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Oktober 2003
Frank Willmann
für satt.org




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Der Polizist und der Fußballrowdy



Am 28. August 2002 besuchte der BFC-Fan Flori das Fußballspiel 1.FC Union-Amateure vs. BFC Dynamo im Stadion „An der Alten Försterei". Vor und nach dem Spiel gab es einige Rangeleien zwischen den verfeindeten Fangruppen der beiden Ostberliner Mannschaften. Nach Spielschluss verließ Flori mit einer großen Gruppe BFC-Fans das Stadion in Richtung S-Bahnhof Köpenick. Am Bahnhof traf diese Gruppe auf Union-Fans. Den eintreffenden BFC-Fans stellten sich lediglich zwei Zivilbeamte entgegen. Die Staatsanwaltschaft Berlin warf Flori vor, er hätte sich in der dann losstürmenden Gruppe befunden und sei laut schreiend und mit drohend erhobenen Fäusten in Richtung Unionfans gerannt, um diese in eine körperliche Auseinadersetzung zu verwickeln. Er hätte im folgenden einem Zivilpolizisten Schläge angedroht und ihm gesagt, er habe schon einige Polizisten fallen sehen, was nach Ansicht des Staatsanwaltes eine Todesdrohung darstellte. Anfang August 2003 kam es im Amtsgericht Tiergarten zum Prozess gegen Flori wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung mit einem Verbrechen.


Schildere uns bitte deinen Weg vom Stadion zum „Ort des Geschehens"?

Die Stimmung auf dem Weg war bestens, schließlich hatten wir gegen Union gewonnen, Zwischenfälle gab es auf dem Weg eigentlich nicht. Auch die begleitenden Beamten machten einen recht entspannten Eindruck.


Bist du mit erhobener Faust laut schreiend auf die Union-Fans zugerannt?

Das ist Unsinn. Als wir den Bahnhofsvorplatz erreichten, begannen schlagartig alle um mich herum loszurennen. Da ich in diesem Moment noch nicht wußte, was da geschieht, rannte ich ebenfalls los, um nicht von hinten umgestoßen zu werden. Nach wenigen Metern bewegte ich mich aus der Gruppe heraus und blieb stehen. Erst danach sah ich in etwa fünfzig Metern Entfernung einige Personen wegrennen, die wohl Unioner gewesen sein sollen.


Was passierte dann?

Da sich die eingesetzten uniformierten Beamten darauf beschränkten, den Bahnhofseingang zu blockieren, versuchten die beiden vor dem Bahnhof wartenden Zivilbeamten mit mäßigem Erfolg, die Menge aufzuhalten. Ein Beamter, der, wie ich inzwischen weiß, der Ermittlungsgruppe Hooligan angehört, kam aus vollem Lauf auf mich zu und schlug mit seinem Tonfa in Hüfthöhe auf mich ein. Seinen weiteren Schlägen konnte ich ausweichen, woraufhin er von mir abließ. Vor dem noch immer abgeriegelten Bahnhofseingang kam es inzwischen zu Rangeleien mit Fans. Der Zivilbeamte lief auf dem Bahnhofsvorplatz umher und versuchte die dort abwartenden Fans unter Schlägen in Richtung Bahnhof zu treiben. Meine an ihn gerichtete Aufforderung, das zu unterlassen und die Frage was das überhaupt soll, schließlich war der Zugang ja noch versperrt, wurde lediglich mit der Bemerkung „Verpiß dich in den Bahnhof“ kommentiert. Auch der Hinweis, das ich ihn wegen Körperverletzung im Amt anzeigen würde, schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken.


Gab es eine Fortsetzung der Geschichte? Was geschah auf dem Bahnsteig?

Nachdem wir dann endlich den Bahnhof betreten durften, kam es dort zu kleineren Rangeleien mit Beamten, woraufhin eine Person festgenommen wurde. Als diese von zwei Uniformierten an dem mir schon bekannten Zivilbeamten vorbeigeführt wurde, ging dieser auf die Gruppe zu und führte mit dem kurzen Ende des am Arm anliegenden Tonfas einen Stoß zum Oberkörper des Festgenommenen aus. Um weitere Schläge zu unterbinden, forderte ich ihn sehr lautstark auf, das zu unterlassen und kündigte ihm für diese Aktion eine Strafanzeige an. Ende vom Lied war, daß ich beim darauffolgenden Heimspiel im Stadion festgenommen wurde, um meine Fingerabdrücke und Fotos zu registrieren und der Verein aufgefordert wurde, mir für Heimspiele Stadionverbot zu erteilen.


