Mit
The Mummy hatte Stephen Sommers aus einem alten Boris Karloff-Streifen einen außerordentlich erfolgreichen witzigen
Indiana Jones-Verschnitt gemacht, diesmal versuchte er sich gleich an mehreren der klassischen Universal-Monsterfilme und kreierte eine amüsante Achterbahnfahrt, deren Anleihen bei der Grundidee von
League of Extraordinary Gentlemen unübersehbar sind. Schon bei der Besetzung sieht man die Inspiration durch die ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts spielenden Alan Moore-Verfilmungen. Aus
From Hell wurde Robbie Coltrane übernommen, der hier einen Mr. Hyde gibt, der vor allem an
Shrek und
The Hunchback of Notre Dame (beides übrigens auch von Universal vertriebene Filme) erinnert. Und Richard Roxburgh, der in
LOEG noch den M spielte, ist nun aufgestiegen und kann als Oberbösewicht Graf Dracula durchaus an die Vorstellung von Gary Oldman anknüpfen.
Doch wo Bram Stoker's Dracula sich schon im Titel auf die literarische Vorlage zurückbesann, geht es bei Van Helsing keineswegs um die Romane von Mary Shelley, R. L. Stevenson oder Bram Stoker. Titelheld Van Helsing heißt mit Vornamen nicht Abraham (sondern Gabriel) und ist kein alter holländischer Professor, der Probleme mit der englischen Sprache hat - und ohne zuviel verraten zu wollen: Mr. Hyde, Dr. Frankenstein und Dracula sterben auf andere Weise als in den Büchern.
Vielleicht habe ich es nur übersehen, aber meines Wissens werden die literarischen Vorlagen nicht einmal im Abspann erwähnt, Sommers' Ehrerweisung an James Whales klassische Frankenstein-Verfilmung (1931) ist hingegen vorbildlich: Die ersten zehn Minuten von Van Helsing sind in schwarzweiß und zeigen uns noch mal das vom dörflichen Mob verfolgte Monster Frankensteins, das sich in eine Windmühle verkriecht, die abgebrannt wird und zusammenstürzt. Doch auch ohne Kenntnis von Bride of Frankenstein (1935) ist dem Zuschauer klar, daß das Monster damit noch nicht tot ist …
Durch eine Vorstellung der Hauptfiguren bekommt man auch einen Einblick in die Handlung:
Der von Hugh Jackman ("Wolverine" in den X-Men-Filmen) gespielte Gabriel Van Helsing ist eine Art James Bond/Batman/Zorro-Mischung mit Cowboy-Hut, der von einem kirchlichen Geheimorden beauftragt wird, allerlei Monstren einzufangen oder zu töten, wobei er meist mehr Aufmerksamkeit erregt, als dem Geheimorden lieb ist, und nebenbei wegen Mordes gesucht wird.
In den Katakomben des Vatikan trifft er auf Carl (David "Faramir" Wenham), der zunächst wie eine Version des Q aus den James Bond-Filmen erscheint, dann aber als sidekick Van Helsings für einige der besten Gags des Films sorgt ("Why does it smell like wet dog in here?").
Kate Beckinsale, zuletzt in Underworld bereits bei einem Klassentreffen der Vampire und Werwölfe zugegen, spielt Anna, die letzte Angehörige einer Familie, die Dracula ausrotten will, um die Gefahr einer alten Weissagung, wie man die Vampirbrut aufhalten kann, endgültig auszuschließen. Annas Bruder Velkan ist leider durch einen Werwolf-Fluch sozusagen zur anderen Seite übergetreten.
Der schier untötbare Dracula und seine drei international besetzten Bräute wollen zusammen mit diversen Helferlein (eine krude Mischung aus den Star Wars-Sandpeople und den bissigen kleinen Kerlchen aus Barbarella) die jahrelang angesammelten Sprößlinge ihrer unchristlichen Polygamie zum Leben erwecken. Bisher warten diese noch in tausenden Kokons, die an die Aliens erinnern, auf ihren ersten Flug. Mithilfe modernster Technologie (wir schreiben das Jahr 1888), die Dr. Frankenstein in seinem transylvanischen Zweitlabor zusammengestellt hat, soll dieses gelingen. In zeitweiliger Ermangelung des Original-Monsters (das übrigens etwas modernisiert wurde und teilweise an die Borg erinnert) versucht Dracula die Lebensenergie des Werwolfs Velkan über eine elektronische Matrix auf seine Gremlins-ähnlichen Kinder zu übertragen, was Van Helsing und Anna natürlich verhindern müssen. Leider zeichnet sich das Transylvannien des Films durch auffällig häufige Vollmondnächte und Gewitter aus, was den Job nicht einfacher macht …
Das Aufeinandertreffen unterschiedlichster Horror-Mythologien klappt mitunter vorzüglich, wenn etwa Igor mit einem elektrischen Viehtreiber den angeketteten Werwolf in die Schranken weist oder Van Helsing und Mr. Hyde sich im Notre Dame de Paris ein köstlich abgedrehtes Duell liefern. Wer aufgrund des etwas misslungenen Trailers einen spannenden Horrorthriller erwartet, könnte jedoch enttäuscht werden, denn die Spannungsmomente sind wie schon in The Mummy Nebensache - in Van Helsing geht es vor allem um pure Unterhaltung, und das nahezu so gelungen wie zuletzt in Peter Pan oder Pirates of the Caribbean.
Die Computeranimationen sind zwar weit von der Perfektion dieser Filme entfernt, und einiges an Van Helsing ist allzusehr auf den monumentalen Merchandise-Angriff* zugeschnitten, doch jeder, der einfach nur ein spaßiges Gruselkabinett über sich ergehen lassen will und Komödienklassiker wie Mel Brooks Young Frankenstein (Frankenstein Junior) oder Roman Polanskis Dance of the Vampires (Tanz der Vampire) mochte, wird voll auf seine Kosten kommen.
*Neben einer brandneuen Attraktion in den Universal Studios (man muß ja mit Konkurrent Disney mithalten können) und dem üblichen Roman, Soundtrack und Videospiel gibt es bereits ab 11. Mai eine DVD mit einem Prequel-Animationsfilm (The London Assignment zeigt das erste Aufeinandertreffen von Van Helsing und Mr. Hyde) und als lobenswerte Geldschinderei ist bereits die "Monster Legacy" erschienen - drei auch einzeln erhältliche Sets mit den drei Original-Universal-Streifen mit Bela Lugosi, Boris Karloff und Lon Chaney, jr. - sowie als Bonusmaterial jeweils drei, vier skurrile Filmchen wie The Spanish Dracula oder Frankenstein meets the Wolf Man, die Sommers besonders inspiriert haben sollen.