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November 2006 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Casino RoyaleRegie: Martin Campbell, Buch: Neal Purvis, Robert Wade, Paul Haggis, Lit. Vorlage: Ian Fleming, Kamera: Phil Méneux, Schnitt: Stuart Baird, Musik: David Arnold, Kostüme: Lindy Hemming, Stunt-Koordinator: Gary Powell, mit Daniel Craig (James Bond), Eva Green (Vesper Lynd), Mads Mikkelsen (Le Chiffre), Judi Dench (M), Caterina Murino (Solange), Giancarlo Giannini (Mathis), Jeffrey Wright (Felix Leiter), Jesper Christensen (Mr. White), Simon Abkarian (Dimitrios), Ivana Milicevic (Valenka), Malcolm Sinclair (Dryden), Isaach de Bankolé (Steven Obanno), Ludger Pistor (Mendel), Sébastien Foucan (Mollaka), Tobias Menzies (Villiers), Daniel Andreas (Dealer), Jürgen Tarrach (Schultz), 144 Min., Kinostart: 23. November 2006 Viel Hype wurde um den neuen Bond gemacht, doch ich muß eines vorwegnehmen: Casino Royale ist tatsächlich der beste Bondfilm, seit Sean Connery den Doppelnull-Agenten nicht mehr spielt.
Inwiefern der neue Bond-Darsteller Daniel Craig dafür verantwortlich ist, kann ich nicht zweifelsfrei entscheiden, fest steht aber: mit Pierce Brosnan, dem Schönling aus Remington Steele (und ich will ihn hiermit nicht diskreditieren, sondern nur charakterisieren), hätte dieser Bond nicht funktioniert. Casino Royale war 1953 der erste Bond-Roman von Ian Fleming, und während man seit geschlagener Zeit nicht mehr auf die Originalromane als Filmvorlage zurückgreift, wurde Casino Royale bisher nur außerhalb der eigentlichen Bondreihe als Parodie verfilmt. 1966 mit Peter Sellers, David Niven als Bond, Woody Allen als seinem größenwahnsinnigen Neffen Jimmy Bond, Orson Welles als Le Chiffre und Ursula Undressed als Vesper Lynd. Sellers und Allen vermisst man zu Beginn ein wenig, doch Mads Mikkelsen ist ein würdiger Bösewicht Le Chiffre, und Eva Green überzeugt trotz ihres zuletzt farblosen Auftritts in Kingdom of Heaven hier als Bond-Girl, das nicht alle Nase lang im Bikini durchs Bild läuft. Apropos Bikini: Als Hommage (?) an unvergessene Momente mit Ursula Andress (Dr. No) und Halle Berry (Die another Day) ist es diesmal Bond selbst, der wie eine Erscheinung im Badeanzug aus dem Meer hervorkommt. Ich persönlich kann die eine Szene, in der sich gleich zwei Frauen nach Daniel Craig umdrehen, nicht völlig nachvollziehen, aber wenn er mich auch nicht als Sexsymbol überzeugt, so zumindest als knallharter Agent, bei dem die “Lizenz zum Töten” nicht nur ein blöder Spruch ist. Dieser Bond scheint außerdem eine Lizenz als Abbruchunternehmer zu besitzen, denn bei einer fulminanten Verfolgungsszene zu Beginn (keine Angst, Willy Bogner hat frei bekommen) kompensiert er seine dem Gegenspieler nicht ebenbürtigen Fähigkeiten unter anderem dadurch, daß er ohne Rücksicht auf einen Neubau die Verfolgung mit einem gigantischen Bagger fortsetzt. Casino Royale beginnt die Geschichte Bonds neu, erfindet sie neu, ähnlich wie in Batman Begins. Schon der Vorspann verzichtet bis auf eine Spielkarte völlig auf weibliche Schauwerte, die zum Markenzeichen gewordenen leichtgekleideten Silhuetten hat man rigoros außen vor gelassen. Zu Beginn des Films (als Referenz an klassische Zeiten in Schwarz-Weiß) bekommt Bond seinen Doppel-Null-Status gerade erst, der Film spielt aber dennoch (und das ist teilweise etwas verwirrend) in der Gegenwart, Handys und