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23. Dezember 2011
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Felix Giesa
für satt.org |
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Geschenkedition Für große Kinder – und für kleine:
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Émile Bravo: Das tapfere Prinzlein und die sieben Zwergbären Carlsen 2011 32 Seiten, Euro 9,95 » Verlag » amazon |
Mit der momentanen Diskussion um Comics für Kinder und der Auszeichnung von Émile Bravos »Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen« mit dem Deutschen Jugendliteraturpreises im vergangenen Jahr, ist es kein Wunder, dass endlich auch der erste Band von Bravos Märchen-Kinder-Comic-Reihe auf Deutsch erscheint. Einzig vielleicht überraschend, dass er so spät erscheint. Denn »Das tapfere Prinzlein und die sieben Zwergbären« ist ein Comic, der vielfältig zu gefallen weiß. Geschichte und Konzept sind dabei weniger neu als gelungen umgesetzt. Die sieben Zwerge sind hier eben Zwergbären, was einer gewissen Niedlichkeitsoffensive gleich kommt. Mit Schneewittchen wissen die sieben dann allerdings nichts anzufangen, als sie diese schlafend auf ihren Betten finden. Glücklicherweise gibt es einen Prinzen in der Nähe, der nur bereitwillig hilft. Handelt es sich doch ums tapfere Schneiderlein, das sich ob des neuen Postens reichlich langweilt. Findet bei »Shrek« zusätzlich zu dem Märchen-Mash-up auch noch popkultureller Aufguss statt, sind die »Zwergbären« reine Märchenfreude. Bravos Zeichenstil ist dabei unverkennbar, dabei näher an »Meine Mutter« als an »Operation Fledermaus«. Das gilt auch formal, »Zwergbären« ist ein wesentlich traditioneller Comic als dies für »Meine Mutter« galt. Und Märchen machen sich unterm Weihnachtsbaum ja immer gut.
Manuele Fior: Fünftausend Kilometer in der Sekunde avant 2011 144 Seiten, Euro 19,95 » Verlag » amazon |
Es wurde ja bereits gesagt, dass Manuele Fior in Hauptsache von der Liebe erzählt. Das war schon so in seinem Erstling »Menschen am Sonntag«, auch in seiner »Fräulein Else«-Adaption ist das natürlich so und in seinem in Angoulême ausgezeichneten Meisterwerk »Fünftausend Kilometer in der Sekunde« dreht sich nun auch wieder alles um die Liebe. Doch nie zuvor erzählte Fior davon so raffiniert und virtuos wie hier. Ganz meisterlich umspannt er die verschiedensten Orte, um das Liebesgeflecht seiner Erzählung zu weben. Seine Figuren, die beiden Freunde Nicola und Piero sowie das von beiden angehimmelte Mädchen Lucia, stammen aus dem heißen Süden Italiens und was dort unter der heißen Sonne in den unbekümmerten Jahren der Jugend beginnt, wird das Leben aller drei nie ganz verlassen. Piero und Lucia werden ein Paar, sehr zum Leidwesen Nicolas. Dann geht sie nach Norwegen, Piero wird Forscher im Herzen Afrikas – fünftausend Kilometer weite entfernt. Beide fangen neu an, Nicola wird in Norwegen schwanger, trennt sich und kehrt zurück in die Gluthitze Italiens, aber auch zurück zum daheimgebliebenen Nicola. Fast scheint es, als hätte Fior die Handlungsorte nur nach ihrem Klima gewählt, um anhand der passenden Farbigkeit auch die Stimmungen und Figuren in seinen sanften und weichen Aquarellzeichnungen charakterisieren zu können. Wenn am Schluss der Handlung alle drei wieder im Dorf sind, nicht vereint, auch nicht abschließend glücklich, dann klingen die Worte Lucias Mutter nach, wenn sie kurz nach dem Umzug ins Dorf spricht: »Pflanzen brauchen Zeit, um sich einzugewöhnen. Genau wie Menschen. Sie müssen Wurzeln schlagen. Sonst sind sie unglücklich.« Fünftausend Kilometer und ein halbes Menschenleben haben die drei benötigt, um ebenfalls zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Das ist herzerweichend traurig, aber auch wunderschön anzuschauen; Manuele Fior und die Erzählung von der Liebe sind ein Paar, dass hoffentlich nie scheitern wird. Und sollte es das irgendwann doch, wird es sicherlich in herrlichen Bildern geschehen.
