Hypnotic
(Robert Rodriguez)
Originaltitel: Hypnotic, USA 2023, Buch: Robert Rodriguez, Max Borenstein, Kamera: Pablo Berron, Robert Rodriguez, Schnitt: Robert Rodriguez, Musik: Rebel Rodriguez, Kostüme: Nina Proctor, Production Design: Caylah Eddleblute, Steve Joyner, Art Direction: Paul Alix, Set Decoration: David Hack, Cynthia Anne Slagter, mit Ben Affleck (Danny Rourke), Alice Braga (Diana Cruz), JD Pardo (Randy Nicks), Dayo Okeniyi (River), William Fichtner (Lev Dellrayne), Jeff Fahey (Carl Everett), Jackie Earle Haley (Jeremiah), Zane Holtz (Trout), Ruben Caballero (Watkins), Kelly Fry (Viv), Sandy Avila (Thelma Everett), Ryan Ryusaki (Bong), Hala Finley (Minnie Rourke, 10 years old), Ionie Nieves (Minnie Rourke, 7 years old), Corina Calderon (Maria), Nikki Dixon (Therapist), Evan Vines (Lyle Terry), Natalie Garcia (Bank Teller), Derek Russo (Tiny), Gabriel Rodriguez (Mexican Police Officer #2), 93 Min., Kinostart: 10. August 2023
Robert Rodriguez dreht jetzt auch schon seit 30 Jahren Filme (sein die Herstellungskosten von 7000 Dollar reichlich wieder einspielender Debütfilm El Mariachi kam 1993 raus), und zum Teil habe ich auch tiefempfundenen Respekt vor seinen Errungenschaften. From Dusk til Dawn (1996) spielte eine große Rolle in der Karriere von Quentin Tarantino, The Faculty (1998) war ein Kernstück im Hype um Drehbuchautor Kevin Williamson, dann widmete er sich der Spy Kids-Filmserie (2001-2011), in die er seine Kinder stark involvierte, schuf mit Sin City (2005) eine stilbildend werkgetreue Comic-Adaption, die aber leider Filmemacher wie Zack Snyder ein bisschen zu sehr inspirierte, und nach diversen Zusammenarbeiten mit Danny Trejo schuf er mit Machete eine liebevolle, ganz auf den Hauptdarsteller zugeschnittene Kultfigur. Diese Kurzübersicht über Rodriguez' Karriere unterschlägt vieles, was aber unbedingt erwähnt werden muss ist seine immer wieder thematisierte Faszination für seine mexikanischen Wurzeln, vielleicht am unübersehbarsten in Once Upon a Time in Mexico (2003).
Was mich auf unschöne Weise an Til Schweiger erinnert, ist die Art, wie er seine Kinder mit in die Filmbranche zieht (Rebel und Racer gehören auch über eine gemeinsame Produktionsfirma zur Crew von Hypnotic), und was ihn manchmal etwas größenwahnsinnig erscheinen lässt, ist sein Involvement in diverse Unterhandwerke beim Filmemachen, Regie alleine reicht ihm nicht, er will auch für Produktion, Drehbuch, Kamera, Schnitt und ich glaube, früher auch schon mal Musik verantwortlich stehen, was natürlich eine Menge Geld spart, aber eben auch das Input erfahrener Experten ausschlägt. Ich befürchte, zu dem Thema werde ich im Verlauf dieser Kritik noch mal zurückkommen.
© 2023 Hypnotic Film Holdings LLC
Der Trailer zu Hypnotic wirkte auf mich vielversprechend, ich befürchtete aber von Anfang an, dass der Film dem von mir mit Inbrunst verachteten Now you see me gleichen könnte, was sich dann auch im Kern bewahrheitete.
Die Story dreht sich um den Polizisten (ich hab mir seinen Rang nicht gemerkt) Daniel L. Rourke, der tief obsessiv und traumatisiert ist, weil seine kleine Tochter Minnie einst entführt wurde, und er zwar einen Schuldigen finden konnte, aber nicht die Tochter. Und nach wie vor ist für ihn klar, dass da noch andere Kräfte involviert waren. Dann wird er in einen neuen Fall verwickelt, bei dem bei einem Banküberfall ein Mann (William Fichtner) durch eine kurze hypnotische Suggestion (das müssen Rourke und die Polizei noch herausbekommen) eine Frau dazu animiert, sich teilweise ihrer Bekleidung zu entledigen, was zu einem großen Verkehrschaos führt.