Mit welcher Begründung?

Nach Auffassung der EG Hooligan hatte ich bereits durch das Losrennen und Wiederstehenbleiben den Tatbestand des Landfriedensbruches erfüllt.
In der gegen mich gerichteten Anzeige gab der Beamte weiter an, nachdem er mich nur mit Gewalt an der Verfolgung der Unioner hindern konnte, hätte ich mich auf ihn zubewegt, ihm Schläge angedroht und erklärt, ich hätte schon viele Polizeibeamte fallen sehen. Danach habe er mich in Richtung Eingang des Bahnhofs gestoßen, wobei ich weiter, mit was auch immer, gedroht haben soll. Das ganze wurde durch den zweiten Zivilbeamten fast wortgleich bestätigt.


Wie hat sich der Zeuge der Anklage verhalten?

Auf mehrfaches Nachfragen meines Verteidigers erklärte der Beamte, die Androhung von Schlägen hätte er zwar nicht gehört, sie sei aber „nonverbal“ erfolgt, in dem ich ihn mit „Blicken aggressiv fixiert“ hätte. Auch mußte eingeräumt werden, daß der Abstand zu den von mir angeblich Verfolgten sehr groß war und ich an später erfolgten Auseinandersetzungen nicht teilgenommen habe. Auf die Frage des Richters, ob er vor dem Bahnhof denn noch andere Personen geschlagen habe, erklärte er sich daran nicht mehr erinnern zu können, allerdings sei die Reichweite seines Mehrzweckstockes sehr groß, so daß er bei seiner Ausholbewegung möglicherweise weitere Personen berührt haben könnte.


Wie ging die Verhandlung weiter?

Auch der zweite Beamte, ein Angehöriger des BGS, hatte deutlich die „nonverbale Androhung“ von Schlägen wahrgenommen. Allerdings mußte er auf Nachfrage von Rechtsanwalt Lau einräumen, daß er nicht gesehen habe, wie ich mit erhobenen Armen schreiend herumgelaufen sei. Da sich aber viele so verhalten hätten, müßte dies auf mich wohl auch zugetroffen haben.
Entgegen der Aussage seines Kollegen war er sich aber sicher, daß beide mich gemeinschaftlich in den Bahnhof verbracht hätten, obwohl der zu diesem Zeitpunkt noch abgeriegelt war. Auch waren die Unioner nach seiner Meinung nicht vom Platz geflüchtet, sondern hätten sich vor dem Eingang des Bahnhofes Auseinandersetzungen mit BFC-Fans geliefert. Eine Beteiligung meiner Person konnte er aber nicht bestätigen.


Wie sah das Hohe Gericht die Angelegenheit?

Der Richter sprach mich von den erhobenen Vorwürfen frei. Das entsprach auch dem Antrag des Staatsanwaltes, der sich trotzdem das Recht vorbehielt, Berufung einzulegen, was letztlich aber nicht geschehen ist.


Dein abschließendes Urteil zu der Angelegenheit?

Mich hat die ganze Sache maßlos geärgert, nicht nur wegen dem fast ein Jahr andauernden Streß, der damit verbunden war, sondern auch, weil für mich der Eindruck entsteht, daß es Beamte gibt, die mit Fans nach dem Motto „Erst mal draufhauen, trifft eh immer die Richtigen“ verfahren. Droht aber eine Anzeige ist die Flucht nach vorn die beste Lösung, wer glaubt im Normalfall schon einem Fan, dem Widerstand und Landfriedensbruch vorgeworfen wird, zumal, wenn er Anhänger des BFC ist. Warum beide dann in der Verhandlung ihre schriftlichen Aussagen in wesentlichen Teilen nicht mehr bestätigen wollten, [darüber] kann man nur spekulieren.


Wirst du strafrechtlich etwas gegen den Zivilbeamten unternehmen?

Im Grunde sollte man das tun, aber die Wahrscheinlichkeit, daß einer oder beide zur Verantwortung gezogen werden, geht meiner Ansicht nach gegen Null. Schließlich habe ich keine Zeugen. Wer bei dem ganzen Durcheinander in meiner Nähe war, habe ich damals nicht beachtet.