The Lodge
(Severin Fiala & Veronika Franz)
USA / UK 2019, Buch: Sergio Casci, Severin Fiala, Veronika Franz, Kamera: Thimios Bakatakis, Schnitt: Michael Palm, Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans, Ton: Sylvain Bellemare, Kostüme: Sophie Lefebvre, Szenenbild: Sylvain Lemaitre, mit Riley Keough (Grace), Jaeden Martell (Aiden Hall), Lia McHugh (Mia Hall), Richard Armitrage (Richard Hall), Alicia Silverstone (Laura Hall), Daniel Keough (Aaron Marshall), Lola Reid (Junge Grace), Philippe Ménard (Junge), Jarred Atkin (Priester), 109 Min., Kinostart: 6. Februar 2020
Severin Fiala und Veronika Franz wurden bekannt als das Regiegespann hinter dem abgründigen kleinen österreichischem Horrorfilm Ich seh ich seh, in dem es um den Kampf zweier Zwillingsbuben mit ihrer entstellten Mutter ging. Ihr neuer Film, in Sundance gefeiert und Eröffnungsfilm des Fantasy Filmfest, erzählt nun mit einem internationalen Cast eine nicht unähnliche Geschichte.
Abermals geht es um zwei Kinder (statt Zwillingen eher die »Hänsel und Gretel«-Variante), die Misstrauen hegen gegen ihre »zukünftige Schwiegermutter«. Die Geschichte beginnt aber mit der richtigen Mutter (Alicia Silverstone), wodurch der Film Ähnlichkeiten zu Hereditary (und eine handfeste Traumabewältigung) mit sich bringt.
© SquareOne Entertainment
Das Perfide bei Ich seh ich seh war, dass die psychologische Zeichnung der Märchenfiguren-Konstellationen in einem sehr artifiziellen Horrorplot über die üblichen Genregrenzen hinaus durchdacht waren. In The Lodge ist die Herangehensweise ähnlich, man beugt sich aber stärker den Regeln des Genres und opfert für ein paar zusätzliche Twists auch ein paar Realismus-Ansätze, was manche Zuschauer vergrätzt, in meinem Fall aber das Vergnügen nicht schmälerte.
Wo in Ich seh ich seh die reine Figurenkonstellation zwar konstruiert, aber nicht überzogen wirkte, wird hier die junge neue Freundin des Vaters (Riley Keough, bekannt aus Filmen wie American Honey oder Mad Max: Fury Road) von langer Hand wie der Auftritt eines Antagonisten inszeniert, nur um dann, kaum, dass man den gemeinsamen »Familien«-Urlaub in der verschneiten, fernab liegenden Lodge beginnt, das gegenseitige Misstrauen zwischen den Kindern und der nicht akzeptierten »Stiefmutter« (die gar nicht scharf ist auf die Mutterrolle, sich aber diesem Detail ihrer Beziehung so gut wie möglich stellt) noch superpräsent im Raum steht - und der Vater - mal wieder in völliger Ignoranz des Genres und der brisanten Situation - den Spielort verlässt.
Ganz wie in Ich seh ich seh oder aktuell erfolgreichen Horrorfilmen wie Hereditary, The Babadook oder The Prodigy bekommt man so eine Situation serviert, bei der man als Zuschauer in einer leicht schrägen Mutter-Kind-Konstellation sowohl um beide Seiten bangt als auch nicht weiß, ob man sich vor ihnen fürchten muss.
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Und zu dieser undurchsichtigen Situation gesellen sich leicht übernatürliche Details, die man im Genre ja auch nicht einfach außer acht lassen kann.
Ein Modell des Hauses, in dem der größte Teil des Film spielt, spielt hierbei (wie in Hereditary oder in The Shining das Heckenlabyrinth) auch eine Rolle, die eine deutliche Unsicherheit mitbringt. Puppenhäuser bringen oft etwas Gruseliges mit sich.
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Und als würde das alles nicht ausreichen, kommen dann auch noch handfeste Vorwürfe mit ins Spiel: »You left Mom for a psychopath!«, denn die Geliebte des Vaters tauchte in einem Buch des als Journalisten tätigen Vaters (Richard Armitrage) auf - und kaum ist der aus dem Haus, machen sich die misstrauischen Kinder auch noch auf, mehr über die Kindheit der ungeliebten Stiefmutter herauszukriegen - und sehr schnell müssen die Kinder feststellen, dass die feindliche Haltung der einzigen Erwachsenen gegenüber in der ungastlichen Situation in der Waldhütte dafür sorgen kann, dass sie das Überleben in Gefahr bringt.
The Lodge hat einige Details, die ich anderen Filmen arg nachtragen würde (erst hat man nichts zu essen, dann plötzlich doch wieder), aber ich habe mich ganz darauf eingelassen, wie Fiala und Franz mit der düsteren Atmosphäre spielen (die Tonspur verlangt einem einiges ab) und aus ihrer Konstellation möglichst viel heraus holen.
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The Lodge macht es einem nicht unbedingt leicht, den Film zu mögen (in der Pressevorführung schien es so, als konnte ein Großteil des Publikums äußerst wenig mit dem Film anfangen - unabhängig davon, ob es sich um Freunde des Horrorgenres oder eher bodenständige Gestalten handelte), aber ich mag gerade solche düsteren Psychogramme, in denen die Inszenierung wichtiger ist als jedes verdammte kleine Storydetail (Repulsion, The Night of the Hunter oder Das Cabinet des Dr. Caligari gehören zu meinen langfristigen Lieblingsfilmen).
Aber wenn mich jetzt einer fragen würde, warum meine allgemeine Tendenz hier eher positiv ausfiel, während ich die Begeisterung anderer für Hereditary oder The Prodigy nicht uneingeschränkt teilen wollte, kann ich das nicht genau festnageln. Horrorfilme haben auch viel mit Bauchgefühl zu tun. Ein ganz billiger, simpler Horrorfilm, den nicht viele Leute mochten - das seltsame Remake von House of Wax - gehört beispielsweise auch zu meinen Lieblingen. Da sehe ich etwa über Paris Hilton hinweg und freue mich, wenn sie ihren Abschiedsmoment hat - und der für viele reichlich konstruiert wirkende Schluss des Films veredelt für mich vieles. Aber: mit House of Wax hat The Lodge so gar nichts zu tun. Ich wollte nur noch einen Absatz füllen und erinnerte mich gerade an diesen Film - vielleicht sollte man nicht nachts um halb fünf Filmkritiken schreiben...