© 2023 Hypnotic Film Holdings LLC
Mit erstaunlichem Tempo kommt Rourke dem Mann auf die Spuren und konfrontiert ihn sogar, bleibt aber mit lauter neuen Fragen zurück. Und einem Polaroid, das (Überraschung!) seine Tochter zeigt. Darauf geschrieben: ein neuer Hinweis mit einem Namen, der sofort bei mir den Verdacht erweckte, er könne sich um ein Anagramm handeln.
Ich saß schon in Filmen, wo ich solche einen Hinweis nebenbei enträtseln konnte, aber bei Hypnotic war nicht nur zu viel los (was man fast als Kompliment werten könnte), spätestens, als das Anagramm entschlüsselt wurde, war klar, dass man darauf keine Lebenszeit verschwenden sollte. Generell gibt es im Film einige durch die Inszenierung (und ein wenig Filmerfahrung) superdeutliche Hinweise, die zwar zum Teil später bestimmte Wendungen unterstützen, aber selbst drüber nachdenken, bringt wenig. Okay, da sieht man auffallende Dominosteine (ich kannte das Plakat noch nicht) und die eine zertretene Kakerlake muss irgendeine Bedeutung haben, aber wenn man es dann später rausbekommt, sind das nur lieblos hingeworfene Brotkrumen.
© 2023 Hypnotic Film Holdings LLC
So in der ersten halben Stunde des Films fand ich noch vieles faszinierend und spannend, man wolte einem Rätsel auf die Spur kommen. Welche Rolle spielen die Psychiaterin zu Beginn? Kann Rourke seiner schnell gefundenen Mitstreiterin Diana Cruz (Alice Braga) trauen?
Aber was im Ansatz an die Filme von Christopher Nolan (Memento, Inception) erinnert, wird dann mit immer neuen Finten nicht nur in ein komplett anderes Genre verformt, mit jeder neuen »Auflösung« interessiert man sich auch weniger für die Geschichte, die gegen Ende wie ein auf links gedrehter früher Stephen-King-Roman wirkt.
© 2023 Hypnotic Film Holdings LLC
Noch dazu ist der ganze Film zunehmend preiswert, aber vor allem schwach inszeniert. Zu Beginn gibt es noch viele stilvolle Produktionsmittel, dann wird alles immer beliebiger, es wird immer mehr gequatscht und erklärt, einzelne Szenen wie ein Ausflug nach Mexiko wirken komplett austauschbar (vielleicht eine Hommage an die unsäglichen Schnee-Szenen in Inception?) und letztendlich ist man vor allem froh darüber, dass das Ganze nach knapp anderthalb Stunden durchlitten ist.
Auf eine ganz seltsame Art zur Schlüsselszene entwickelt sich der Showdown. Normalerweise rege ich mich oft darüber auf, dass gerade Superhelden-Filme gegen Ende in ein sinnloses, aber farbenfrohes Spektakel mutieren, wie es offenbar von Leuten, die Schlachtengemälde lieben, gefordert wird. Um kurz auf Christoper Nolan zurückzukommen: als ich Tenet jüngst in der Glotze nachgeholt habe, war die entsprechende Szene, die gleichzeitig die Zeit-Narration des Films erklären sollte, der Punkt, wo ich mich lieber habe schlafen gelegt, weil es mich einfach nicht mehr interessierte.
Bei Rodriguez ist der Showdown immerhin ziemlich kurz gehalten (bis auf einen aus bestimmten Gründen fast obligatorischen Nachschlag, der den Film in meiner Bewertung gleich nochmal tiefer stürzen ließ), aber wie man hier den Einsatz von zwei Hubschraubern, die man gefühlt in sechs Einstellungen sieht, so aufbauscht, als handle es sich um das Nonplusultra an Budgetverprassung (laut Presseheft hat der Film nicht weniger als 26 Produzenten, und meines Wissens ist das kein crowd funding, dass ist auf hilflose Art fast putzig.