Bastien Vivès: Polina Reprodukt 2011 208 Seiten, Euro 24,00 » Verlag » amazon |
Gerade eben ist Polina in Frankreich als bester Comic des Jahres ausgezeichnet worden. Und tatsächlich hat man das Gefühl, Vivès ginge es gar nicht darum, nur möglichst häufig seinen Zeichenstil zu ändern und so zu beweisen, wie unglaublich versiert er diverse Stile beherrscht. Viel eher hat man den Eindruck, als experimentiere er, teste aus, suche nach neuen, zeitgemäßen Formen des graphischen Erzählens. Wie schon bei In meinen Augen beweist er auch in Polina ein perfektes Gespür für die Geschichte des Erzählens in Bildern. In seinem nun so gekürten Titel ist es die Geschichte eines kleinen Mädchens, Polina, die zum Balletstar wird. Anders als in Black Swan ist das Ballet hier nicht Anlass, um die menschliche Psyche zu ergründen. Vivès Anlass des Erzählens ist das Ballet, genauer die reale Ballerina Polina Semionova. Er erzählt vom Ballet, von der Kunst, mit dem menschlichen Körper Geschichten zu erzählen. Was er dabei erzählt vom Ballet und dazu feststellt, und ganz hat es den Anschein, als seien es immer wieder auch für den Zeichner Vivès wahre Offenbarungen (und das sind sie), gilt in beeindruckender Analogie so auch vielfach für den Comic. »Die Leute sehen nur das, was man ihnen zeigt.« Diese Worte spricht gleich mehrfach der erste Ausbilder Polinas (und gewisserweise Vaterersatz, denn natürlich ist Polina nicht einfach nur eine Reflexion über das Ballet, sondern auch eine Erzählung vom Erwachsenwerden, natürlich auch von der Liebe und von harter künstlerischer Arbeit), Professor Bojinski. Und das trifft doch auch genau für den Comic zu. Damit die Leute dann auch genau das sehen, was Vivès im Comic sieht, findet er erneut den idealen Zeichenstil für seine Geschichte. Mit wenigen feinen, beinahe hauchdünnen Strichen fasst er seine Figuren. Ganz besonders in den Tanzsequenzen, wobei man sie eigentlich nicht so nennen darf. Es sind Posen, in denen Vivès die Tänzerin Polina bannt, die in ihrer Fragilität an antike griechische Statuen erinnern. Immer wieder sind darum auch die tanzenden Figuren weiß von dem gräulichen Untergrund abgehoben und wirken so noch mehr wie Figuren aus dem längst vergangenen Figurenpantheon. Diese Anmut mit so leicht aufs Papier gebracht zu haben, ist die große Kunst des Bastian Vivès.
