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Sinnlich und cool
Auf »Back to the cat« rettet Barry Adamson die Kunst des Konzeptalbums. Mit Swing, Charme und Orgel.
Kein Slang ist schöner als der Jazzslang. Kostprobe gefällig? Wer das große Los gezogen hat, sprich, wenn die Jackettaschen voller Penunze sind, hat »Heavy sugar«. Er oder sie kann dann raue Mengen besten Whiskys ordern und das Getränk stilecht »Panther sweat« nennen. Ist kein freiverkäuflicher Schnaps zur Hand, muss »coffin varnish«, der böse Selbstgebrannte ran. Der führt zu »Screaming meemies«, vulgo Tatterich. Die Gesellschaft der Typen, die selbstredend »hard-boiled« sind und der schönsten Frauen, von denen man, je nach Alter, nur als »Baby vamp« oder »Barn burner« spricht, hat ihren Preis. Es wird nicht etwa eine schnöde Party geschmissen, das bleibt den Philistern überlassen. Stattdessen macht man »Lollapalooza«. Dabei wird voneinander nur als »cats« gesprochen. Der wahrscheinlich bekannteste Terminus bezeichnet einfach Jazzleute, Menschen die Jazz lieben. Louis Armstrong hat ihn populär gemacht. Auf Edward R. Murray’s Frage »What is a cat, Louis?« hin definierte Satchmo: »He can be the lowest guy in the gutter all the way up to King, and if...he enjoys the music, then he’s a cat!«
Barry Adamson nun ist definitiv »a cool cat«. Im Juni wird er 50. Aufgewachsen ist Adamson in Manchesters Moss Side, nicht unbedingt die Gegend für höhere Töchter und Söhne. Das Kind Adamson las Comics, hörte Alice Cooper, David Bowie und die Motown- und Jazzplatten der Familie. Mit sechs Jahren verkleidete es sich als Batman und bretterte mit dem Fahrrad durch das Ekelwetter der Heimatstadt. Sein erster Song hieß »Brain Pain«. Nach der Schule, über die Noten schweigt sich Adamson aus, versuchte er sich als Grafikdesigner. In die Karriere platzte, was bis heute Punk genannt wird. Er heuerte als Bassist bei Howard Devotos Magazine an und spielte bei den kalten Neoromantikern von Visage. 1982 dann war Adamsons exakter, mahlender und tiefer Bass auf »Kiss me black« zu hören, eine der gar gräulichen Moritaten auf »Junkyard«, der Monsterplatte von The Birthday Party. Nach deren Ende spielte er auf den ersten vier Alben (1984 - 1986) von Nick Cave & The Bad Seeds, zeichnete als Mitautor bei »Tupelo«, eine von Caves größten frühen Nummern. 1988 nahm Adamson sein Solodebüt »Moss Side Story« auf. Ein imaginärer Soundtrack, zu dem er sich illustre Gäste, unter ihnen Diamanda Galás, Rowland S. Howard, Marcia Schofield von The Fall und die nahezu kompletten Bad Seeds, einlud. Das Album, zu dem Dave Graney von den Moodists die Linernotes schrieb, ist ein imaginärer Soundtrack und eines für übermorgen. Heute wieder gehört, erscheint diese Mischung aus Jazz, Easy Listening, Filmmusik, Maschinenlärm und Charles-Mingus-Zitat als absolut modern. Könnte gestern veröffentlicht worden sein.
Der Barry Adamson von 2008 klingt dann aber doch etwas anders. »Back to the cat«, eine Art Konzeptalbum mit allgegenwärtigen Bläsern und Orgel, ist vor allem sinnlich und cool. In den zwanzig Jahren zwischen »Moss Side Story« und der neuen Platte ist aus Adamson ein Komponist echter Soundtracks, so für David Lynchs »Lost Highway« (1997) geworden. Er remixte die Einstürzenden Neubauten, begrüßte alte Mitstreiter wie Nick Cave und neuere wie James Johnston, machte Werbung für Babynahrung und Bier. Adamson hat mehrere komplizierte Hüftoperationen überstanden, hat angefangen, selber zu singen und auf »The King of Nothing Hill« (2000) seine eigene, augenzwinkernde Version von Black Music veröffentlicht. Wer das Video zu »Black Amour« kennt, weiß, wovon hier die Rede ist. Adamsons frühe Platten auf Mute atmeten etwas unterschwellig Bedrohliches, Paranoides, das aus Erfahrung kam. »Back to the cat«, das zweite Album auf seinem eigenen Label Central Control, vergißt das nicht, bringt aber eine plötzliche Leichtigkeit und Lässigkeit ins Spiel, die Adamson gut steht. Zu federndem Bass und swingendem Schlagzeug führt er uns auf »The beaten side of town«. Die Gassen mögen dunkel sein, aber sie sind Heimat, vertrautes Terrain. »Straight 'til sunrise« beginnt mit dezenten, wohl morgendlichen Straßengeräuschen und den Klängen einer Polizeisirene. Oder ist das eine Alarmanlage, bevor sich der Song zu einer wahren Uptempo-Nummer hochschwingt? Vogelgezwitscher leitet »Spend a little time« ein, noch ein Feger, angetrieben von einem wunderbarem Piano. Auf »Shadow of death hotel« begegnet uns der frühe Barry Adamson. Sinistrer Ultrafunk mit Flöte ist das und sollte, gäbe es Gerechtigkeit auf der Welt, der Titelsong für den nächsten James Bond werden. Und wenn die Macher ein Instrumental akzeptieren würden. »I could love you« kommt als Soulballade daher. »I could love you / but that would leave me in misery« lässt Adamson, in der Tat ein großer Sänger und Weiser, die Angebetete und Begehrte sagen. »Walk on fire« ist einzigartiger Rave Jazz, »Flight«, das zweite Instrumental, schickt den elektrischen Miles auf die Raumpatrouille Orion, gibt ihm ein hektisches Schlagzeug auf den Weg. Auf »Civilization« und »People« wird Adamson besinnlich, bevor »Psycho_Sexual« einsetzt. Ein hypnotisches Meisterwerk ist das, ganz Drama und Funk. Es schlägt den Bogen zum ersten Song, zur geschlagenen Seite der Stadt. Die Manchester sein könnte, London, wo Adamson jetzt lebt, oder auch jede andere Metropole, in der der Mensch verloren gehen kann. Davon, wie das dann doch kein böses Ende nimmt, erzählt »Back to the cat«, ein Stationendrama mit zehn Akten und schlicht und einfach »the cat's meow«.
Zum Weiterlesen über Jazzslang: Magda Knight – The Mooky Guide To Jazz-Age Slang.
» www.barryadamson.com
» myspace.com/barryadamson
» www.centralcontrol.co.uk