Terroranschläge übernehmen die Rolle von aufwendigen Gadgets (kein Q) und dem kalten Krieg. Bereits zum fünften Mal dabei: Judi Dench als M (“God, I miss the cold war …”), die hier ihre persönliche Beziehung zu Bond entwickeln kann. Bond ist zunächst ein Einzelgänger, der ohne Rücksicht auf Verluste agiert, und auch mal in einer Botschaft eine Schießerei anzettelt. Sein Dinnerjacket ist offensichtlich zunächst nicht so elegant, wie man es gern hätte, und auch den Standardspruch “stirred, not shaken” hört man hier noch nicht von ihm, er probiert lieber andere Drinks aus. Nach einer bondtypischen kleinen Nummer mit der Freundin eines Bösewichts trifft er zur Mitte des Films auf Vesper Lynd (Eva Green), die Schatzmeisterin der englischen Regierung, die sich mit “I am the money” vorstellt, woraufhin Bond entgegnet “and worth every penny of it”. Mit solchen Querverweisen auf die Bondgeschichte ist der Film gespickt, und Eva Green ist mehr als eine austauschbare Bondgespielin, sondern fast eine Art neue Diana Rigg (auch wenn das Ende des Films hier ganz anders verläuft als in In Her Majesty’s Secret Service), die für die psychologische Entwicklung der Figur Bond sehr wichtig ist. Vieles am Drehbuch erinnert an den letzten Mission: Impossible-Film, nur mit dem nicht unwichtigen Unterschied, daß dieser Bond die einstmals billigen Imitate wie Ethan Hunt oder Jason Bourne, die ihm nun aber den Rang abzulaufen drohen, eiskalt aussticht. In Zeiten, wo Bond-Parodien wie Austin Powers oder Johnny English den Markt sättigen, muss sich Bond mit seinen hippen Nachfolgern messen - was ihm diesmal vollauf gelingt. Regisseur Martin Campbell drehte mit GoldenEye zwar auch den letzten halbwegs passablen Bond (den ersten von vieren mit Pierce Brosnan), war aber auch für solche filmischen Fiaskos wie Beyond Borders oder The Legend of Zorro verantwortlich. Abgesehen von einigen schlechten Spezialeffekten (der Hintergrund bei der zweiten Einstellung von Le Chiffres Freundin Valenka, das vermeintlich riesige Flugzeug) und zwei oder drei seltsamen Momenten in der Dramaturgie (die Duschszene nach den zweiten - extrem kurzen - vier Pokerstunden) macht er hier aber seine Sache sehr gut. Daß der Film nicht nach dem üblichen Bond-Schema abläuft, sondern den Showdown wie in der früher als “unverfilmbar” eingeschätzten Romanvorlage fast auf ein Kartenspiel-”Duell” begrenzt (naja, fast - am Schluß gibt es dann noch einen unvermeidlichen “richtigen” Showdown), ist ebenso begrüßenswert wie die knappen (und kernigen) Dialoge, die einen fast das “Du gehörst in den Tank!” vergessen lassen, daß Roger Moore mal im Dschungel bei einer unvorhergesehenen Begegnung mit einem Tiger über die Lippen geht. “Yes, considerably.” “You ok?” - dieser Bond ist wieder richtig cool, und das gab es laaaaange Zeit nicht mehr. Ob man Daniel Craig mag oder nicht, ist eigentlich nicht ausschlaggebend bei der Entscheidung, ob man nach vielen Jahren vielleicht mal wieder ein Kinoticket für einen Bondfilm löst. Das Buch ist ausschlaggebend. Ob das nun der Verdienst von Paul Haggis oder von Ian Fleming ist, ist eine interessante Frage, doch um sie zu beantworten, müsste ich erstmal einen Bond-Roman lesen - und ich bin mir relativ sicher, daß ich dabei eher das Gesicht von Daniel Craig vor Augen hätte als das von Timothy Dalton, Alexander Siddig oder David Niven. |
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