Jeff Lemire: Essex County Band 2 Geistergeschichten Aus dem Englischen von Thomas Schützinger Edition 52 2010 224 Seiten, 18 Euro » Verlag » amazon |
»Wissen sie, ich sage immer, es gibt nur zwei Arten, um in dieser Welt völlig alleine zu sein ... verloren in der Menge ... oder in totaler Isolation.« Wenn uns Lou Lebeuf am Ende seiner Lebensgeschichte diese Maxime offenbart, hat er bereits vergessen, dass er sie nicht zum ersten Mal erzählt. Lou ist das ältere und lebensüberdrüssige Pendant zu Lester, dem kleinen Jungen aus Jeff Lemires erstem Band der Essex County-Trilogie »Geschichten vom Land«, der sich mittels andauernder Superheldenfantasien ein familiäres Trauma – seine Eltern starben bei einem Autounfall - vom Leib hält. Was beide Figuren vereint, ist der Zwang, das Vergessen kontrollieren zu lernen. Was sie unterscheidet, ist die Erfahrung: Lou Lebeuf blickt als alter Mann auf ein Leben voll falscher Entscheidungen zurück; Lester hingegen ahnt nicht im Geringsten, welche Hölle ihm noch bevorstehen könnte. » weiterlesen
Marijpol: Trommelfels avant 2011 112 Seiten, Euro 19,95 » Verlag » amazon |
Eigentlich hätte man hier auch Mattottis »Hänsel und Gretel« unterbringen können, aber dann hätte ich das Problem gehabt, Marijpols Debüt-Comic woanders in der Liste unterzubringen. Und das wollte ich tatsächlich sehr gerne. Marijpol, die bei Anke Feuchtenberger in Hamburg studierte und bereits mit Arbeiten in »Ich/ I/ Je/ Io« (was sich übrigens als Geschenk im Freundeskreis immer gut macht!) und in »Orang« auf sich aufmerksam machte, ist ein rares Pflänzlein in der deutschsprachigen Comiclandschaft. Wie kaum eine andere Zeichnerin gelingt es ihren, zugegebenermaßen häufig verstörenden, Geschichten, ein avantgardistisches Bildinventar so narrativ aufzuladen, dass tatsächlich eine gut lesbare Geschichte entsteht. Dabei erweist sie sich zwar als eindeutliche Schülerin Feuchtenbergers, steht aber ausreichend auf eigenen Beinen, um sich mit Ihrer Erzählung um vorzeitliche Lebensformen, die von Archäologen erforscht werden, als eigenständige Künstlerin zu etablieren. Das zeigt sich auch in der Wahl des zugrunde liegenden Themas, wenn sie die Bedeutung von Gemeinschaft und die Verantwortung des Einzelnen für diese feinsinnig auslotet. Dabei lässt sie mit den Fledermauswesen aus grauer Vorzeit in ihren feinen, dunkel kolorierten Zeichnungen ein Figureninventar auftreten, das archaischen Weltmodellen entsprungen scheint.
Georg Behringer: Meine Zukunft in Listen Knesebeck 2011 128 Seiten, Euro 9,95 » Verlag » amazon |
Nicht nur wenn die Cousine Egomanin ist, auch sonst dürfte »Meine Zukunft in Listen« ein hübsch unverfängliches Geschenk sein. Eine Art von einem selbst für sich selbst auszufüllendes Poesiealbum ist das dünne Bändchen, das zwar mit Lesebändchen, allerdings ohne Schließe an diese Tradition erinnert. In Listen soll der Besitzer festhalten, was er sich für seine Zukunft so vorstellt, also welche Städte man bereisen möchte, was noch lernen oder auch tatsächlich, welche Geschenke man sich noch wünscht (vielleicht auch deswegen keine Schließe). Dem Design nach und in den Zeichnungen gleicht es dabei der Vielzahl von vielleicht mit Aktivitätenbüchern am besten bezeichneten Titeln, die sich derzeit überall im Umfeld der Buchhandelkassen finden. Und vielleicht ist es ja wirklich spannend, in der Zukunft nachzulesen, was man sich zwanzig Jahre früher einmal so alles vorgestellt hat.
Linda Scott: Die coolsten Bubble-Schriften der Welt Knesebeck 2011 144 Seiten, Euro 14,95 » Verlag » amazon |
Damit sich die Cousine nach den Weihnachtstagen auch erholen kann, sprich ihr Kind ein bißchen beschäftigt ist, braucht das natürlich auch ein Aktivitätenbuch. Auf knapp 150 Seiten erfährt das Kind basale Informationen über Bubble-Schriften, ist also noch nicht zu gelangweilt, um es nicht direkt selber auszuprobieren. Das kann es dann auch und so werden unterschiedliche Alphabete durchbuchstabiert. Das ist zumeist recht spaßig und unterhaltsam.
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