereicherte«, ehe John Carpenter sich bei seinem Achtziger-Remake mehr auf das eigentliche Monster besann. Unbedingt noch zu erwähnen (und ebenfalls durch ein Achtziger-Remake nicht in Vergessenheit geraten) sei Roger Cormans Little Shop of Horrors (1960), wo man die Sci-Fi-Elemente nebst Invasions-Absichten eine fleischfressenden Pflanze in eine schwarze Komödie verpackte.

Little Joe (Jessica Hausner)

© Coop99, The Bureau, Essential Films

Es kann nicht nur der kalte Krieg gewesen sein, der aus dieser »leisen Bedrohung« solch einen seltsamen kleinen Trend machte, der uns tatsächlich immer noch beschäftigt (auch, wenn ich vermutlich vergeblich darauf warte, dass Emmerich oder Bay ein Reboot von Attack of the Killer Tomatoes starten).

Jessica Hausner geht dieses Thema natürlich vergleichsweise viel subtiler an und bastelt eine sperrige Lovestory zwischen zwei Wissenschaftlern (Botaniker als mad scientists), die Blumen züchten, um über besondere Pheromone »Glück« zu einer erfolgreichen Ware der Pharma-Industrie zu machen... »You'll love this plant like your child!« & »could get addicted to the smell...« - Bis die Züchtungen dann scheinbar einen eigenen Plan entwickeln.

Little Joe (Jessica Hausner)

© Coop99, The Bureau, Essential Films

Ben Whishaw ist ein toller Schauspieler, über den man sich als Regisseurin im Cast sicher freut, aber für mich war dann der Bezug zu einer seiner bekanntesten Rolle, der des Jean-Baptiste Grenouille aus Tom Tykwers Verfilmung von Patrick Süskinds Das Parfüm, eindeutig zu naheliegend. Erst spielte Whishaw einen Killer auf der Suche nach dem perfekten Parfüm, jetzt einen Blumenzüchter, bei dem die olfaktorische Finesse abermals eine Gefahr darstellt.

Bei all diesen allzu leicht wiedererkennbaren Versatzstücken fiel es mir sehr schwer, die neuen Aspekte in Hausners Geschichte angemessen zu würdigen. Irgendwie kam es mir dabei vor, als würde sie sich für ihren vermeintlichen Durchbruch zu sehr auf leicht zu fabrizierende taglines und die Wechselwirkungen zwischen dem phantastischen Kino (und entsprechenden Festivals) und dem anspruchsvollen Arthouse-Kino stützen. Da mochte ich es viel lieber, als sie noch sperrig ihr Ding durchzog und man sie als acquired taste eben selbst entdecken musste.

Little Joe (Jessica Hausner)

© Coop99, The Bureau, Essential Films

Klingt unfair (und ist es vermutlich auch), aber dafür, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass Little Joe wirklich ein Erfolgsfilm wird, empfinde ich zu viele Konzessionen an einen nur sehr geringfügig größeres Publikum als das, was Jessica Hausner sonst so ansprach (als außerhalb des deutschsprachigen Raum kaum jemand von ihrer Existenz wusste).

Vielleicht mag ich einfach zu sehr diese Mauerblümchen mit ihrem schüchternen Charme...